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Hardware

Valves Steam Deck im Test: PC-Gaming to the Suite

Von Nicolas Große am 15. August 2023.

Alles Gute, Steam Deck! Da Valves kleines Powerpaket seit nunmehr 16 Monaten auf dem Markt ist, lohnt es sich, einen erneuten Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Handheld-PCs zu werfen und sich der Frage zu stellen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um sich endlich sein eigenes Steam Deck zu besorgen. 

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Die Hardware

Das Steam Deck macht einen massiven Eindruck, keine Frage. Das grob 30 x 12 x 5 cm große Gerät ist um einiges wuchtiger als Nintendos Switch und wirkt neben der kompakten Nintendo Switch Lite geradezu gigantisch. Mit einem Gewicht von knappen 670 Gramm ist es um einiges schwerer als beide Switch-Modelle. In der Nutzung fällt dies aber selten negativ auf, die schiere Größe könnte jedoch ein Problem für Spielerinnen und Spieler mit kleineren Händen sein. 

Das 7 Zoll große IPS-Display bietet mit einer Auflösung von 1280 x 800 Pixeln ein ansprechendes Bild, das ohne hässliche Schlieren oder Ghosting-Artefakte auskommt. Die Auflösung ist zwar geringer als 1080p Full-HD, das fällt jedoch bei der Größe des Displays nicht negativ auf. Bildkontrast und Helligkeit sind von den Werkseinstellungen aus mehr als brauchbar kalibriert, der einzige Schwachpunkt ist die Hintergrundbeleuchtung, die besonders in dunklen Spielszenen Schwarzflächen an den Rändern des Displays mit einem unschönen Leuchten straft.

Tasten, Knöpfe und Sticks sind durchgängig von hoher Qualität und haben einen angenehmen Druckpunkt. Hervorzuheben sind die beiden Trackpads, die das Spielen von Strategiespielen und die Desktop-Nutzung (dazu später mehr) immens vereinfachen, dazu kommen die Funktionstasten auf der Rückseite, die man nach eigenem Ermessen frei belegen kann. Obendrein besteht die Möglichkeit, Spiele durch von Fans erstellte Steuerungslayouts mit einer Gyro-Steuerung zu versehen, die den Nutzern alle Möglichkeiten an die Hand gibt, ihre Spiele so zu genießen, wie es ihnen gefällt.

Die verbauten Stereo-Lautsprecher besitzen einen ansprechenden Klang, der sich nicht hinter anderen Handhelds verstecken muss. Zwar fehlt es, üblich für die meisten mobilen Endgeräte, an Druck im Bassbereich, trotzdem ergibt sich eine überzeugende Stereo-Klangbühne, die sauber auflöst und bis auf die tiefsten Bässe wenig verschluckt. Eine weitere positive Überraschung ist das verbaute Doppelmikrofon-Array, das einen klaren Klang besitzt und somit locker für die eine oder andere Discord-Session brauchbar ist.

Die äußeren Qualitäten des Steam Decks wissen also zu überzeugen, aber wie sieht es unter der Haube aus?

16 Gigabyte DDR5-Arbeitsspeicher, ein maßgefertigter AMD Renoir Prozessor mit vier Kernen und acht Threads, der mit einer Boost-Geschwindigkeit von bis zu 3,5 Ghz taktet, die gleiche Zen 2 Architektur, die auch in der PlayStation 5 und den Xbox-Series-Konsolen zum Einsatz kommt, und als Kirsche oben drauf gibt es abhängig von der gewählten Ausführung eine M.2 SSD als Hauptspeicher dazu. Mit dieser Hardware ist das Steam Deck in der Lage, die meisten aktuellen Spiele zu starten und mit entsprechenden Anpassungen flüssig wiederzugeben.

Dabei wird die Wärmeentwicklung selten ein Problem, da sich Prozessor samt Kühlung mittig auf der Rückseite und damit weit weg von den Händen des Nutzers befinden. Ein anderes Thema ist die Lautstärke des Lüfters, denn dieser kann je nach Nutzungslast wie z. B. bei God of War, schnell mal anfangen zu brüllen. Hier können findige Spielerinnen und Spieler aber mit angepassten In-Game-Settings selbst gute Abhilfe schaffen.

Eine weitere Stärke ist die Reparierbarkeit des Steam Decks. Das Gerät ist einfach zu öffnen und alle relevanten Teile sind vergleichsweise leicht zu erwerben und auszutauschen. Wer also seine SSD upgraden möchte oder mal einen Joystick wechseln muss, wird nach wenigen Minuten Recherche und einer halben Stunde Freizeit schnell am gewünschten Reparaturziel ankommen.

Soweit, so gut. Valve hat seine Hausaufgaben gemacht und einen Handheld auf den Markt gebracht, dem es tatsächlich gelingt, den schmalen Grad zwischen Leistung, Preis und Qualität zu meistern. Das Steam Deck ist nicht einfach nur eine stärkere Switch, es ist ein Gaming-PC für unterwegs, der seinen Job überraschend gut macht und das von einem Hardware Hersteller, der noch nie zuvor einen Handheld produziert hat. Respekt!

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Software

Ja, das Steam Deck ist ein Gaming-PC für unterwegs. Dieser Umstand kommt mit einigen Vorteilen, aber auch der einen oder anderen Herausforderung daher, zum Beispiel der Software.

Microsoft versucht nun schon seit ein paar Jahren, seine Präsenz im PC-Gaming-Markt weiter auszubauen und an Steams Monopolstellung in diesem Bereich zu kratzen. Xbox’ “Gamepass für den PC” ist dahingehend nur der erste Schritt und Valve hat die frühen Warnzeichen dieser Entwicklung wahrscheinlich vor einiger Zeit kommen sehen. Seine eigene Plattform und Haupteinnahmequelle an das Betriebssystem eines Marktkonkurrenten zu binden, muss eben nicht zwingend auf Dauer gut gehen.

Deswegen tüftelt Valve schon seit einiger Zeit an seinem eigenen, auf Linux basierten Betriebssystem, SteamOS. 

Ein eigenes Betriebssystem zu entwickeln, ist alles andere als ein Kinderspiel, vor allem, wenn der erklärte Anwendungszweck ist, als Plattform für PC-Spiele zu dienen, die wiederum zu 99 Prozent für Microsofts Windows entwickelt und optimiert werden.

Und auch hier gilt wieder: Valve macht seine Hausaufgaben. SteamOS ist ein einfach zu verwendendes, responsives und flexibles Betriebssystem, das sich weitestgehend im Hintergrund hält, um nicht dem im Weg zu stehen, was wirklich zählt: Der Erfahrung zwischen Gamern und ihrem Spiel. 

SteamOS’ Benutzeroberfläche ist übersichtlich strukturiert und lässt sich schnell und intuitiv navigieren. Zwischen Startseite, Bibliothek und dem Store zu wechseln, geht innerhalb weniger Minuten mühelos von der Hand. 

Die Bibliothek kann durch die Anwendung diverser Filter schnell sortiert und durchforstet werden, ein alternatives Steuerungsschema für ein Spiel zu finden und anzuwenden, zum Beispiel, wenn man die verbauten gyroskopischen Sensoren für die Kamerasteuerung nutzen möchte, ist mit wenigen Knopfdrücken erledigt. Im Spiel Anpassungen vorzunehmen, ist mit der Schnellzugriff-Taste so einfach, dass man sich für den Hauptrechner eine genauso nützliche Taste wünscht. Egal, ob Helligkeits- oder Lautstärkeanpassung, Netzwerk, Bluetooth, ein In-Game-FPS-Zähler oder ein Bildratenbegrenzer, alles, was man schnell noch während einer Gaming-Session anpassen will, ist mit dieser Taste nur einen Knopfdruck entfernt. Genauso einfach findet man sich als Nutzer im Webshop zurecht, der gleich in der Suche anzeigt, zu welchem Grad das jeweilige Spiel für das Steam Deck geprüft und zertifiziert wurde. 

Da das Steam Deck von Linux und nicht von Windows angetrieben wird, müssen fast alle Spiele durch einen Kompatibilitäts-Layer laufen, um auf dem Handheld spielbar zu werden. Die gute Nachricht: Durch diesen Kompatibilitäts-Layer ist ein großer Teil der auf Steam erhältlichen Spiele ohne große Leistungseinbußen auch auf dem Steam Deck nutzbar.

Freunde von kompetitiven Multiplayer-Shootern haben auf dem Steam Deck unter SteamOS hingegen das Nachsehen. Anti-Cheat-Software, die bei fast allen Multiplayer-Spielen zum Einsatz kommt, versteht sich nicht sonderlich gut mit Linux als Betriebssystem. Diese Spiele können vielleicht gestartet werden, werfen uns aber prompt aus einer Lobby auf den Startbildschirm zurück, sobald das Game bemerkt, dass es nicht unter Windows läuft.

Mittlerweile besteht zwar die Möglichkeit, vereinzelte Titel wie Hunt: Showdown und Insurgency: Sandstorm mit der experimentellen Ausführung von SteamOS und dem Proton Anti-Cheat-Kompatibilitätskript zum Laufen zu bringen, das funktioniert aber leider auch nur bei manchen Spielen.

Alternativ kann man dieses Problem umgehen, indem man Windows direkt auf seinem Steam Deck installiert. Dieser Prozess kann aber je nach eigenem Wissensstand langwierig und kräftezehrend sein.

Mal angenommen, man würde sich trotzdem der Herausforderung stellen und sein Steam Deck mit Windows 11 bespielen. Ist der Unterschied groß genug, dass sich der Aufwand lohnt?

Wenn man unterwegs nicht auf Warzone und Konsorten verzichten möchte, ganz eindeutig. Dann muss man sich aber auch dem Problem stellen, dass Windows alles andere als nutzerfreundlich ist, wenn weder Maus noch Tastatur bereitliegen. Zwar gibt es die Möglichkeit, Steam gleich zum Systemstart im Big-Picture-Modus auszuführen, was sich aber trotzdem immer wie eine Behelfslösung anfühlt.

Obendrein sind gewisse Funktionen der zuvor gelobten Schnellzugriffstaste nicht unter Windows verfügbar, also ist Windows auf dem Steam Deck im Moment ein zweischneidiges Schwert.

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Fazit

Wir können es nicht oft genug sagen: Das Steam Deck ist ein kleines Wunder. Zwar gibt es mittlerweile auf dem Handheld-PC-Markt einige Kontrahenten, wie zum Beispiel Asus’ Rog Ally, die leistungsstärkere Komponenten, kompaktere Gehäuse und farbgenauere Displays bieten, jedoch kann bis jetzt niemand Valve in den folgenden Punkten schlagen: Preis-Leistung und Benutzerfreundlichkeit.

Für sein Geld bekommt man einfach nirgendwo sonst einen Handheld, der so flexibel und zugänglich zugleich ist. Zwar ist die 64-GB-Version des Steam Decks für 419 Euro nur etwas für Bastler, die die viel zu kleine EMMC-Festplatte selbst durch etwas Größeres ersetzen wollen, dafür können wir aber die 256-GB-Version für 549 Euro uneingeschränkt empfehlen. Zwar klingt die 512-GB-Variante mit ihrem entspiegelten Display erstmal ansprechend, jedoch ist der Preis von 679 Euro etwas hoch angesetzt, wie wir nach unserer Zeit mit beiden Modellen finden, dies wäre zumindest unsere Aussage gewesen, wenn Valve am 8. August 2023 kein Refurbished-Programm für das Steam Deck angekündigt hätte, in dem alle Ausführungen des Handheld-PCs einen Rabatt von bis zu 20 Prozent erhalten, wenn man sich für ein generalüberholtes Steam Deck anstelle eines neuen entscheidet. Somit fällt der Preis der 64-GB-Version auf 339 Euro, die 256-GB-Ausführung auf 439 Euro und die 512-GB-Variante auf 539 Euro. Aus diesem Grund gab es noch nie einen besseren Zeitpunkt, um sich Valves kleines Powerhaus in die eigenen vier Wände zu holen. 

Ich persönlich sehe das Steam Deck auf jeden Fall als einen vollen Erfolg und bin gespannt, welche Schritte Valve als nächstes plant. Ein Steam Deck 2? Oder doch vielleicht eine Steambox für das Wohnzimmer? Egal, was es am Ende ist, wir können uns jetzt schon sicher sein, dass es das Potenzial hat, den Gaming-Markt wieder ordentlich aufzumischen.

Pro:
  • Unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Genug Leistung für aktuelles AAA-Gaming
  • Diverse Eingabemöglichkeiten
  • Benutzerfreundliches User-Interface
  • Beachtlicher Sound
  • Gute Mikrofone
  • Flexibles Betriebssystem
  • Reparaturfreundlich
  • Gute Akkulaufzeit mit entsprechenden Einstellungen
Contra:
  • Mittelmäßiges Display
  • Probleme mit Anti-Cheat-Software in manchen Online-Spielen
  • Zugriff auf alternative Gaming-Plattformen wie den Epic Games-Launcher nur über Umwege möglich
  • 64 GB-Version hat zu wenig Speicher für aktuelles AAA-Gaming
  • Lautstärke unter Volllast stört leicht
Unsere Wertung: 8.5 / 10
Nicolas Große

Nicolas Große

Nic wurde in seiner frühen Jugend auf den Dopaminkick gefixt, den eine neue mediale Erfahrung mit sich bringt. Um diese Sucht zu befriedigen, sucht er im Bereich der Videospiele das Ungewöhnliche, Exzentrische und Abgehobene. Zu seinen Lieblingen zählen die Metal Gear Solid - Serie, Max Payne 3, Mirrors Edge, Hunt: Showdown und Hotline Miami.

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