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Review

Final Fantasy XVI im Test: Ein tiefer blutiger Cut, der alles verändert

Von Daniel Walter am 21. Juni 2023. Getestet auf PS5. Zum Spiel hier klicken.

Mit Final Fantasy XVI steht der nächste große Ableger von Square Enix epischer Rollenspielreihe in den Startlöchern. Ob uns das düstere und sehr erwachsene Szenario überzeugen konnte, zeigen wir euch im Test.

Wenn wir ins Spiel einsteigen, entscheiden wir uns zunächst zwischen einem Grafik- und einem Performance-Modus und haben außerdem die Möglichkeit, zwischen einem einfacher gehaltenen Story-Fokus und einem Action-Fokus zu wählen. Während die erste Variante den Schwerpunkt auf das Erleben der Geschichte legt und uns zum Beispiel zum Start mehrere Hilfsgegenstände zur Verfügung stellt, erwartet uns im zweiten Schwierigkeitsgrad eine klassisch anspruchsvolle Final-Fantasy-Erfahrung.

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Ein perfekter Einstieg

Zum Start empfängt uns Final Fantasy XVI so, wie wir es auch erwartet haben, nämlich mit einer bombastischen Eröffnungssequenz, die in Sachen Effektfeuerwerk gleich mal ein Ausrufezeichen setzt. Hier beobachten wir einen epischen Kampf zwischen zwei bekannten Esper, nämlich Phönix und Ifrit, die sich zwischen hohen Felsen und in düsteren Höhlen im Flug duellieren. Dabei bleiben wir übrigens nicht nur stummer Beobachter, sondern können, anders als in vielen Vorgängern, direkt mit kleineren Angriffsaktionen selbst ins Geschehen einsteigen. So steuern wir nicht nur Phönix’ Feuerattacke, sondern weichen auch den mächtigen Angriffen unseres Gegners aus, was direkt zu Beginn schon äußerst spektakulär aussieht. Die intensive orchestrale Untermalung, die unseren Puls mit hektischen Streicherarrangements nach oben treibt, passt dabei perfekt zum Eröffnungsszenario. Auch das Ende des packenden Duells kann sich sehen lassen, denn der Feuerball, zu dem die beiden Geschöpfe während ihres Kampfes verschmelzen, geht perfekt in die knisternde Flamme eines Lagerfeuers über, das sich in den Augen unseres Protagonisten spiegelt, der nachdenklich in die Glut blickt. Die eigentliche Handlung beginnt im Jahre 873 in einer verlassenen Schlucht in der Republik Dhalmekia in Valisthea. Hier treffen wir auf eine Gruppe von Soldaten, die sich im Schatten der Nacht auf ihre bevorstehende Mission vorbereitet. Dabei sorgen glänzende Metallrüstungen, polierte Schwerter sowie detailliert gestaltete Waffenröcke und Kettenhemden direkt für ein glaubhaftes Mittelalterszenario, das einen scharfen Kontrast zum modern gehaltenen Vorgänger Final Fantasy XV bildet. Beim Blick über die weitläufige felsige Landschaft, die uns umgibt, lässt das Spiel schon in den ersten Minuten ordentlich die Muskeln spielen und hält einen großartig inszenierten stimmungsvollen Sonnenaufgang für uns bereit. Wir folgen dem Blick von Hauptfigur Clive und finden uns im Anschluss, deutlich schneller als erwartet, im aktiven Spiel wieder.

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Es herrscht Krieg in Westeros – ähhh – Valisthea

Wir folgen der Gruppe durch unweges Terrain und werden kurz darauf Zeuge einer riesigen Schlacht, die offenbar eine der Frontlinien des gegenwärtigen Krieges markiert. Dabei präsentiert sich Final Fantasy XVI als ungewohnt roh und ernst und lässt uns mit seiner intensiven Darstellung der blutigen Gefechte immer wieder echte Game-of-Thrones-Vibes spüren. Hierbei sorgen nicht nur die teils richtig brutalen Kampfhandlungen, sondern auch die perfekt eingesetzte Kameraführung, die uns während der Sequenzen ganz nah ans Geschehen bringt, immer wieder für Gänsehautmomente. Dies gilt beispielsweise auch für einen beeindruckend inszenierten Kampf zwischen Shiva und dem riesigen Titan, bei dem die gesamte Erde um uns herum zu beben beginnt und wir die gigantischen Felsbrocken, die neben uns in den Boden krachen, dank optimal genutzter DualSense-Vibrationen selbst spüren können. Auch an anderer Stelle fühlen wir uns direkt nach Westeros versetzt, zum Beispiel, wenn wir hochrangige Führer unterschiedlicher Kriegsparteien an einem riesigen hölzernen Tisch dabei beobachten, wie sie über Schwerttreue und den Kriegsverlauf streiten oder sich gegenseitig die Schuld für ausbleibende Erfolge geben. Dezente Beleuchtungselemente wie Kerzen und Feuerschalen, fantastische Lichteinfälle und Spiegelungen oder auch detaillierte und realitätsnahe Texturen, beispielsweise an Oberflächen aus Holz, Stein oder Metall, sorgen hierbei zu jeder Zeit für eine äußerst atmosphärische und hochwertige Kulisse.

Auch gibt sich Final Fantasy XVI im Hinblick auf die gezeigten Beziehungen zwischen den Charakteren deutlich offenherziger, expliziter und erwachsener als jemals zuvor und unterstreicht damit seinen komplett neuen Ansatz, der alles von der kindlichen Unschuld vergangener Teile hinter sich lässt. Schön ist auch, dass Szenen aus der Vergangenheit genutzt werden, um die Figuren in der Gegenwart besser zu charakterisieren – ein Stilmittel, das ebenfalls gerne in der erwähnten Fantasy-Serie zum Einsatz kommt. Hier wird das düstere Setting dann auch wenigstens kurzzeitig ein wenig aufgelockert und lässt uns vorübergehend etwas jugendliche Leichtigkeit aus Clives Ausbildungszeit spüren – aber eben auch den Ursprung für sein späteres Leid. Auch jenseits der eigentlichen Kriegshandlungen befasst sich das Rollenspiel mit ernsten Themen, die das gesamte Ausmaß des Krieges zeigen. So wird das Land nicht nur von anderen Herrschern bedroht, sondern auch von der unaufhaltsamen Fäulnis, die sich immer weiter ausbreitet – eine weitere Parallele zu GoT, wo mit den Weißen Wanderern eine zusätzliche übersinnliche Bedrohung abseits der Kämpfe um den Thron existiert. Darüber hinaus sehen wir uns auch mit aggressiven Wildlingen aus dem Norden sowie mit riesigen Flüchtlingsströmen aus den von der Fäulnis bedrohten Bereichen des Reichs konfrontiert, sodass die Welt an allen Ecken und Enden auseinanderzureißen droht. Außerdem versuchen die unterschiedlichen Mächte aus allen Himmelsrichtungen Valistheas sich gegenseitig auszuspielen, um ihre eigene Position zu stärken und schrecken dabei auch nicht vor Intrigen, Verrat und Blutvergießen zurück. Allgemein ist Final Fantasy XVI ungewohnt brutal, blutig und ungeschönt und steht damit im krassen Kontrast zu den doch deutlich harmloseren JRPG-Welten, die wir sonst von der Reihe gewohnt sind.

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Moderne und actionreiche Kämpfe mit wenig Final-Fantasy-DNA

Steuerungstechnisch fühlt sich Final Fantasy 16 an vielen Stellen sogar wie ein modernes Action-Adventure an, was für die Reihe auch wirklich untypisch ist. So klettern wir dynamisch an Felsvorsprüngen nach oben, schlittern über am Boden liegendes Geröll einen Abhang nach unten oder schwingen unser Schwert in temporeichen Echtzeitgefechten, die sich von Beginn an völlig anders anfühlen, als wir es aus früheren Ablegern kennen. Sowohl in als auch außerhalb der Gefechte wirkt das Spiel dadurch an vielen Stellen sogar eher wie ein The Witcher oder ein neueres Assassin’s Creed, gerade dann, wenn wir dynamische Schwertangriffe mit wuchtigen Spezialangriffen kombinieren. Ergänzend zu den beiden grundlegenden Angriffsarten mit dem Schwert sowie mit verschiedenen Magiegeschossen ist unser Protagonist außerdem in der Lage, gegnerischen Attacken mit einem gut getimeten Manöver auszuweichen und, wenn das perfekte Ausweichen gelingt, zu einem wirkungsvollen Konter anzusetzen. Ein direkter Gegenangriff ist darüber hinaus auch nach dem erfolgreichen Parieren eines feindlichen Offensivschlags möglich, was uns einige freie Schläge verschafft. Weiterhin verfügt unser Held über spezielle Esperfähigkeiten, also über übernatürliche Kräfte, die ihm besondere Kampfhandlungen ermöglichen. Hierzu gehört beispielsweise der spektakuläre Phönix-Flug, mit dem wir auf dem Schlachtfeld im Bruchteil einer Sekunde eine größere Distanz zurücklegen und unsere Feinde dadurch überraschen können – also wie bei einer Art Teleport. Falls wir im Kampf Schaden erleiden, helfen uns Items wie Heiltränke wieder auf die Beine, die wir nach Belieben auf dem Steuerkreuz unterbringen und so bei Bedarf per Schnellzugriff nutzen dürfen. Unsere Gegner besitzen im Übrigen nicht nur eine Lebensleiste, sondern auch eine Anzeige für Willenskraft, die wir durch unsere Angriffe leeren können. Gelingt uns dies, haben wir die Möglichkeit, dem am Boden liegenden Feind mit weiteren Attacken, wie zum Beispiel auch mit einer mächtigen Esperfähigkeit, beträchtlichen Schaden zuzufügen und ihn dadurch endgültig in die Knie zu zwingen. Zwischen den unterschiedlichen Esperkräften, die meist auch über eine Abklingzeit verfügen, wechseln wir bei Bedarf übrigens einfach per Schnellauswahlmenü, das wir mit gedrückter rechter Schultertaste öffnen können.

Über unser Charaktermenü haben wir zudem Zugriff auf unsere Ausrüstung und können Attribute wie Angriff, Verteidigung, Kampfgeist und Lebenspunkte durch das Anlegen entsprechender Waffen und Gegenstände verbessern. Hier stehen uns Kategorien wie Hüft- oder Armschutz oder auch verschiedene Slots für Accessoires und Schmuck, wie zum Beispiel für Ringe zur Verfügung. Diese bieten uns unterschiedliche Vorteile im Kampf und helfen uns beispielsweise beim Ausweichen gegnerischer Angriffe oder auch beim Ausführen komplexer Kombos, je nachdem, welche Variante wir tragen. Sowohl Waffen als auch andere Ausrüstungsteile und Heilitems können in Läden in ganz Valisthea gekauft werden, so zum Beispiel auch in unserem ersten Versteck im toten Land. Unsere Basisattribute erhöhen sich bei einem Stufenaufstieg übrigens automatisch, für neue Esperfähigkeiten, Angriffsarten und Kombos benötigen wir dagegen unsere (ebenfalls durch den Stufenaufstieg) gesammelten Fertigkeitspunkte, um sie im recht übersichtlich gehaltenen Skilltree einzulösen. Beim Kampfsystem wirkt Final Fantasy 16 insgesamt sehr modern, sehr westlich und vollkommen untypisch, wenn man die Historie der Reihe betrachtet, was aber in jedem Fall für frischen Wind und auch für einen leichteren Zugang für Spieler außerhalb der klassischen FF-Fangemeinde sorgt. Die per rechtem Stick frei bewegliche Kamera, die effektvolle Inszenierung und auch die geschmeidigen Bewegungen der Kämpfer runden das gelungene Erscheinungsbild der Gefechte ab. Wer sich übrigens tiefer gehend mit den Kombos und Fertigkeiten auseinandersetzen und diese verinnerlichen möchte, kann dies später in der Halle des ewigen Eifers, einer Art anpassbarem Kampfplatz, tun und dort mit unterschiedlichen Gegnertypen üben.

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Next-Gen in Perfektion

Optisch ist Final Fantasy XVI in jeder Hinsicht beeindruckend. Nicht nur der bereits erwähnte atemberaubende Lichteinfall oder auch die realistischen Spiegelungen auf Metall, Glas oder Wasseroberflächen sind großartig umgesetzt. Auch Feuer, Rauch und Nebel sowie die zahlreichen Oberflächentexturen um uns herum wurden auf allerhöchstem Niveau gestaltet, ganz gleich, ob es um grün bewachsene Steinmauern, um hochglänzende Rüstungen, um sichtbar strukturierte Textilien oder auch um Holz, Leder oder den mit Erde und Gras bedeckten Boden unter unseren Füßen geht. Selbst kleinste Fasern, Grashalme und Steinchen sehen schlichtweg umwerfend aus und sorgen für eine durch und durch lebendige und naturnahe Kulisse auf Next-Gen-Niveau, die klar macht, warum es Zeit für die Reihe ist, die PS4 hinter sich zu lassen. Auch bei der Gestaltung der Figuren, bei ihren Bewegungen und Gesichtszügen gibt es so gut wie nichts auszusetzen. Diese überzeugen mit äußerst natürlichen Haarbewegungen und glaubhafter Mimik in den Sequenzen sowie mit natürlich wirkenden Ausrüstungsteilen, bei denen sich lose Elemente wie Gurte, Schwerter oder auch Mäntel, Schnüre oder Laschen in der Bewegung so realitätsnah präsentieren, dass man kaum einen Unterschied zur Darstellung in Filmen oder Serien erkennt. Ein kleiner Kritikpunkt lässt sich hier dennoch anführen, denn die Gesichtshaut der verschiedenen Charaktere wirkt schon sehr glatt und ebenmäßig, wodurch sie hier und da etwas künstlich aussieht. Ein paar mehr Poren, Falten und Unebenheiten hätten hierbei sicherlich nicht geschadet, schließlich gibt es in der rauen Mittelalterwelt sicherlich keinen Beautysalon, der sich auf tiefenreine Gesichtshaut spezialisiert hat. Weiterhin begegnen wir in der Welt natürlich auch verschiedenen Tieren und Kreaturen, die in Sachen Gestaltung ebenfalls sehr gut getroffen sind, vom flauschigen Fell und den gelungenen Gesichtsbewegungen unseres Hundes bis hin zum detailreichen Federkleid der Chocobos, die im neusten Teil unter anderem als Reittiere im Krieg herhalten müssen und dafür auch in imposantes Kampfgeschirr gesteckt werden. Ebenfalls großartig umgesetzt ist im Übrigen die Sprachausgabe, die, nach Final Fantasy XV, erst zum zweiten Mal in der Geschichte der Reihe komplett auf Deutsch gehalten ist. Dabei glänzen die Sprecher der verschiedenen (Haupt-) Rollen mit durchgehend filmreifen Darbietungen und lassen uns die Emotionen der Figuren sehr gut nachempfinden. Die Lippensynchronität präsentiert sich dabei in den Zwischensequenzen als nahezu makellos, in den Ingame-Szenen holpert sie dagegen hier und da ein wenig. Hinzu kommt eine feinsinnig komponierte und perfekt auf die jeweilige Situation zugeschnittene orchestrale Hintergrundmusik, die von sanften Klaviertönen bis hin zu treibenden Streicher- und Bläsereinlagen oder bombastischen Chören reicht und sowohl zarte als auch actionreiche Momente hervorragend untermalt. Hier steht Final Fantasy XVI einer hochwertigen Film- oder Serienproduktion ebenfalls in nichts nach und liefert einen abwechslungsreichen Score, der sich nahtlos in das mittelalterliche Fantasyszenario einfügt.

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Auch die Schauplätze wissen von Beginn an zu begeistern, sowohl mit einer Vielzahl an Details und einer naturnahen und hochauflösenden Optik, als auch mit ihrer greifbaren Stimmung. Egal, ob wir in der unbarmherzigen Natur unterwegs sind und uns durch feuchte Sümpfe, dichte Wälder, felsige Landschaften oder totes Land bewegen oder, ob wir teils zerfallene Tempelruinen, stimmungsvolle Dörfer und prunkvolle Burganlagen besuchen, die mit jeder Menge liebevoller Dekorationen oder auch mit Gesprächen und Aktionen im Hintergrund zum Leben erweckt werden – jeder Ort wird glaubhaft in Szene gesetzt und kann dabei mit einer individuellen und spürbaren Atmosphäre punkten, sowohl in der heilen Welt der Vergangenheit als auch mitten im blutigen Krieg. Schön ist auch, dass einzelne Areale, zum Beispiel in Clives Heimatburg in Rosaria, ohne Ladezeiten miteinander verbunden sind und wir beim Öffnen einer Tür schon den Bereich dahinter erspähen können. Hier merkt man natürlich auch die Power der PS5, die dank schneller SSD solche nahtlosen Übergänge möglich macht – übrigens auch zwischen Sequenzen und regulärer Ingame-Ansicht. Wo wir schon beim Öffnen von Türen und den Vorteilen der PS5 sind – einige massive Tore, deren Gewicht schon beim bloßen Anblick erkennbar ist, lassen sich erst dann bewegen, wenn wir den Widerstand der adaptiven Trigger des DualSense-Controllers überwunden haben. Dadurch wirken sie natürlich noch einmal deutlich schwerer und wuchtiger, was die Immersion mit einem kleinen aber feinen Effekt verstärkt.

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Beim Durchwandern friedlicherer Kulissen, zum Beispiel in der Burg in Rosaria oder auch in der großen Tempelanlage, die wir später in der Gegenwart aufsuchen, hatten wir aber auch genug Zeit, einige kleinere Mankos aufzudecken, wie zum Beispiel die teilweise sehr massiven Büsche, die sich wie ein störrischer Fels dagegen wehren, von uns durchlaufen zu werden. Andere Elemente wie Gräser oder Blumen auf der Wiese geben unserer Körpermasse hingegen schön nach und bewegen sich sanft und natürlich hin und wieder zurück. An anderer Stelle beobachteten wir zum Beispiel eine Gruppe zweier Zofen, die regungslos an einer Treppe stand und auf den Boden starrte, während sie in regelmäßigen Abständen wieder und wieder von ihrer Herrin angeschnauzt wurden, oder auch komplett bewegungslose Dialogpartner, die sich endlos gegenüber standen, ohne den Standort zu wechseln. Wenn wir uns dort zwei Stunden aufgehalten hätten, hätten sie sich vermutlich die gesamte Zeit nicht von der Stelle bewegt. Hier wirken andere Bereiche, zum Beispiel der belebte Burghof, wo die Menschen verschiedenen Arbeiten nachgehen, deutlich stimmiger und natürlicher, wohingegen die an anderer Stelle etwas steife Kulisse eher an sehr viel ältere Rollenspiele erinnert, bei denen im Hintergrund deutlich sichtbar immer und immer wieder das gleiche Programm abgespult wurde. Später, wenn die Stimmung eindringlicher und düsterer wird, rücken solche Unstimmigkeiten allerdings immer mehr in den Hintergrund – hier hatten wir dann aber auch schlichtweg nicht mehr die Zeit oder den Kopf dafür, entspannt durch den Burghof zu spazieren und jeden Stein umzudrehen. Dafür sind die Geschehnisse dann doch zu intensiv und die Schicksale zu dramatisch, denn das Spiel zieht uns mit seinem hohen Erzähltempo und auch mit den stimmungsvollen Sequenzen und regelmäßigen Ortswechseln sehr schnell in seinen Bann und schafft es dabei, die Story immer an erste Stelle zu setzen.

Wirklich Ruhe kommt ohnehin nur für kurze Zeit an Basis-artigen Schauplätzen wie dem Versteck im toten Land auf, wo wir kurz durchschnaufen, die Umgebung erkunden und diverse Gespräche führen können. Hier haben wir außerdem die Chance, Orte wie eine Schmiede oder einen Händler aufzusuchen, um unsere Ausrüstung zu verbessern oder neue Ausrüstungsteile anfertigen zu lassen – vorausgesetzt wir haben vorher den entsprechenden Bauplan und die benötigten Ressourcen gesammelt. Aber auch Nebenaufträge können hier angenommen werden, die uns beispielsweise kurzzeitig zum Aushilfskellner der hiesigen Schänke machen oder auch zum Holzsammeln für den ortsansässigen Schreiner verdammen, und damit in erster Linie eine nette Ergänzung, aber jetzt auch keine Offenbarung sind. Während unserer Reise kommen aber auch Sammelfans auf ihre Kosten und können dabei weitere Details rund um die Spielwelt aufdecken, um damit nach und nach ein umfangreiches Kompendium, die Mnemothek zu füllen, die uns über wichtige Persönlichkeiten und einheimische Kreaturen, geografische Besonderheiten oder die Geschichte der Region informiert. Weiterhin finden wir im Laufe unseres Abenteuers auch immer wieder Musikstücke, die wir dann jederzeit im sogenannten Orchestrion in der Schänke des Verstecks abspielen können.

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Ein Blick hinter die Mauern

Später satteln wir natürlich auch unseren Chocobo und erkunden die eigentliche Spielwelt des Abenteuers hinter den schützenden Burgtoren, mal in komplett linearen Arealen, mal in offeneren Bereichen. Die Umgebung bekommen wir dabei allerdings häppchenweise zu sehen, da wir unsere Zielorte und damit auch die einzelnen Winkel der riesigen Fantasywelt via Schnellreise über die Weltkarte erreichen. Eine komplette offene Spielwelt gibt es, wie bereits im Vorfeld angekündigt, nicht – aber auch so schafft es das Spiel, glaubhafte Schauplätze mit unterschiedlichen Settings und packender Atmosphäre zu kreieren und damit einen sehr guten Rahmen für die weitreichende Geschichte zu schaffen. Es ist sogar mal ganz erfrischend, keine langen Lauf- oder Reitwege einer klassischen Open-World in Kauf nehmen zu müssen und sich voll und ganz auf die Story, die Kämpfe und die Charaktere fokussieren zu können. Wir bleiben vorerst einmal für längere Zeit in der Vergangenheit, in der der Krieg zunächst noch nicht allgegenwärtig ist, und sind dabei auch erstmals mit mehreren Begleitern unterwegs, die im Kampf allerdings nicht von uns gesteuert werden, sondern autonom agieren. Eine Ausnahme hiervon bildet unser riesiger Hund (oder Schattenwolf inkognito) Torgal, für den uns diverse Kommandos zur Verfügung stehen, wie “Beißen”, “Heilen” oder “Gegner in die Luft Werfen”. Er kann uns außerdem weiterhelfen, wenn wir uns in einem Areal verlaufen haben und nicht wissen, wo es weitergeht. Im Laufe des Abenteuers, sowohl in der Rückblende als auch in der Gegenwart, finden sich übrigens immer wieder andere Kämpfer als Unterstützung an unserer Seite, wodurch auch hier für Abwechslung gesorgt wird.

Abseits unserer Heimatburg treffen wir dann auch endlich auf echte Gegner und können unsere Schwert- und Magiefähigkeiten an fiesen Kreaturen wie hinterhältigen Goblins, Schwarzen Witwen oder Minotauren unter Beweis stellen, die uns mit Nah- und Fernangriffen zusetzen. Bei Letzteren zeigt sich an dieser Stelle auch eine weitere Besonderheit des Kampfsystems, denn wir können Distanz- und auch Spezialangriffen unserer Feinde durch Bestehen eines kurzen Quick-Time-Events ausweichen, was die ohnehin hervorragende Dynamik der Kämpfe noch verstärkt. Erste (Mini-) Bosskämpfe gegen verschiedene gewaltige Feinde wie Giga-Goblins oder schleimige Morbols lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten. Diese hartnäckigen Gegner besitzen nicht nur eine deutlich umfangreichere Lebensleiste, sondern teilen mit ihren Angriffe auch ordentlich aus, weshalb bei den Bosskämpfen auch immer wieder verstärkt auf die Esperfähigkeiten gesetzt werden muss, um den Willen der Gegner zu brechen. Hier dürfen wir auch ein weiteres spektakuläres Element des Spiels bestaunen, nämlich die filmischen Angriffe. Diese sind als aufwendig inszenierte Quick-Time-Szenen zu verstehen, die uns die Möglichkeit bieten, bei erfolgreichem Abschluss viel Schaden zu verursachen. Selbstverständlich stehen wir im Laufe des Abenteuers aber nicht nur unterschiedlichsten Kreaturen und Final-Fantasy-typischen Bestien wie Isegrim, Rankpir oder drachenähnlichen Fafnir gegenüber, sondern messen uns auch im direkten Duell mit Soldaten verfeindeter Häuser, was für intensive und äußerst brutal inszenierte Mittelalterkämpfe sorgt. Die menschlichen Gegner stellen sich uns unter anderem mit Schwertern, Streitkolben oder Magie in den Weg und greifen uns teilweise in richtig großen Gruppen sowie mit flinken Hunden an ihrer Seite an, sodass wir uns auf herausfordernde und abwechslungsreiche Gefechte mit ordentlich Tempo freuen dürfen. Besonders imposant sind dabei die mächtigen Anführer, die Dragoone, die uns und unserer Gruppe mit gefährlichen Spezialattacken und teils endlos erscheinenden Lebenspunkten alles abverlangen. Was beim typischen Ablauf der Kämpfe und der Fortbewegung dazwischen aber auch deutlich wird ist, dass unter der blutigen rauen Schale von Final Fantasy XVI eben doch ein Final Fantasy Herz schlägt, denn diese Abschnitte, in denen wir mit unterschiedlichen Gefährten durch wechselnde Settings laufen und dabei nacheinander bekannte Kreaturen erlegen, fühlen sich dann eben doch wieder sehr vertraut an.

Mit ihrem schlauchartigen Aufbau und bekannten Gameplay-Elementen wie dem unter Hindernissen Durchklettern oder durch enge Spalten Zwängen unterstreichen schon die Anfangsareale die bereits erwähnte spürbare Nähe zum Action-Adventure, was in diesem Maß definitiv eine Neuerung für die Reihe ist und sich auch durch den weiteren Spielverlauf zieht. Auch klettern wir schwungvoll an Leitern nach oben, räumen Hindernisse, die uns den Weg versperren, durch langes Halten einer (adaptiven) Schultertaste aus dem Weg und fühlen uns dabei an vieles erinnert, nur nicht an Final Fantasy – was aber wahrlich nicht als Kritik verstanden werden sollte. Vielmehr drückt FFXVI der Marke einen neuen ganz eigenen Stempel auf, bricht das klassische JRPG-Gewand in verschiedenen Bereichen auf und öffnet sich damit auch einer breiteren Zielgruppe. So merkt man dem Spiel, neben der offensichtlichen Game-of-Thrones-Vorlage auch viele andere Einflüsse an, seien es bereits erwähnte Franchises wie The Witcher oder auch Titel wie A Plague Tale. Gerade beim Umgang der Figuren untereinander, zum Beispiel bei Clive und seinem kleineren Bruder Joshua, mussten wir nämlich ganz stark an Amicia und Hugo denken. Wenn wir später auch noch eine andere als Clives Perspektive geboten bekommen, wird dieser Eindruck noch zusätzlich verstärkt, denn auch in Plague Tale haben wir oft voneinander getrennte Handlungsstränge erlebt, wodurch uns gleich mehrere Charaktere ans Herz gewachsen sind. Eine weitere Besonderheit des Ablegers ist die Rolle der Esper, die diesmal weit mehr sind als nur Kreaturen, die von uns in den Kampf gerufen werden können. Stattdessen nehmen sie eine zentrale und wichtige Stellung in der Geschichte ein und werden regelmäßig von uns selbst gesteuert, was bildgewaltige und epische Momente kreiert, die wir so auch noch nicht gesehen haben. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, dass es eine gute Entscheidung war, die PS4 außen vor zu lassen, denn diese Effektfeuerwerke hätten die alte Konsole sicherlich zum Glühen gebracht – selbst auf der PS5 waren in diesen opulenten Szenen einige Ruckler zu spüren. Was es mit den Esper genau auf sich hat, verraten wir euch hier natürlich nicht, aber sie sind in jedem Fall nicht nur für unsere Spezialangriffe verantwortlich, sondern auf besondere Art und Weise mit bestimmten Menschen, genannt Domini, verbunden.

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Fazit

Final Fantasy XVI ist sicherlich alles, nur kein reinrassiges Final Fantasy, weshalb sich eingefleischte Fans der Reihe durchaus etwas schwer tun können, sich in der blutrünstigen Mittelalterwelt mit deutlich spürbarer Game-of-Thrones-Atmosphäre heimisch zu fühlen. Die Spielwelt ist düster und vom Krieg gezeichnet, die Geschichte ist bedrückend, gnadenlos und tieftraurig und auch in Sachen Brutalität und sexuelle Andeutungen zieht das Fantasy-Epos alle Register und reißt die im Vergleich sehr unschuldigen JRPG-Welten der Vorgänger in winzig kleine Stücke. Klar, es gibt auch dieses Mal typische Final-Fantasy-Trademarks wie bestimmte Gegnertypen, wiederkehrende Namen, mächtige Esper und Chocobos und auch auf eine mitreißende Geschichte, auf bekannte stereotype Charaktere und auf intensive und packende Kämpfe müssen wir keinesfalls verzichten – es ist nur eben alles ein wenig anders. Was FF-Fans der ersten Stunde vielleicht etwas Bauchweh bereiten könnte, ist für mich die größte Stärke von Final Fantasy XVI, denn mit der Neuausrichtung werden hier auch neue Typen von Spielern mit ins Boot geholt, die mit den teils quietschbunten und Japan-typisch überdrehten Vorgängern weniger anfangen konnten. Für mich, der erst mit Final Fantasy XV und dem grandiosen Remake von FF VII so richtig zur Reihe gefunden hat, ist dieser neue Ansatz rundum perfekt, von der intensiven und brutalen Inszenierung, über das Action-Adventure-artige Gameplay, bis hin zu den wunderbar kurzweiligen und abwechslungsreichen Gefechten. Auch den Verzicht auf eine offene Welt finde ich persönlich sehr angenehm, da dadurch der Fokus voll und ganz auf der Geschichte liegt, die so noch sehr viel eindringlicher erzählt werden kann. Zusammenfassend ist Final Fantasy XVI für mich ein blutiges, barbarisches Meisterwerk, das keinen Stein auf dem anderen lässt und dabei ab der ersten Sekunde in seinen Bann zieht. Wer also schon immer einmal echtes Game-of-Thrones-Feeling auf der Konsole erleben wollte, ist hier genau richtig. Fans der ersten Stunde sollten hingegen erst einmal in die Demo des Spiels reinschauen, um herauszufinden, ob ihnen die in meinen Augen rundum gelungene Neuausrichtung gefällt.

Pro:
  • Glaubhaft gezeichnete Figuren
  • Intensive und dramatische Geschichte, die auch immer im Fokus ist
  • Opulente Inszenierung mit stimmungsvollen Schauplätzen
  • Hervorragend umgesetzte Game-of-Thrones-Atmosphäre
  • Packendes Echtzeit-Kampfsystem
  • Viele Elemente eines Action-Adventures
  • Wir erleben die Spielwelt in Gegenwart und Vergangenheit
  • Typische Trademarks werden gänzlich neu inszeniert
Contra:
  • Hat auf den ersten Blick nur wenig mit den Vorgängern gemein
  • Brutalität für Zartbesaitete grenzwertig
  • Spürbare Ruckler bei besonders opulenten Szenen
  • Lippensynchronität bei Ingame-Dialogen nicht immer ganz sauber
  • Austauschbare Nebenaufgaben
  • Keine offene Welt
  • Anlehnung an Game of Thrones für den einen oder anderen sicherlich zu offensichtlich
Story:
4 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Gameplay:
5 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Grafik:
5 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Sound:
4 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Atmosphäre:
5 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Unsere Wertung: 9.5 / 10
TestingBuddies Award Silber
Spiel getestet auf: PS5
Daniel Walter

Daniel Walter

Ein begeisterter Konsolenspieler mit einem breit gefächerten Interessengebiet. Neben Shooter-Serien wie Battlefield oder Call of Duty gehören auch Action-Adventures wie klassische Assassin's Creeds, die Batman-Arkham-Reihe oder The Last of Us Part 1/2 zu den bevorzugten Titeln. Hinzu kommen Survival-Games wie ARK, Horror-Klassiker a la Resident Evil sowie Open-World-Abenteuer im Stile von Far Cry oder Red Dead Redemption. Sport-Franchises wie FIFA oder Tour de France erweitern das Interessenfeld, ebenso wie sämtliche Titel aus dem Star-Wars-Universum.

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