Kingdom Come: Deliverance IIKingdom Come: Deliverance II
Review

Kingdom Come: Deliverance II im Test: Zurück mit Heinrich im gnadenlosen Mittelalter

Von Daniel Walter am 10. Februar 2025. Getestet auf Xbox Series S/X. Zum Spiel hier klicken.

Mit Kingdom Come: Deliverance II setzt Warhorse sein Debüt-RPG rund um das mittelalterliche Böhmen und Hauptfigur Heinrich fort. Ob die Fortsetzung die durchaus imposanten Fußstapfen des Vorgängers ausfüllen kann, klären wir im Test.

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Ein dramatischer Einstieg 

Das Königreich versinkt im Chaos, seit der rechtmäßige König gefangen genommen wurde. Mitten in diesen Unruhen beginnt Kingdom Come: Deliverance II (KCD 2) mit seiner Geschichte, die uns, anders als Teil 1, nicht sanft in die mittelalterliche Welt einführt, sondern uns direkt in die brutale und grausame Realität entlässt. Wir finden uns mit Heinrich in einer von Feinden umzingelten Burg wieder, die mit Katapulten, Pfeilen und Feuer angegriffen und sturmreif geschossen wird. Als die Zugbrücke heruntergelassen wird und die Feinde ins Innere der Burg stürmen, greifen wir mit unserem Protagonisten ins Geschehen ein und sehen uns einem sinnlos erscheinenden Kampf ohne Ausweg gegenüber. Mit einer Armbrust bewaffnet setzen wir alles daran, den vorderen Wall der Festung zu verteidigen und die herannahenden Widersacher in der Ferne auszuschalten. Die enorme Zeitspanne, die Heinrich braucht, um einen Bolzen in die Armbrust zu laden, sowie das ungenaue Zielen ohne Zielmarkierung zeigen uns direkt zu Beginn wieder, dass Kingdom Come kein weichgespültes Mainstream-Spielerlebnis bietet, sondern eine anspruchsvolle und teilweise auch frustrierend realistische Mittelaltererfahrung für uns bereithält. Auch der Schwertkampf bleibt gewohnt träge und schwierig zu meistern, sodass alle, die den Vorgänger aufgrund ihres harten Realismus geliebt haben, sofort wieder auf ihre Kosten kommen. Am Ende des Einstiegsgefechts, an dem das Schicksal unseres Helden besiegelt zu sein scheint, fährt die Kamera aus der brennenden Burg heraus und springt mit uns einige Wochen zurück. Hier scheint die Welt noch weitestgehend in Ordnung zu sein, denn wir beobachten Herrn Hans Capon, der mit seinem treuen Leibwächter Heinrich und seiner Entourage über die Felder reitet, auf dem Weg zur imposanten Burg Trosky, um dort einen wichtigen Brief zu überbringen. Dabei geht es wohl unter anderem darum, Streitigkeiten rund um den rechtmäßigen König beizulegen und die Verbindung der Häuser Pirkstein und Trosky zu stärken. 

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Wichtige Gespräche 

Während wir auf dem Rücken unseres Pferdes durch die wunderschönen grünen Landschaften des mittelalterlichen Böhmen reiten und uns zwischen hohen Felsen, dichten Bäumen und weiten Wiesen wiederfinden, dürfen wir uns auch beim Ritt mit unserem Begleiter unterhalten und Antwortoptionen wählen. Dies ist eine gelungene Entscheidung, um auch während der Fortbewegung die Immersion zu erhöhen und die Verbindung zu den Ereignissen auf dem Bildschirm nicht zu verlieren. Wenig später treffen wir auf die ersten Wachen aus der Burg und legen hier im Dialog auch unseren Spielstil fest, was wiederum Auswirkungen auf unsere Erfahrungspunkte zu Beginn hat. So können wir hitzköpfiger Ritter, wortgewandter Berater oder stiller Späher sein. Auf unsere zukünftigen Fertigkeiten, mit denen wir Heinrichs Können später verfeinern, hat die Wahl allerdings keinen großen Einfluss, sondern in erster Linie auf unsere Ausgangsposition zum Start. 

In den Gesprächen nutzen wir zum Beispiel unsere Überzeugungskunst, um Situationen zu lösen und die Dialoge in unsere Richtung zu beeinflussen. Dabei stehen uns Optionen wie Redekunst, Charisma, Macht, Dominieren, Ängstigen oder Nötigen zur Verfügung, deren Effektivität abhängig von unseren eigenen Fertigkeiten, aber auch von unserem Ruf, unserem Aussehen, unserer Stellung und der unseres Gegenübers ist. Unseren Ruf bei einzelnen Personen verändern wir wiederum auch durch unsere gewählten Antwortoptionen, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. Wo wir gerade beim Thema Ruf sind, dieser spielt in der Welt von KCD 2 eine wichtige Rolle und wirkt sich sowohl auf die Art und Weise aus, wie uns Menschen begegnen oder ob sie überhaupt mit uns reden, aber auch zum Beispiel auf die Preise bei bestimmten Händlern. Außerhalb von Dialogen beeinflussen wir unseren Ruf im Positiven indem wir uns beispielsweise von unseren Sünden freikaufen oder auch, indem wir eine Pilgerreise unternehmen. Ein (bemerktes) Verbrechen wie Mord, Diebstahl, Einbruch oder auch die Verletzung von Menschen und Hoftieren schädigt unseren Ruf hingegen und hetzt uns außerdem die hiesigen Wachen auf den Hals. Übrigens sollten wir uns auch dann nicht in Sicherheit wähnen, wenn wir nicht direkt bei einer Untat beobachtet werden, denn die Einwohner sind cleverer als sie teilweise aussehen und können durchaus Schlussfolgerungen anstellen. 

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Aber zurück zur Geschichte: Nach der Begegnung mit den Wachen schlagen wir mit unseren Begleitern ein Lager für die Nacht auf und die Stimmung wirkt locker und ausgelassen. Wer Kingdom Come kennt, ahnt aber, dass diese Ruhe nur von kurzer Dauer ist. So finden wir uns wenig später an der Seite von Hans Capon wieder, mit dem wir gemeinsam vor blutrünstigen Banditen durch die Nacht fliehen, die unser Lager zerstört, unsere Freunde getötet und unseren wichtigen Brief gestohlen haben - und einer von ihnen ist nach Heinrichs Eindruck auch ein alter Bekannter... Die Flucht gestaltet sich allerdings äußerst schwierig und lässt die beiden Helden am Ende schwer verletzt zurück, glücklicherweise erreichen sie aber noch das Haus einer Kräuterhexe im Wald, die die beiden gesund pflegt. Da es Hans deutlich schlimmer erwischt hat, ist Heinrich zunächst einmal wieder auf sich allein gestellt, womit die Ausgangslage eine ähnliche ist wie die im ersten Teil. Nach einigen Aufgaben ist der gute Hans dann aber endlich genesen und die beiden Gefährten können ihre Reise zur Burg Trosky fortsetzen - zu Fuß, in schmutziger Kleidung und weitaus unglamouröser als sie es sich vorgestellt hatten. Aber am Ende stehen sie nach einer langen Wanderung vor den Toren der Burg, die den wahren Beginn von Heinrichs zweitem Abenteuer markiert, auch wenn die Sache mit dem Einlass aufgrund ihrer gegenwärtigen Erscheinung noch nicht ganz geklärt ist... 

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Grafische Pracht in lebendiger Kulisse 

Grafisch sieht Kingdom Come: Deliverance II atemberaubend aus, sowohl im Spiel selbst als auch in den Sequenzen. Hier liefert Warhorse einen deutlichen Sprung vom Vorgänger hin zur aktuellen Konsolengeneration und brilliert mit scharfen Texturen, wunderschönen stimmungsvollen Welten und zahlreichen realitätsnahen Details. Von den Haaren und Mähnen sowie den losen Kleidungsstücken und der Vegetation, die sich bei Bewegung und im Wind bewegen, über großartige Spiegelungen im Wasser oder auf metallischen Objekten, bis hin zum rundum natürlich wirkenden Lichteinfall mit beeindruckendem Schattenspiel wird hier eine hervorragende Kulisse geschaffen. Der stimmungsvolle Wechsel von Tag und Nacht tut sein Übriges und lässt die Umgebung auf verschiedene Arten erstrahlen. 

Hinzu kommen kaum sichtbare, hintergründige Elemente, die nur bei genauem Hinsehen auffallen, die Spielwelt und ihre Bewohner dadurch aber extrem lebendig wirken lassen, wie zum Beispiel die perfekt eingefangene Bewegung der Pferde, insbesondere die ihrer Ohren, die zarten Veränderungen in der Mimik beim Sprechen, die verschwitzten Stellen auf der nackten Haut oder auch die dezenten Wellenbewegungen auf der Wasseroberfläche, die sich kaum noch vom Original unterscheiden lassen. Gerade die erwähnten Pferde, die dann am interessantesten sind, wenn sie einfach nur auf der Wiese stehen und Teil der Umgebung sind, haben uns mit ihrem realitätsnahen Verhalten mehr als beeindruckt. Etwas schade ist hingegen, dass wir relativ schnell wiederkehrende Muster bei den Menschen und Tieren in unserem Umfeld erkennen können, wenn wir diese einfach einmal eine zeitlang beobachten. Hier wiederholen sich Bewegungen und Ausrufe nach relativ kurzer Zeit, was mit Blick auf die Immersion vielleicht noch etwas besser hätte gelöst werden können. Auch nicht ganz so schön ist zum Beispiel die Darstellung des Essens in den Töpfen, da dieses erstens sehr wenig plastisch wirkt und sich zweitens auch überhaupt nicht bewegt, wenn bei der Nahrungsaufnahme ein Löffel in die Suppe getunkt wird. Bei aller Liebe zum Detail, die das Spiel sonst an allen Ecken zeigt, fällt so etwas dann natürlich auch umser mehr auf, auch, wenn es sich dabei lediglich um Kleinigkeiten handelt. Beim Brauen von Tränken bewegt sich die Flüssigkeit im Kessel dagegen sehr schön! 

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Richtig toll ist hingegen, dass wir mit unserem Hundebegleiter Köter interagieren, mit ihm reden, ihm Befehle erteilen und ihn auch loben oder füttern können, um eine Verbindung zu ihm herzustellen. Auch die Körpersprache und Mimik des Hundes ist richtig gut eingefangen, von der Körper- und Schwanzhaltung bis hin zur Bewegung im Laufen. Kleine Minispiele wie das Würfelspiel, das wir in jeder Schänke spielen können, tragen ebenfalls zur Lebendigkeit der Umgebung bei und geben uns wieder die Chance, auch abseits von Missionen mit der Spielwelt zu interagieren und uns als Teil dieser zu fühlen. Dank simpler und überschaubarer Regeln ist das Würfeln auch wirklich eine entspannte Tätigkeit für zwischendurch, denn es geht letztlich nur darum, durch das Beiseitelegen ausgewählter Würfel (1er, 5er oder Pasch) und das rechtzeitige Sichern der gesammelten Augenzahlen Punkte zu sammeln, bevor man diese durch einen Fehlwurf verliert. Mit gesammelten Zinn-, Silber- oder Goldmarken, die besondere Aktionen ermöglichen, lässt sich das Spiel aber auf Wunsch auch taktischer gestalten. 

Auch die Welt um uns herum präsentiert sich insgesamt wieder als sehr lebendig und auch interaktiv, sodass wir hier nicht nur wilde Tiere jagen und erlegen können, sondern beispielsweise auch Kräuter auf den Wiesen sammeln können, um Tränke zu brauen. Letzteres ist auch wieder, passend zum Rest, alles andere als komfortabel umgesetzt, passt aber hervorragend zum realistischen Ansatz des Spiels. So müssen wir den Ablauf eines Rezepts im Rezeptbuch nachlesen und uns die einzelnen Schritte auch selbst merken sowie in der richtigen Reihenfolge manuell ausführen. Gleiches gilt unter anderem auch für das Schmieden von Waffen, wo wir selbst den Rohling durch die Glut ziehen, die Hitze mit dem Blasebalg regulieren oder das heiße Eisen hämmern müssen. Das ganze ist äußerst atmosphärisch umgesetzt und fängt das Handwerk gut ein, ist aber, wie viele andere Dinge im Spiel, schon sehr behäbig und erfordert Geduld, sodass man sich darauf einlassen muss. 

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Es gibt also auch abseits der Haupt- und Nebenmissionen immer etwas zu tun im mittelalterlichen Böhmen, und wenn nicht, können wir auch immernoch die wunderschöne Landschaft bestaunen. Unsere Aufgaben während unserer Reise sind übrigens wieder sehr breit gefächert - so gesellen sich zu regelmäßigen Kämpfen, Diskussionen und Schlägereien auch bodenständigere Tätigkeiten wie Kräuter pflücken, Leichen begraben, Mehlsäcke schleppen, entflohene Diebe einfangen, Nachrichten überbringen und natürlich unsere Hauptaufgabe: Hans Capon den Hintern retten. Da auch das Zurücklegen enorm langer Wege Teil unserer Beschäftigungstherapie ist, dürfen wir uns natürlich auch wieder über viele Kilometer freuen, die wir zu Fuß oder auf dem Rücken eines Pferdes auf der Straße verbringen. Schön ist hier, dass wir, wenn wir mit anderen Charakteren zusammen unterwegs sind, diesen automatisch folgen können, sodass wir uns mal in Ruhe zurücklehnen dürfen, ohne dass wir die ganze Zeit die Hand am Controller haben müssen. Eine Schnellreise zu bereits besuchten Orten ist selbstverständlich auch wieder möglich, birgt aber auch immer die Gefahr, unterwegs überfallen zu werden. 

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Frustige, aber äußerst belohnende Kämpfe 

Wie bereits erwähnt, bleibt der Schwertkampf ähnlich herausfordernd wie im Vorgänger und spielt sich quasi auch genauso - auch wenn wir das Gefühl hatten, dass alles etwas flüssiger vonstatten geht als im ersten Teil. Wir wählen also nach wie vor während der Schlag- oder Blockbewegung die gewünschte Richtung aus, sind dadurch aber auch immer darauf angewiesen, die Bewegungen und die Schwerthaltung unseres Gegenüber im Blick zu behalten. Weiterhin besteht die Chance, mit entsprechendem Timing einen perfekten Block auszuführen, der uns einen umgehenden Gegenschlag ermöglicht. Um zu vermeiden, dass unser Gegner selbst einen perfekten Block landen kann, sollten wir unsere Angriffe immer auf die ungeschützte Seite lenken, die sich durch die Armhaltung gut erkennen lässt. Auch, wenn die Schwertduelle wirklich viel Konzentration erfordern und oftmals auch alles andere als schnell vorbei sind, sind sie definitiv eines der Highlights des Spiels, denn wenn es einem gelingt, die Kämpfe zu meistern, fühlt sich das ganze einfach richtig gut an. 

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Schön ist auch die Vielfalt an leichten und schweren Waffen sowie an Nah- und Fernkampfwaffen, die das Spiel zu bieten hat, wie Schwert, Speer, Lanze, Hellebarde, Armbrust oder Bogen, um nur einige zu nennen. Neben dem offenen Kampf können wir aber auch immer wieder leise vorgehen und versuchen, Konflikten aus dem Weg zu gehen oder Gegner ungesehen aus der Distanz zu erledigen. Für ein solches Vorgehen hält Kingdom Come auch rudimentäre Stealth-Funktionen, wie zum Beispiel das geduckte Schleichen durch hohes Gras bereit. In diesen Momenten ist natürlich auch das Verfolgungssystem wichtig für uns, das uns anzeigt, ob in der Nähe nach uns gesucht wird. Des Weiteren ist auch das Wegrennen ein praktikabler Weg, um dem einen oder anderen fordernden Schwertkampf zu entkommen, ebenso wie das diplomatische oder teils auch manipulative Gespräch. 

Gute Figuren sind nun herausragend 

Einen ganz großen Schritt vorne macht Kingdom Come: Deliverance II im Hinblick auf seine Charaktere. Durch die Bank alle Hauptcharaktere wirken deutlich vielseitiger, echter und auch interessanter als in Teil 1. Dies betrifft natürlich auch Heinrich selbst, der im Vorgänger oftmals noch sehr eindimensional rüberkam und hier nun von Beginn an merklich menschlicher erscheint und mit sehr viel mehr Charaktertiefe ausgestattet ist. Gerade auch bei Hans Capon fällt der Fortschritt richtig ins Gewicht, denn in Teil 2 kommt nun sichtbar mehr zum Vorschein, als nur der überhebliche, unsympathische und unfähige Adelssproß, den wir zu Beginn von Heinrichs Reise kennengelernt haben. Heinrich und Hans agieren nun sehr viel mehr auf Augenhöhe, obwohl sich ihr Verhältnis zueinander eigentlich nicht geändert hat. Dieser Umgang tut beiden Seiten richtig gut und eliminiert die in Teil 1 hier und da aufgetretenen Fremdschäm-Situationen. Insgesamt wirkt KCD 2 reifer und auch mutiger, denn auch Figuren wie Hans Capon sind nun in der Lage, Schwächen zuzugeben und Verletzlichkeiten zu offenbaren. Die sehr gut gezeichneten Figuren profitieren zudem von einer deutlich verbesserten Synchronisation, die die teils affektiert wirkenden Dialoge aus dem Vorgänger gänzlich ausmerzt und mit einer rundum professionellen und emotionalen Darbietung überzeugt. Hinzu kommt eine richtig gute Lippensynchronität, die in Verbindung mit den gelungenen Gesichtsanimationen für zusätzlichen Realismus sorgt. 

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Mittelalteratmosphäre at its best 

Eine weitere große Stärke von Kingdom Come im Allgemeinen und von der Fortsetzung noch im Besonderen ist die dichte Mittelalteratmosphäre. Diese wird zum einen durch einen durch und durch großartigen Soundtrack geschaffen, der sowohl in ruhigen Momenten als auch in Action-Szenen für die passende Stimmung sorgt. Hochwertige Orchesterarrangements kreieren hier echtes Hollywood-Feeling und machen unseren Mittelalter-Ausflug unglaublich intensiv. Gerade die Dynamik und das Spiel mit lauten und leisen Passagen innerhalb der Musik schaffen eine wunderbare Dramatik, die das Geschehen auf dem Bildschirm in Perfektion untermalt. Ein weiterer Atmosphäre-Garant ist die schonungslose Darstellung der Gewalt, denn hier nimmt KCD 2 wahrlich kein Blatt vor den Mund. Brutale Schwertkämpfe, mit dem Morgenstern zermalmte Gesichter, blutige zurückgelassene Leichen oder auch angedeutete Vergewaltigungen gehören dabei regelmäßig zum Vokabular des Rollenspiels, das uns mehr als einmal mit offenen Mündern zurücklässt. Wer etwas zarter besaitet ist, ist hier also definitiv falsch, denn Kingdom Come 2 bietet uns, wie sein Vorgänger, eine in keinster Weise geschönte Interpretation des Mittelalters. Passend hierzu ist auch die Sprache derb, direkt, voller Anfeindungen und Fäkalausdrücke und insgesamt rundum gelungen. 

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Offene Welten treffen auf intensive lineare Passagen 

Ebenfalls richtig gut gefallen haben uns das Timing und auch das Erzähltempo des Titels. So sind die Wechsel zwischen den offenen Bereichen, in denen es unzählige Orte, Missionen und Figuren zu entdecken gibt, sowie den recht linear aufgebauten Story-Missionen, die uns in räumlich begrenztere Areale schicken, sehr gut gelungen. Dadurch kommen sowohl diejenigen, die sich in der wunderschönen Welt verlieren möchten, als auch die, die ihren Fokus auf die Story legen wollen, auf ihre Kosten. Außerdem nimmt sich Kingdom Come die Zeit, einzelne Szenen auszuerzählen, selbst dann, wenn diese auf den ersten Blick unwichtig erscheinen - denn zur Atmosphäre und Glaubhaftigkeit tragen gerade auch nebensächlichere Ereignisse bei, und das haben die Entwickler definitiv verstanden. Hinzu kommen flüssige Übergänge zwischen Sequenzen und In-Game-Szenen, die ebenfalls entscheidend zum angenehmen Erzähltempo beitragen. Außerdem wurde eine große Schwäche des Vorgängers hardwarebedingt ausgemerzt, nämlich die enormen Ladezeiten. Hier machen sich die SSDs der aktuellen Konsolengeneration bemerkbar und sorgen für moderate Wartezeiten. Dies ermöglicht uns beispielsweise auch, die "Speichern beim Beenden"-Funktion als Sicherheitsanker zu nutzen, wenn wir gerade nicht auf regulärem Weg mittels Bett oder Retterschnaps speichern können oder wollen. Auf der Last Gen war dies mit einem solchen Zeitaufwand verbunden, dass diese Speichermethode eigentlich nicht praktikabel war. 

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Fazit:

Mit Kingdom Come: Deliverance II hat Warhorse eine waschechte Fortsetzung abgeliefert, wie man sie sich wünscht. Das Rollenspiel behält alles Gute des Vorgängers bei, und da gab es ja schon wirklich viel, von der authentischen Mittelalter-Atmosphäre, über die tolle Open-World bis hin zur packenden Geschichte und dem fordernd realistischen Gameplay. All diese Aspekte wurden höchstens minimal angepasst, sodass sich jeder, der den Vorgänger kennt, sofort heimisch fühlt. Darüber hinaus hat KCD 2 aber auch essenzielle Dinge verbessert und das hervorragende Grundgerüst von Teil 1 dadurch noch einmal ausgebaut, sei es die atemberaubende Grafik auf Next-Gen-Niveau, die angenehm kurzen Ladezeiten, die merklich vielseitigeren Charaktere oder auch die um ein vielfaches verbesserten Gesichtsanimationen. Hinzu kommen eine lebendige Umgebung, ein stimmungsvoller Soundtrack und eine wirklich bemerkenswert gute Synchronisation, die dieses erste Highlight des Jahres abrunden. Einzig und allein diejenigen, die Wert auf ein stark geführtes, sehr zugängliches und einfach zu meisterndes Gameplay, auf schnelle Fortschritte und ein hohes Erzähltempo legen, sollten ernsthaft über einen Kauf nachdenken, denn Kingdom Come: Deliverance II fordert uns auf vielen Ebenen und verlangt uns auch Geduld ab. Darüber hinaus sind auch die noch immer etwas chaotische Menüführung im Inventar sowie die teils krasse Brutalität Punkte, die den einen oder anderen Spielertyp stören könnten. Wer sich darauf einlassen kann, macht mit diesem Mittelalter-Epos aber sicherlich nichts verkehrt.

Pro:
  • Hervorragendes Grundgerüst von Teil 1 wird weitestgehend übernommen
  • Kampfsystem und auch Tätigkeiten wie Schmieden oder Brauen sehr realistisch umgesetzt
  • Tolle stimmungsvolle Umgebung mit beeindruckender Next-Gen-Grafik
  • Deutlich kürzere Ladezeiten als im Vorgänger
  • Hauptfiguren mit merklich mehr Tiefgang und Facetten
  • Sichtbar verbesserte Gesichtsanimationen
  • Intensiver Soundtrack
  • Herausragende Synchronisation
  • Gut erzählte Geschichte mit passenden Bezügen zu Teil 1, funktioniert aber auch allein
Contra:
  • Erfordert Geduld und Willen, sich darauf einzulassen
  • Wege sind teilweise sehr lang
  • Kampfsystem ist nach wie vor sehr herausfordernd und nicht einfach zu meistern
  • Brutalität sicherlich grenzwertig
  • Menüführung im Inventar noch immer etwas umständlich
Unsere Wertung: 9.5 / 10
TestingBuddies Award Silber
Spiel getestet auf: Xbox Series S/X
Daniel Walter

Daniel Walter

Ein begeisterter Konsolenspieler mit einem breit gefächerten Interessengebiet. Neben Shooter-Serien wie Battlefield oder Call of Duty gehören auch Action-Adventures wie klassische Assassin's Creeds, die Batman-Arkham-Reihe oder The Last of Us Part 1/2 zu den bevorzugten Titeln. Hinzu kommen Survival-Games wie ARK, Horror-Klassiker a la Resident Evil sowie Open-World-Abenteuer im Stile von Far Cry oder Red Dead Redemption. Sport-Franchises wie FIFA oder Tour de France erweitern das Interessenfeld, ebenso wie sämtliche Titel aus dem Star-Wars-Universum.

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