The Edge of Allegoria im Test: Gefrusteter Fischer sucht Abenteuer
Was macht ein Fischer, wenn der Teich leer gefischt ist? Richtig, er zieht aus, um Abenteuer zu erleben und Monster zu verprügeln. Im an verschiedenste Retro-Klassiker angelehnten RPG The Edge of Allegoria können wir genau das tun. Dabei treffen wir nicht nur weirde Charaktere, sondern retten auch noch die Welt. Wie es sich als Fischer in der weiten Welt anfühlt, kannst du im folgenden Test erfahren.
Jobwechsel mal anders
An einem Tag wie jedem anderen will unser Spielcharakter seiner bevorzugten Aktivität nachgehen und am Teich vor seinem Haus fischen. Doch leider stellen wir fest, dass unsere ausgiebige Ausübung des üblichen Tagwerks dazu geführt hat, dass sich kein fangbares Lebewesen mehr im Wasser befindet. Da unser Fischer aber schon immer die Welt sehen wollte, ziehen wir also los. Als wir kurz darauf einem Monster begegnen, schlagen wir kurzerhand mit unserer ohnehin schon vorhandenen Angel zu – was sich als erstaunlich effizient herausstellt. Unsere Reise kann also weitergehen.
Die Welt, die sich uns darbietet, ist nicht nur voller sonderlicher Charaktere, sondern auch vor allem derb. Wir treffen auf korrupte Könige, die die Angst vor einem Drachen ausnutzen, um Reichtümer anzuhäufen, von Drogenhandel geplagte Städte oder auf einfach nur simple Arschlöcher. Die Grenze des Vulgären ist hier sehr niedrig: Fast jeder Charakter benutzt entweder Schimpfwörter oder suggestive Wortspiele. Auch unser Charakter kann bei einem weiblich anmutenden Monster seine Bemerkungen nicht unterdrücken. Trotzdem stolpern wir irgendwie mitten in eine Verschwörung eines großen Bösen, das das ganze Land übernehmen will.
Der Pfad, den wir nehmen müssen, um das Land zu retten, ist dabei in keinerlei Questlog oder Ähnlichem festgehalten. Immer wieder werden wir durch unseren Hund, der einfach irgendwo auf dem Weg einschläft oder durch den Musiker Joe, der an den ungewöhnlichsten Orten von der Muse geküsst wird, am Fortschreiten gehindert. Dadurch wird unser Weg zwar kanalisiert, doch wo wir bereits waren, müssen wir uns selbst merken. Mit fortschreitender Story öffnet sich die Spielwelt immer weiter und sorgt dadurch dafür, dass wir uns wieder leichter verlaufen können. Schnellreisen (per Hunderitt) und schnellere Bewegung (per Steckenpferd) helfen uns dabei, die Welt schneller nach neuen Anhaltspunkten und Herausforderungen zu durchsuchen.
Überraschende Fähigkeiten
Da wir nur ein einfacher Fischer sind und nicht die Möglichkeit haben, wilde Tiere in kleinen Bällen einzufangen, um sie im Kampf einzusetzen, müssen wir alle Bedrohungen und Monster mit den eigenen Händen verprügeln. Dazu finden wir immer wieder Waffen mit unterschiedlichen Werten und Angriffen. Jede Waffe verfügt dabei genau über einen Skill oder Angriff, den wir nutzen können, solange die Waffe ausgerüstet ist. Hier kommt das einzigartige Meisterungssystem ins Spiel: Verwenden wir eine Waffe länger, können wir diese meistern. Das bedeutet, dass sowohl ihre Werte als auch ihr Angriff dauerhaft auf unseren Charakter übergehen. Der Fortschritt wird allerdings zurückgesetzt, wenn wir einen Kampf verlieren oder sterben. Dadurch ist es fast unumgänglich, regelmäßig die Waffe zu wechseln, um stärker zu werden und unser Fähigkeiten-Portfolio zu erweitern.
Eine ähnliche Mechanik existiert für unsere Rüstung. Hier müssen wir allerdings häufig genug getroffen werden, um sie zu meistern. Diese Ausrüstungsgegenstände haben jedoch keine Skills. Die bereits erlernten Skills können wir in einem Menü konfigurieren und bis zu vier davon im Kampf einsetzen (zusammen mit dem Skill der aktuellen Waffe fünf). Die Angriffe unterscheiden sich nicht nur in Genauigkeit und Stärke (meist nur geringfügig), sondern vor allem in den Effekten, die sie auslösen. Es gibt Attacken, die mehr Schaden verursachen, wenn ein bestimmter Statuseffekt aktiv ist, solche, die diese Effekte auslösen und wiederum andere, die die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen. Dadurch lassen sich effektive Kombos aus aufeinander abgestimmten Skills aufbauen.
Status: beeindruckt
Die Statuseffekte bilden die zweite große Säule des Kampfsystems. Jeder von ihnen hat unterschiedliche Auswirkungen – vom klassischen dauerhaften Schaden durch Gift über verringerte Geschwindigkeit durch Paralyse bis hin zu außergewöhnlicheren Effekten wie Blutung, die den generellen Schaden erhöht. Der Schlüssel zum Kampferfolg liegt in Kombos, die die Statuseffekte geschickt nutzen. Anders als in anderen Spielen sind auch zahlreiche Gegner in der Lage, unserem Spielercharakter Statuseffekte zu verpassen. Diese lassen sich meist nur durch Items oder einer Übernachtung in einer Herberge heilen. Beim Erkunden der Welt sollte man das stets im Hinterkopf behalten, da es sonst leicht zu einem der zahlreichen Tode kommt. Das kostet uns etwas Zeit und wie bereits erwähnt, wird unser Meisterungsfortschritt bei einem Tod zurückgesetzt. Weitere Konsequenzen gibt es jedoch nicht. Für gewonnene Kämpfe gibt es wie gewohnt Erfahrungspunkte, Levelaufstiege und zufällige Loot-Drops. Trotz des hohen Schwierigkeitsgrades werden wir nie wirklich demotiviert oder langfristig am Fortschritt gehindert, da wir dann oft doch schneller leveln oder Waffen meistern, als wir neue Gebiete erreichen.
Farbenfrohe Pixel
Optisch orientiert sich The Edge of Allegoria sehr stark an Retro-Klassikern. Selbst das Farbschema des Abenteuers ahmt die Einschränkungen der alten Display-Technologien nach. Die Charakterproportionen könnten genauso aus der ersten Pokémon-Generation stammen. Ein besonderer Kniff zeigt sich bei den Statuseffekten: Solange wir von einem betroffen sind, wechselt die komplette Farbpalette zu einer passenden Farbtönung. Insgesamt bietet The Edge of Allegoria hier genau das, was man erwartet: stimmige Pixeloptik mit viel Retro-Charme. Die Musikkulisse ist hier ebenso minimalistisch wie authentisch und wartet mit einem rein akustischen Soundtrack und kurzen Soundeffekten auf. Bis jetzt ist das Spiel mit englischem und deutschem Bildschirmtext verfügbar, eine Sprachausgabe ist nicht vorhanden. Die deutsche Übersetzung ist noch nicht ganz final, wird aber kontinuierlich nachgebessert.
Fazit
Die Prämisse, die sich The Edge of Allegoria selbst setzt, erfüllt es wunderbar. Es ist eine klar erkennbare Liebeserklärung an die großen Titel der (S)NES- und Gameboy-Ära und überzeugt dennoch mit genug eigenen kreativen Ideen. Lediglich einige Quality-of-Life-Funktionen, wie eine zoombare und aufdeckbare Karte, haben wir vermisst, da man sich heutzutage schon sehr daran gewöhnt hat. Auch das gelegentliche Verlaufen in Dungeons und die daraus resultierende Überwältigung durch Monster haben den Spielfluss etwas gebremst. Zu Frust kam es jedoch nie. Die Mechanik der Ausrüstungsmeisterung und die Signifikanz der Statuseffekte belohnen ein dauerhaftes Experimentieren. Dank dieser Mechaniken und des gemächlichen, nostalgischen Spielflusses konnte mich The Edge of Allegoria überzeugen und ich kann es jedem Fan klassischer RPGs empfehlen.
- Kreative Ideen
- Ausgefallene Charaktere und Quests
- Das Meistern von Waffen schafft Anreiz zum Experimentieren
- Retroklassiker-Feeling gut eingefangen
- Orientierung ist schwierig
- Vulgärsprache etwas zu übertrieben
Hat seit dem Gameboy jede Handheld-Generation ausgiebig genutzt. Es stehen vorallem Coop- und Multiplayer-Spiele hoch im Kurs.