Yurukill: The Calumniation Games im Test: Lebensbedrohliches Spiel um die Wahrheit
Yurukill! Der japanische Entwickler und Publisher IzanagiGames lädt ein in den Vergnügungspark der etwas anderen Art. Eine Visual Novel mit einer mysteriösen, Danganronpa-ähnlichen Story rund um die Suche nach der Wahrheit wird dort mit klassischen Escape Room-Inhalten und einem Bullet Hell Shooter abgemischt. Ob uns diese Kombination in den Wahnsinn getrieben hat oder wir zu einer überzeugenden Schlussfolgerung gelangt sind, erfahrt ihr in unserem Test.
I wasn’t me!
Zum Start von Yurukill: The Calumniation Games findet sich Hauptprotagonist Sengoku unverhofft in einer Zelle auf einem Schiff wieder. Zwar ist die Zelle an sich für ihn in der Tat nichts ungewöhnliches, da er für ein begangenes Verbrechen verurteilt wurde und nunmehr seit bereits 10 Jahren für die dafür verhängte, langjährige Strafe im Gefängnis einsitzt. Doch von einer Verlegung hat er nichts mitbekommen. Auch nicht von seiner Ankunft auf dem Schiff.
Recht schnell kristallisiert sich heraus, dass noch weitere ihm unbekannte Häftlinge mit an Bord sind, die über die Situation genauso verwirrt sind wie er. Dann ertönt eine Durchsage, die etwas Licht ins Dunkel bringt.
Das Ziel der Reise ist eine Insel mitten im Meer, auf dem der kuriose Vergnügungspark Yurukill-Land liegt, wo die Zelleninsassen an den dortigen Yurukill-Spielen teilnehmen sollen. Dem Sieger der Spiele winkt auch ein überaus lohnenswerter Gewinn, soll er doch unversehens von seinem Verbrechen freigesprochen werden und hierzu die ersehnten Beweise erhalten, die endlich seine Unschuld belegen. Denn das ist genau das, was jeder einzelne der Sträflinge immer und immer wieder beharrlich beteuert: Dass er das vorgeworfene Verbrechen überhaupt nicht begangen hat und anstelle des wahren Täters zu Unrecht verurteilt ins Gefängnis gesteckt wurde!
Die Motivation ist also da, doch das Ganze hat natürlich einen gewaltigen Haken. Kostenlos ist es bei dem Preis nicht und die Startgebühr ist für die Verurteilten die höchstmögliche, denn sie müssen ihr Leben dafür riskieren. Eine wirkliche Wahl, ob sie das tun wollen oder nicht, haben sie allerdings nicht, denn mit einem Ring, den sie um den Hals gelegt bekommen haben, sind sie schon längst an die Yurukill-Spiele gekettet worden. Das eisernere Band schwebt bereits als giftiges Damokles-Schwert über ihnen und führt bei jeglichem Widerstand zum sofortigen Tod.
Zum Bewältigen der vor ihnen liegenden Aufgaben bekommen die Gefängnisinsassen einen Teampartner an die Seite gestellt, mit dem sie gemeinsam die einzelnen Etappen bestreiten müssen. Doch auch hier brodelt weiteres Konfliktpotenzial, denn alle Partner haben ebenfalls eine persönlich motivierte, lohnenswerte Prämie im Fall des Sieges in Aussicht gestellt bekommen. Zudem haben sie im Rahmen der Spiele in ihrer Rolle als Vollstrecker die Macht über den Yurukill-Ring erhalten – und auch sie haben zu den vorgeworfenen Verbrechen eine Verbindung.
Als die Yurukill-Spiele schließlich starten, steht natürlich auch weiterhin die alles entscheidende Frage hoch über allem: Wie lautet die Wahrheit? Sind die Sträflinge nun schuldig oder unschuldig?
Why so serious?
Yurukill: The Calumniation Games wird größtenteils in Form einer schön gestalteten Visual Novel erzählt und beinhaltet typische Elemente, wie sie auch bei anderen Visual Novels mit ähnlich schrägen Ausgangssituationen zu finden sind. So erinnern zum Beispiel die Yurukill-Ringe etwas an die Armbänder aus Zero Time Dilemma, die ebenfalls die Funktion haben, die Auserkorenen, wenn nötig, eben auch gegen ihren Willen zu einer Teilnahme an den Geschehnissen zu zwingen.
Da die Protagonisten von sich aus ja nicht wissen können, was da für sie vorbereitet wurde, ist jemand von Nöten, der ihnen notwendige, wenn auch in der Regel nicht vollständige Erklärungen liefert und sie mit diesen kleinen Häppchen immer weiter durch das abgefahrene Treiben leitet. Ganz im Stile des durchgeknallten Moderators Monokuma aus Danganronpa übernimmt diese Rolle in Yurukill Psychotante Binko, eine Frau in Kimono, die ihr Gesicht unter einer Fuchsmaske verbirgt, während ihr Herz angesichts des bevorstehenden Spektakels wie bin-bin-ild schlägt.
Und auch schillernde Persönlichkeiten, oftmals in klassischen Stereotypen wie dem obligatorischen Popsternchen, tragen durch die außergewöhnliche Geschichte. Dabei sind einige dieser Originale auf unterhaltsame Weise sogar so speziell, dass sich selbst die irre Binko über die Verrückten wundern muss. Manche von den Hauptfiguren wachsen einem natürlich mehr ans Herz als andere, aber alle miteinander sorgen dafür, dass die Geschichte spannend bleibt. Und so fiebern wir mit ihnen mit, während wir fleißig am Nachforschen sind, was es denn nun mit dem Yurukill-Land und den Anschuldigungen ihnen gegenüber auf sich hat.
Auch die Sprecher tragen einen großen Anteil zur Lebendigkeit der Story bei und bringen die Stimmungslage ihrer Figur gut auf den Punkt. Die Vertonung liegt allerdings nur auf Japanisch vor, wohingegen die Bildschirmtexte in mehreren Sprachen verfügbar sind. Erfreulicherweise auch in Deutsch, was bei dieser Art Visual Novel ja keine Selbstverständlichkeit ist. Doch bei der Übersetzung haben sich leider ein paar kleinere Fehler eingeschlichen, die sich als Rechts-links-Schwäche oder Rechtschreibfehler konsequent durch das Spiel ziehen. So kann es einem doch schon einmal etwas schaudern, wenn zum wiederholten Male der ach so böse Gängster im Gefägnis die Leute überaus wüst beschmipft. Alles in allem sind diese Fehler aber nicht so schlimm, als dass sie die Immersion des Spiels komplett zerstören würden, sondern stellen eher einen kleinen Wermutstropfen dar. Dennoch ist hier schon noch etwas Luft nach oben.
Mehr den Spielfluss gestört haben da leider die teilweise langen Ladezeiten, gerade zum Beginn des Spiels, und die häufigen Laderuckler. Doch obwohl sie sich negativ hervortun, gilt auch in diesem Fall wieder, dass sie in Summe mit all den anderen positiven Spielelementen nicht zu stark ins Gewicht fallen.
Darüber hinweg trägt nämlich unter anderem auch der gelungene Soundtrack, der die Stimmung in jeder Situation passend aufnimmt und gekonnt unterstreicht. Der Wechsel von ruhigeren Passagen zu dramatischen oder gar kämpferischen Szenen gelingt hierbei spielend. Auch der gespenstische Auftakt mit der verzerrten Jahrmarktsmusik, wie sie im klassischen Fundus eines Horrorfilms nur zu gut zu finden ist, öffnet die Tore des Themenparks so wirr einladend, dass sich sicherlich ein Joker sofort dort heimisch fühlen würde.
Attraktionen, Attraktionen, Attraktionen
Ganz wie es sich für einen Vergnügungspark gehört, ist auch das etwas andere Yurukill-Land in Abschnitte unterteilt, in denen sich unterschiedliche Sensationen befinden. Jedes Sträfling-und-Vollstrecker-Team muss sich dabei einer eigens für sie konstruierten Attraktion stellen.
Per Zug werden wir hierzu von einer Station zur nächsten gebracht und erleben diese nacheinander aus der Sicht des jeweiligen Teams. Um eine Attraktion abzuschließen, müssen Sträfling und Vollstrecker mehrere Ebenen absolvieren, die sich innerhalb der Attraktion alle um ein bestimmtes Thema drehen. Pro Ebene versperrt allerdings zunächst ein Roboter-Türwächter das weitere Vorankommen. Hier heißt es nun für uns die aktuellen Räume genauestens unter die Lupe zu nehmen und die vorliegenden Rätsel zu lösen, damit der Roboter uns weiter lässt.
Der grundsätzliche Aufbau der Ebenen erinnert an Escape Rooms und so ist natürlich auch nicht verwunderlich, dass uns typische Rätsel aus eben solchen begegnen. Beispielsweise müssen wir gemäß einer diffusen Vorgabe Mandarinen logisch unter mehreren Personen aufteilen, sodass jede genau die Anzahl bekommt, die sie zuvor verlangt hat. Dann sollen wir einen verlorenen Wachsmalstift wiederfinden und hierzu rekonstruieren, wo das Kind diesen verloren haben könnte. Oder wir müssen nur anhand einer knappen Notiz die richtige Alternative aus zwei verheerenden Wahlmöglichkeiten herauspicken. Und natürlich dürfen auch Farbrätsel oder das Ableiten von Buchstaben- und Zahlencodes in der einen oder anderen Form aus verschlüsselten Hinweisen heraus nicht fehlen.
Bei manchen Rätseln muss man etwas mehr überlegen als bei anderen, aber grundsätzlich sind sie alle gut lösbar. Hängen wir aber doch einmal, können wir uns von unserer Spielfigur, die wir gerade steuern, bis zu drei Hinweisen geben lassen, um somit des Rätsels Lösung mit einem kleinen Schubs doch noch aufzudecken. Schön hierbei ist, dass wir auch getrost darauf zurückgreifen können, denn das Ziehen der Hinweise hat keinerlei Einfluss auf das weitere Spielgeschehen, zum Beispiel in Form eines negativeren Rankings.
Natürlich sind während der gesamten Bewältigung der Attraktionen die vorgeworfenen Verbrechen immer wieder Thema. Irgendwann kippt die Stimmung schließlich so sehr, dass der Vollstrecker kurz davor ist, die Beherrschung zu verlieren und den Knopf zu drücken, der das Gift des Yurukill-Rings freisetzt. Der Sträfling und somit wiederum wir müssen dann während der sogenannten Maji-Kill-Time aus mehreren Antwortmöglichkeiten die richtigen Erwiderungen finden, um den Rage-Mode des Vollstreckers nicht bis zum Kontrollverlust noch weiter ansteigen zu lassen und die Situation erst mal wieder etwas zu entschärfen.
Voll in der Schusslinie
Haben wir alle Ebenen bewältigt, gelangen wir schließlich in den letzten Bereich der Attraktion, wo uns direkt die nächste folgenschwere Herausforderung erwartet, nämlich die sogenannte Yurukill-Verurteilung. Im dortigen Brain Reality-System, einer Art Virtual Reality, bei der, wie sollte es auch anders sein, der Sträfling sein Leben verlieren kann, wenn er scheitert, wechseln wir die Visual Novel fließend gegen einen Bullet Hell Shooter aus.
Untypisch für ein solches Story-Spiel, schießen wir uns in diesem zweiten, essenziellen Spielabschnitt nun per Raumgleiter den Weg durch diverse Raumschiffe, die uns natürlich alles entgegen feuern, was nur geht, und dummerweise zwischen uns und unserem Team-Mitglied stehen. Denn der Vollstrecker hat sich zum Start der Yurukill-Verurteilung so weit von uns abgeschottet, dass wir uns erst zu ihm durcharbeiten und im wahrsten Sinne seine Barriere durchbrechen müssen, damit wir überhaupt wieder mit Worten zu ihm durchdringen können. Durch diesen Aspekt in Kombination mit weiteren dazwischen geschalteten, aktiven Argumentationsszenen ähnlich wie bei der Maji-Kill-Time, bettet sich der Shooter-Part wirklich sehr gut in den Rahmen der Story und des Spielgeschehens ein.
Je Sträfling steuern wir dabei andere Raumgleiter, die sich hinsichtlich Stärken und Schwächen voneinander unterscheiden. Während Sengokus Schiff eher ein Allrounder ist, besitzt zum Beispiel das Gefährt von Gentoku eine deutliche weitere Schussstreuung, die aber zulasten der Schnelligkeit geht. Neben den Grundfunktionen Schießen und Lenken können wir zusätzlich noch einen temporären Schutzschild oder einen Spezialangriff aktivieren, wenn wir unser Fahrzeug dafür weit genug aufgeladen haben. Die Steuerung ist generell recht simpel gehalten und nach einer kurzen Eingewöhnungszeit dadurch auch angenehm griffig und intuitiv.
Die Shooter-Level sind analog zu den Escape Rooms pro Attraktion in einem bestimmten Thema gehalten und in drei Ebenen unterteilt, an deren Ende uns stets ein Bosskampf erwartet. Sowohl bei den Standard- als auch insbesondere bei den Bossgegnern bringt uns die Taktik, volles Rohr draufzuhalten, schon mal ein gutes Stück weiter. Dennoch gilt es dabei die richtige Balance zwischen Schießen und Ausweichen zu finden, da wir mit der Anzahl an verfügbaren Leben haushalten müssen. Oft fliegt uns aber so viel um die Ohren, dass uns schier der Platz zum Manövrieren ausgeht. Feindliche Leuchtkugeln, die sich in enge Fächer aufstreuen und ähnlich Späße, andere Hindernisse wie herumfliegende Kisten oder auch Kombinationen davon, sorgen somit für gute Beschäftigung und Kurzweile.
Unterschiedliche Schwierigkeitsgrade bedienen hierbei jeden Geschmack. Wer seinen Schwerpunkt mehr auf das Erleben der Story legt, macht natürlich mit dem leichtesten Schwierigkeitsgrad nichts falsch. Wer hingegen eher eine Herausforderung sucht, kann sich selbstverständlich auch schnelleren Gegnern bei einem geringeren Lebenskontostand widmen. Und wer gern sowohl als auch hätte, hat ebenfalls leicht die Option dazu. Als schönes Feature stehen nämlich in einem separaten Modus alle bereits gespielten Level in allen Schwierigkeitsgraden und mit allen Raumgleitern zur Verfügung, sodass spätestens hier fordernden Kämpfen und einer munteren Highscore-Jagd nichts mehr im Wege steht.
Fazit:
Yurukill: The Calumniation Games wartet mit einer ungewöhnlichen Kombination aus Visual Novel und Bullet Hell Shooter auf, der ich zunächst etwas skeptisch gegenüberstand. Doch ist es keinesfalls too much. Die Shooter-Passagen stehen nicht etwa losgelöst für sich, sondern wurden einwandfrei in den Rahmen der Visual Novel integriert, sind gut umgesetzt und machen wirklich Laune. Auch die Escape Room-Rätsel sorgen für Abwechslung, bieten unterschiedliche, stimmungsvoll gestaltete Szenarien und fordern auf angenehme Weise, wie es sich eben genau für solche gehört. Zwar trüben die langen Ladezeiten, Laderuckler und kleineren Übersetzungsfehler etwas das Bild und es finden sich auch typische Spielelemente wieder, wie man sie schon in ähnlichen Titeln vorgefunden hat. Dennoch ist Yurukill eigenständig und rund genug, um darüber hinweg sehen zu können. So punktet es auch mit einem wirklich gelungenen Soundtrack, den schillernden Persönlichkeiten und natürlich der Story. Diese liefert eine interessante, wenn auch verrückte Ausgangslage und schafft es locker, die konfliktgeladene Spannung durchgängig bis zum Schluss aufrecht zu erhalten und zu einem passenden Abschluss zu bringen.
- Spannende Story mit interessanter, konfliktgeladener Ausgangsbasis und schillernden Protagonisten
- Ungewöhnliche, gut funktionierende Kombination von Visual Novel und Bullet Hell Shooter
- Gute Escape Room-Rätsel
- Übersetzung auch in deutscher Sprache verfügbar
- Gelungener Soundtrack
- Highscore-Jagd in den Shooter-Leveln in einem separaten Modus möglich
- Lange Ladezeiten
- Teilweise Laderuckler
- Kleinere Übersetzungsfehler in der deutschen Version
Konsolenzockerin seit der Kindheit, bevorzugt auf der PlayStation. Zu den Lieblingsspielreihen gehören Grandia, Project Zero, Tomb Raider, Uncharted und Tekken, aber es finden auch gerne mal Indie-Titel den Weg auf den Bildschirm.