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Review

SBK 22 im Test: Konkurrenz im eigenen Team

Von Alex Jung am 6. Oktober 2022. Getestet auf PS5. Zum Spiel hier klicken.

Seit einiger Zeit schon erlebt die Superbike-Weltmeisterschaft einen Popularitätsschub, was nicht zuletzt am spannenden Dreikampf um den Titel zwischen dem amtierenden Champion Toprak Razgatlioglu, dem Spanier Alvaro Bautista und Rekord-Weltmeister Jonathan Rea liegt. Die perfekte Gelegenheit also, endlich mal wieder ein Videospiel zu dieser Rennserie zu veröffentlichen. Denn der letzte Ableger, das extrem umfangreiche Superbike Generations, liegt auch schon zehn Jahre zurück.

Nun hat sich die italienische Rennspielschmiede Milestone erneut dieser Aufgabe angenommen, die sich damit allerdings neben ihrer bestehenden MotoGP-Reihe quasi Konkurrenz im eigenen Haus schafft. Gelingt SBK 22 auf Anhieb der Sprung aus dem Windschatten von MotoGP 22 oder hängt man ohne Überholchance hinter dem Rivalen fest? Getreu dem Motto, dass der eigene Teamkollege immer der erste und härteste Konkurrent ist, haben wir einmal mehr die Lederkombi übergezogen und uns das Duell genauer angeschaut.

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Lizenz mit Abstrichen

Bei zwei Videospielen aus dem gleichen Hause, die jeweils eine der beiden großen Straßen-Motorradweltmeisterschaften zum Thema haben, drängen sich Vergleiche natürlich geradezu auf. Ein signifikanter Unterschied zur MotoGP und wohl auch ein Teil des Charmes der Superbike-Weltmeisterschaft ist die Tatsache, dass hier nicht mit reinen Prototypen angetreten wird, sondern mit Motorrädern, die man (in abgeschwächter Form natürlich) so auch beim Händler um die Ecke jederzeit käuflich erwerben kann.

Dementsprechend stehen uns in SBK 22 Motorräder der Marken Kawasaki, Yamaha, Ducati, Honda und BMW zur Auswahl. Selbstverständlich können wir aus allen offiziellen Fahrern der Saison 2022 wählen, darunter befindet sich auch der deutsche Ex-Moto3-Pilot Philipp Öttl.

Damit kommen wir aber auch schon früh zum ersten Knackpunkt von SBK 22. Denn außer der offiziellen Lizenz der Superbike-Klasse bietet das Spiel keinerlei weitere Inhalte. Weder die Supersport-Kategorie mit dem Schweizer WM-Kandidaten und MotoE-Worldcup-Sieger Dominik Aegerter, die seriennahe Superstock 1000, noch die boomende Einstiegsklasse Supersport 300 sind im Spiel enthalten. Dies stellt ein klares Manko im Vergleich zu MotoGP 22 dar, wo man neben allen drei offiziellen WM-Klassen sogar den MotoE-Worldcup in Angriff nehmen durfte.

Auch legendäre Motorräder, Fahrer oder Bonusstrecken abseits des offiziellen Kalenders der aktuellen Saison suchen wir vergebens. Bei den Lizenzen und den gebotenen Inhalten hat die hauseigene Konkurrenz bereits früh ganz klar die Nase vorne.

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Copy and paste

Neben den obligatorischen Online- und Schnellen Modi wie Zeitfahren oder Einzelrennen gibt es natürlich auch einen Karrieremodus, welcher sich klar am Aufbau von MotoGP 22 orientiert. Wahlweise können wir im Vorfeld bei einem der offiziellen Teams unterschreiben oder aber unser eigenes Team gründen, wobei wir allerdings den Namen vorgegeben bekommen und nur dank des enthaltenen Editors an der Lackierung des Motorrads und der Farbgebung unserer Ausrüstung Hand anlegen dürfen.

Ein großer Unterschied im internen Milestone-Wettbewerb ist jedoch, dass wir nicht in den kleineren Nachwuchsklassen erste Sporen verdienen, sondern sofort in der höchsten Kategorie antreten. Viel Feind, viel Ehr sozusagen. Wie in Rennspielen mittlerweile oft anzutreffen, haben wir auch hier wieder die Möglichkeit, Personal zu rekrutieren und unser Motorrad stückweise in drei Bereichen wie zum Beispiel dem Fahrwerk zu verbessern.

In diesem Modus fällt dann aber auch mit am meisten auf, dass beide Spiele vom gleichen Entwickler stammen und auf dasselbe Grundgerüst zurückgreifen, denn die Menüführung und die Darstellung wurden quasi unverändert übernommen. Dies gilt für so ziemlich alle Aspekte und betrifft neben den Animationen sogar die Editoren und die kurzen Zwischensequenzen, bevor wir auf die Strecke gehen.

In Summe hat SBK 22 auch hier das Nachsehen gegenüber MotoGP 22, denn so geht ein gutes Stück Eigenständigkeit der Reihe verloren.

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Ride till I can’t no more

Auf der Strecke und insbesondere beim Fahrverhalten gibt sich SBK 22 genauso wie MotoGP 22 wenig Blöße. Das Fahrverhalten ist durchaus fordernd, man wird aber auch von Runde zu Runde besser. Geschickt gilt es, sowohl Vorder- als auch Hinterradbremse zu nutzen, um einigermaßen punktgenau verzögern zu können.

Wenn man sich mal etwas daran gewöhnt hat, dann macht es schon richtig viel Spaß, zumal das Motorrad wie in der Wirklichkeit auch permanent am Arbeiten ist. So entstehen auch mal spektakulär anzusehende Wackler, die das Spielgefühl authentischer machen.

Geht man doch einmal zu Boden, so kann man dank der standardmäßigen Rückspulfunktion seinen Fehler direkt wieder ungeschehen machen. Dargestellt wird unser Sturz mit einer Onboard-Kamera des Motorrads, welche dann auch entsprechende Bildstörungen simuliert. Auch dies kennt man aus MotoGP 22. Jedoch fehlt die Option, mit unserem Fahrer zum am Boden liegenden Motorrad zu laufen.

Auf Wunsch können wir in der Karriere komplette Rennwochenenden bestreiten, inklusive aller Trainingssessions, dem Superpole-Rennen und den beiden Hauptdurchgängen. Richtig, hier hebt sich SBK 22 tatsächlich etwas von MotoGP 22 ab, denn traditionell werden bei den Superbikes immer zwei Hauptläufe pro Rennwochenende bestritten. Bei den kurzen Superpole-Rennen wiederum können zum einen zusätzliche Punkte gewonnen werden, zum anderen bestimmt dieses auch noch die Startaufstellung im zweiten Hauptlauf.

Zwingend gefahren werden müssen immer alle drei Rennen, der Rest ist optional. Als Lizenzspiel betrachtet ergibt dies absolut Sinn, denn wer Fan der Superbike-Serie ist, möchte natürlich auch ein möglichst authentisches und vollständiges Wochenende bestreiten. Als einfaches Rennspiel betrachtet bedeutet dies jedoch, dass wir in der Karriere prinzipiell das gleiche Rennen auf dem identischen Kurs dreimal fahren müssen. Zwar lockern unter Umständen andere Witterungsbedingungen dies etwas auf, jedoch gehört die Wiederholung quasi zum Spielgeschehen dazu und sollte nicht unerwähnt bleiben.

Ergänzt wird die Saison dann noch von den obligatorischen Testfahrten, bei denen wir verschiedene Komponenten ausprobieren und für den weiteren Saisonverlauf auswählen können. Auch hier bedient sich SBK 22 bei der firmeninternen Konkurrenz. Das reicht jedoch nicht, um Boden auf MotoGP 22 gut zu machen.

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Hören, sehen, fühlen

Während die Musik in den Menüs leider ziemlich uninspiriert vor sich hin dudelt, können zumindest die Motorengeräusche überzeugen. Unser Motorrad klingt zu jedem Zeitpunkt kernig und aggressiv, sodass jeder Zug am Gasgriff Spaß bereitet. Abseits der Motorengeräusche krankt SBK 22 aber an denselben Problemen, die bereits MotoGP 22 hatte, nämlich der fehlenden Atmosphäre rund um die Strecke.

Während bei dem direkten Kontrahenten zumindest noch Servus-TV Kommentator Christian Brugger zu Beginn des Rennens für ein klein wenig Atmosphäre sorgte, bleibt das Szenario bei SBK 22 komplett stumm. Auch die Umgebungen und Tribünen sind sehr statisch und bieten kaum Auflockerungen.

Überzeugen können wiederum die Motorradmodelle, die sehr detailreich gestaltet wurden. Bei den Fahrern und den vielen Menschen an der Strecke wie beispielsweise den Mechanikern oder den Grid-Girls in der Startaufstellung fallen jedoch wieder einmal die leblosen Gesichter auf, die so wahrscheinlich auch auf der PlayStation 3 problemlos darstellbar gewesen wären.

Beim Thema Künstliche Intelligenz macht SBK 22 einen soliden Job, wobei aber oft genug das Feld wie an einer Perlenschnur aufgereiht daherkommt. Ab und zu kommt es dennoch auch bei der Kl zu Unfällen, welche dann oft sehr spektakulär ausfallen. Hier greifen manchmal aber etwas merkwürdige Physikberechnungen, etwa wenn Fahrer wie Gummipuppen ohne jegliche Schwerkrafteinwirkung durch das Kiesbett fliegen.

Im Test selbst fielen uns dann leider auch ein paar kleinere Bugs auf. So kam zum Beispiel unser Pilot plötzlich zu Sturz, obwohl wir nur ein wenig die Strecke verlassen hatten und uns immer noch auf dem asphaltierten Bereich des Kurses befanden. Auch stimmte die Zielankunft um uns herum mit dem abgebildeten Ergebnis am Ende des Rennens nicht überein. Wir hatten etwa einen harten Kampf bis zum Zielstrich mit Rea und Bautista, die wir letztlich knapp hinter uns lassen konnten. Im Ziel war jedoch der eigentlich auf Elf platzierte Axel Bassani plötzlich auf dem Podest. Das sind einfach Dinge, die sicherlich vermeidbar wären.

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Fazit

Für sich betrachtet ist SBK 22 ein solides Rennspiel, welches seinen Job soweit gut erfüllt. Es bietet die offizielle 2022er-Lizenz der Superbikes, ein gutes Fahrgefühl und eine prinzipiell umfangreiche Karriere, bei der wir unser Motorrad sukzessive verbessern können. Natürlich ist beim Spiel an sich noch Luft nach oben, wirklich grobe Schnitzer leistet es sich aber auch nicht.

Da es jedoch mit MotoGP 22 vom gleichen Entwickler quasi die direkte Vergleichsmöglichkeit gibt, relativiert sich das Bild dann doch etwas. SBK 22 bietet mit seinen fehlenden Klassen bedeutend weniger Umfang, hat wenig eigenständige Atmosphäre und ist grafisch einen Ticken trister.

Im Vergleich zu MotoGP 22 fallen aber am meisten die recycelten Menüführungen, Animationen und Grafiken auf. Dadurch wirkt SBK 22 in Summe nicht wie ein vollwertiges Spiel, sondern lediglich wie ein Add-on zu MotoGP 22.

Wer auf ein offizielles Spiel zur Superbike-Weltmeisterschaft gewartet hat und auf die Lizenz Wert legt, der macht prinzipiell wenig falsch. Als reines Motorrad-Rennspiel betrachtet jedoch hat die hauseigene Konkurrenz MotoGP 22 klar die Nase vorne. Es bleibt also zu hoffen, dass man sich bei Milestone für die kommende Saison traut und vor allem auch die Ressourcen hat, beide Rennserien deutlich unabhängiger voneinander anzugehen.

Pro:
  • Offizielle Lizenz inklusive aller Strecken der Saison 2022
  • Gutes, forderndes Fahrgefühl
  • Umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten
  • Karrieremodus mit Team- und Bike-Entwicklung
  • Gelungener, kerniger Sound der Motorräder
  • Gewohnt gute, wenn auch simple Editoren
Contra:
  • Supersport, Superstock 1000 und Supersport 300 fehlen
  • Abseits SBK-Lizenz keine weiteren Inhalte
  • Kleinere, vermeidbare Bugs
  • Grafisch trist
  • Liebloses Recycling fast aller Komponenten aus MotoGP 22
  • Letzten Endes nur ein Add-on zu MotoGP 22
Gameplay:
4 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Grafik:
3 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Sound:
4 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Atmosphäre:
3 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Unsere Wertung: 7.0 / 10
Spiel getestet auf: PS5
Alex Jung

Alex Jung

Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.

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