Battlefield 2042 3 Jahre später - das Field vor lauter Battle nicht mehr sehen
Jeder von uns hat seine ganz persönlichen guilty pleasures. Manche shaken gerne ihre Hüften zu Britney Spears’ “Toxic”, andere wiederum genießen den Charme der neuesten Staffel “Temptation Island” und ganz ehrlich, wir sind da voll bei euch. Es hat eine entspannende Wirkung auf die Seele, zu etwas Altbekanntem zurückzukehren, das man mit positiven Erfahrungen verbindet. Deswegen spiele ich nun seit über 10 Jahren jeden Ableger der Battlefield-Serie, den EA und DICE auf den Markt schleudern, obwohl ich mir seit Battlefield 2042 die unangenehme Frage stellen muss: Warum eigentlich?
Wie man den Battle zum Field bringt
Die Battlefield-Serie zu definieren, ist recht einfach: Battlefield-Spiele sind Multiplayer-Ego-Shooter, in denen zwei Teams mit Fahrzeugen, Fluggeräten und Infanterieeinheiten in verschiedenen Klassen gegeneinander antreten, um Missionsziele auf offenen Karten zu erobern oder zu verteidigen. Das macht jedes Battlefield, aber besonders hervorheben möchte ich den Teil der Serie, der die gesündeste Balance für diese Gameplay-Sandbox gefunden hat: Battlefield Bad Company 2. Hier haben wir es mit vier Soldatenklassen zu tun, die alle eindeutige und nützliche Rollen in Battlefields absurden Schere-Stein-Papier-Spiel erfüllen:
Sturmsoldaten haben mit Sturmgewehren und Granatwerfern die vielseitigsten Primärwaffen, können Munition verteilen und sind damit sehr effektiv im Kampf gegen andere Infanteristen, dafür aber nutzlos im Kampf gegen Fahrzeuge.
Pioniere tragen einen Raketenwerfer und ein Reparaturwerkzeug, wodurch sie als einzige Klasse Fahrzeuge zerlegen und wieder zusammenschrauben können. Als Bonus ist ihre Primärwaffe eine schallgedämpfte Maschinenpistole, mit der sie im Nahkampf und beim Schleichen einen Vorteil haben, aber im Fernkampf unterlegen sind.
Scharfschützen sind nicht nur am besten für den Fernkampf geeignet, sie sind auch zur Aufklärung nützlich, können Gegner orten, Fahrzeuge markieren und Bewegungssensoren platzieren. Dafür ziehen sie auf mittlere und kurze Distanzen den Kürzeren.
Zu guter Letzt Medics: Diese Klasse besitzt die Gott-gegebene Kraft, Untote wieder auferstehen zu lassen und Wunden in Sekundenschnelle zu heilen. Ihre Primärwaffe ist ein leichtes Maschinengewehr, mit dem sie auf kurze und mittlere Distanzen Probleme lösen, dafür aber die längsten Nachladezeiten in Kauf nehmen und noch weniger als Sturmsoldaten gegen Fahrzeuge ausrichten können.
Innerhalb dieser Gameplay-Sandbox hat jede Klasse eindeutige Stärken, Schwächen und Rollen, die man in Verbindung mit dem Loadout-System sowie verschiedenen Waffen und Aufsätzen individualisieren, jedoch nicht komplett brechen kann. Maps besitzen eine gesunde Mischung aus offenem Gelände, auf dem sich Fahrzeuge besonders wohlfühlen, da dieses wenig Deckung für Infanteristen bietet, sowie kleinen Siedlungen und Dörfern, in denen Fußsoldaten genug Deckung finden, um sich gegenseitig in Ruhe ihre Köpfe einzuschlagen.
Die seit Bad Company vorhandene zerstörbare Umgebung vertieft das Gameplay weiter, da über ein Match immer größere Teile der Umgebung zerstört werden, wodurch Verteidiger zu Beginn einen Vorteil durch viel Deckung besitzen, der mit der Zeit und schwindender Deckung abnimmt und gegen Ende einer Runde Angreifer begünstigt. Server sind auf dem PC auf 32 Spieler begrenzt, sodass immer genug los ist, damit sich ein Match nicht leer oder langweilig anfühlt, aber auch nicht zu viel los ist, womit es extrem unwahrscheinlich wird, um eine falsche Ecke abzubiegen und in ein Dutzend feindliche Läufe zu schauen. Obendrein verteilen sich 32 Spieler einfacher und gleichmäßiger über eine Map als 128 Spieler. Eine Karte, die für 32 Spieler designt wurde, ist in der Regel auch kompakter, was Distanzen und damit verbundene Laufwege kürzer hält und dadurch das Match insgesamt spannender macht, da es weniger Momente gibt, in denen nichts passiert. Kurz zusammengefasst: Bad Company 2 (BC2) besitzt die genau richtige Mischung aus Tiefgang und Zugänglichkeit, die die Battlefield-Sandbox so einfach und doch so genial gemacht hat. Also, was zum Teufel ist seit BC2 passiert?
Battlefield: Zu groß zum Scheitern?
Zur Ankündigung schien alles noch ganz gut auszusehen. Battlefield 2042 wollte mit 128 gleichzeitigen Spielern, einem Crysis nachempfundenen Waffen-Modifikationsmenü, größerer Mobilität, frei zugänglichen Waffenkategorien für jeden Charakter, der Abschaffung des altehrwürdigen Klassensystems, einem Extraction-Modus namens Hazard-Zone und dem Portal-Mode, in dem Karten, Waffen und Spielmodi aus vergangenen Battlefield-Teilen spielbar sind, punkten. Und wie das am Ende lief, wisst ihr wahrscheinlich selbst. Zu sagen, dass der Launch von Battlefield 2042 holprig war, wäre eine dreiste Untertreibung. Grafische Bugs, Abstürze, unnütze oder komplett fehlende UI-Elemente und eine schlechte Performance plagten das Spiel von Tag eins an, leider stand es um das Gameplay nicht viel besser. Klassen wurden durch ein Hero-Shooter-artiges, freies Loadout-System ersetzt, indem jeder Charakter eine spezifische Fähigkeit besitzt und Zugriff auf alle Waffenklassen und die meisten Gadgets hat. Also nichts da mit einem ausgewogeneren Klassensystem, in dem alle Waffen, Items, Klassen und Gadgets Vor- und Nachteile mit sich bringen, die es abzuwägen gilt. Wähle einfach den Charakter mit dem für dich sinnvollsten Gadget und der Waffe, die dir in möglichst vielen Situationen einen Vorteil bringt. Und das ist meistens Falck, weil sich Falck mit ihren Spritzen selbst heilen kann oder vielleicht noch Sundance, weil der kurze Cooldown ihrer Cluster-Granaten geradezu zum Ausnutzen einlädt.
Waffen haben ein ähnliches Problem: es klingt erst mal interessant, eine Waffe während des Spielens auf verschiedene Umstände und Distanzen anpassen zu können, nur macht diese Freiheit vereinzelte Waffenklassen komplett nutzlos. Warum sollte man beispielsweise eine Maschinenpistole mit geringem Schaden, aber hoher Feuerrate als Primärwaffe wählen, wenn man ein Sturmgewehr mit Nahkampf-Magazinen ausrüsten kann, welche zwar den Schaden senken, dafür aber die Feuerrate erhöhen? Nicht nur das, falls das Ziel doch mal weiter entfernt ist, gibt es auch Großkaliber-Magazine, die Schaden auf Kosten der Feuerrate erhöhen und damit einige DMR’s überflüssig machen. Das schmälert die Nützlichkeit der meisten Waffenklassen immens.
Gepanzerte Fahrzeuge waren vor allem zum Launch Punktefarm-Maschinen, da Fußsoldaten nicht genug Schaden verursachen konnten, um sie eigenhändig auszuschalten. Das war besonders im Spielmodus Durchbruch frustrierend, da Helikopter oft und gerne das komplette Feind-Team über dem zu verteidigenden Zielpunkt auswarfen und dann schnell wieder das Weite suchten, sobald sie zu viel Schaden nahmen. Das könnte fast als Strategie durchgehen, wenn das verteidigende Team mit mehreren Raketenwerfern in der Lage gewesen wäre, die fliegende Festung auseinanderzunehmen. Und nein, Anti-Air-Raketenwerfer sind keine ernst zu nehmenden Konter, da diese eine zu kurze Reichweite besitzen und leicht von Täuschkörpern gestört werden. Bei den Bodenfahrzeugen sieht es leider nicht viel besser aus, da vor allem Gefechtspanzer genug Panzerung, Feuerkraft und Mobilität besitzen, um eigenhändig das komplette Feind-Team in Schach zu halten, auch wenn dieses Ungleichgewicht nie so große Ausmaße wie bei den Helikoptern annimmt.
Fahrzeuge sind also extrem effektiv gegen Infanterie und schwierig zu kontern, warum sollten diese dann nicht in viel zu großen Zahlen auf Karten verfügbar sein, die Infanterie-Spielern nicht genug Deckung vor diesen Fahrzeugen bieten? Das Traurige an Battlefield 2042 Maps ist, dass sie mit interessanten Ideen spielen, diese jedoch nicht zu Ende denken. Es möchte eine Welt darstellen, die mit den Folgen der Erderwärmung und dadurch entstehenden Klima-Krisen zu kämpfen hat und dieses Konzept könnte, sofern es ernsthaft ausgearbeitet wird, einen ansprechenden Mehrwert bieten. Battlefield 4 hat 2013 mit der Idee der Levolution eine Form groß angelegter Zerstörung durch die Hand der Spielerinnen und Spieler eingeführt, die damals hauptsächlich aus der Freude an sinnloser Zerstörung eingebracht wurde, aber im Kontext von BF 2042 eine starke Aussage treffen könnte. Einen melancholischen “Krieg ist sinnlos”-Unterton konnte man auch schon aus Battlefield 1 lesen, selbst wenn das Gameplay der Battlefield-Serie oft ins Absurde abdriftet. Leider steht Battlefield 2042 diese Landung gleich auf zwei Ebenen nicht, da die Karten von BF 2042 es nicht schaffen, die Spielwelt genauer zu illustrieren und sich obendrein auch noch langweilig und frustrierend spielen lassen.
Da alle Karten mit bis zu 128 Spielern und für mehrere Spielmodi funktionieren müssen, teilen sie sich meist ein großes Problem: Sie sind zu groß und gleichzeitig zu leer. Um derartig viele Spieler gleichmäßig zu verteilen, braucht es entsprechend viele Ziele zum Angreifen und Verteidigen, die vor allem im Eroberungsmodus so vielzählig werden, dass sich die meisten Spieler nur in den zentral gelegenen Objectives aufhalten, während die am Rand der Karte liegenden Ziele gänzlich ignoriert werden. Die Kehrseite dieser Medaille ist der Durchbruch-Modus, in dem sich bis zu 128 Spieler auf ein bis zwei Ziele verteilen, was in der Regel in absolutem Chaos ausartet, und zwar nicht die “nur in Battlefield”-Art, sondern eher die “ich glaube, ich kriege eine Migräne”-Art. Allgemein hat man in Battlefield 2042 oft das Gefühl, dass sich die Grafikdesigner und Concept-Artists einige Gedanken über die Ästhetik der Welt von Morgen machten, die Leveldesigner jedoch keine guten Ideen hatten, diese visuellen Ansätze in interessante, gut spielbare Multiplayer-Karten einfließen zu lassen. Das Endresultat sind Level wie Sanduhr, in der interessante Areale, wie das von einem Sandsturm verschlungene Stadium. an den Rand der Map verbannt wurden, damit die Mitte für langweilige Dünen frei bleibt. Meine Meinung dazu: Wenn in eurem Multiplayer-Shooter von 128 Spielern höchstens 12 Spieler gleichzeitig ein Fahrzeug fahren können und der Rest zu Fuß unterwegs ist, setzt du einen Level-Abschnitt, der besonders interessant für Infanteristen ist, nicht an den Rand der Map. Ein anderes Beispiel ist die Karte Umbruch, die für Infanteristen spannende Orte, wie eine auf einer Anhöhe gelegene Wetterstation, wieder an den nördlichen Rand des Levels und damit zu weit weg vom eigentlichen Spielgeschehen packt, während ein Drittel der Karte für uninteressante Eisschollen und Gletscherspalten reserviert werden. Da beschleicht einen das Gefühl, dass die Level-Designer bei DICE beim Entwerfen der Karten ihre Assets per Glücksrad platziert haben.
Battlefield 2042 in 2024: was hat sich verändert?
Es ist offensichtlich, wie unfertig Battlefield 2042 veröffentlicht wurde, löblich ist trotzdem, wie sehr seit dem Launch versucht wird, das Spiel zu verbessern und salonfähig zu machen. So wurden seit dem Oktober 2021 alle Maps des Hauptspiels überarbeitet, um mehr Deckung und kürzere Laufwege für Infanteristen zu bieten, das User-Interface bekam eine komplette Überarbeitung spendiert, das Klassensystem wurde wieder eingeführt und der Schaden, den Fahrzeuge verkraften, wurde auch überarbeitet, was den Kampf zwischen Infanterie und Fahrzeug etwas ausbalanciert. Alles schön und gut, auch wenn sich diese Art von Business-Entscheidung eher wie eine Schutzmaßnahme der Eigeninvestition seitens EA anfühlt. Die Probleme, mit denen sich BF 2042 herumschlagen musste, hätten einfach lange vor der Veröffentlichung beim Play-Testing auffallen müssen, sind sie wahrscheinlich sogar. Wir reden hier ja auch nicht von irgendeinem Hobby-Entwickler, der in seiner Scheune mit einer Dose 5,0er in der Hand mal eben einen Asset-Flip zusammen klöppelt, da DICE eines der größten, erfahrensten Studios ist, dass die Videospiel-Branche zu bieten hat. Dass ein Projekt im klassischen Battlefield-Stil großen Anklang finden kann, hat vor einem Jahr Battlebit Remastered bewiesen, einen Markt für diese Art von Gameplay-Erfahrungen gibt es also offensichtlich. Wieso musste BF 2042 also um jeden Preis mit so vielen bewährten Gameplay-Designs brechen?
Der Money-Maker-Tanz
Weil AAA-Spiele wie Battlefield zu teuer sind, um nicht erfolgreich zu sein. Um Battlefield 2042 in dem Stadium zu veröffentlichen, in dem es schlussendlich erschien, war die Kooperation von insgesamt vier Entwicklerstudios notwendig, mehrere Playtest-Studios ausgeschlossen. Die Entwicklung von The Last of Us: Part 2 durch Naughty Dog hat Sony zum Beispiel ungefähr 200 Millionen Dollar gekostet, nur um die Kosten dieser Spiele mal in einen Kontext zu setzten. Projekte wie diese sind finanziell so riskant, dass ein finanzieller Erfolg garantiert werden muss, was wiederum bedeutet, dass Entwickler im Notfall die Identität einer IP für Massenkompatibilität und Trends aufgeben müssen. Kein Entwickler möchte schlechte Spiele machen, diese Branche lebt von der Kreativität und Begeisterung seiner Schöpfer, jedoch wird das Geld und die Planung der Spiele-Industrie von Personen übernommen, die im Fall von Battlefield 2042 wahrscheinlich folgendes dachten:
“Okay, der letzte Teil der Battlefield-Serie kam nur mäßig gut an, lasst mal auf den Hero-Shooter-Zug aufspringen, Apex Legends ist ja gerade sehr populär. Da nehmen wir erst mal viel Geld für den Launch in die Hand, können aber später entspannt alle paar Monate eine einzige Waffe mit ein paar Skins oder einen einzigen Charakter veröffentlichen. Das spart uns unfassbar viel Geld, weil das im Ernstfall auch ein paar Praktis machen können. Und wenn wir uns dann cool fühlen, gibt es eine Map im Halbjahr dazu, nicht so wichtig, dass Battlefield-Spieler viel mehr Content gewohnt sind. Interessanter für uns ist, dass wir einen Battlepass möchten. Hierfür können wir eine Skin-Textur in ein paar Stunden machen, die auf 40-verschiedene Waffen, Charaktere und Fahrzeuge klatschen und dafür alle paar Monate mit jedem neuen Battlepass weitere 10 € verlangen. Ein stimmiges Art-Design ist da nicht wichtig, wir wollen ein paar Wale an Land ziehen, die sowieso für den hässlichsten Scheiß aller Zeiten Geld ausgeben würden. Was ist gerade noch so populär? Extraction-Shooter? Machen wir auch! Wir können ja gerne die gleichen Maps dafür benutzen, egal, dass die nie für diese Art von Gameplay gestaltet wurden. Für alle Nörgler machen wir halt den Portal-Mode, der alte Maps mit einem Gunplay kombiniert, dass nie für diese designt wurde. Klingt doch mega, oder? Kann doch gar nicht schiefgehen, oder?”.
Kann es und ist es leider auch. Wahrscheinlich ist es an der Zeit zu akzeptieren, dass Battlefield so wie die meisten großen AAA-Serien ihre besten Tage hinter sich hat und die aktuelle Marktlage im Jahr 2024 unseres Herren Entwicklern wie Publishern die Möglichkeiten nimmt, riskante und ungewöhnliche Konzepte zu verfolgen oder umzusetzen. Auf der Stelle zu treten ist ganz okay, wenn man seine bereits bestehende Spielerschaft halten möchte, trotzdem bin ich überzeugt davon, dass in dieser Industrie wahre Innovation mit Erfolg Hand in Hand gehen, schließlich war der Modern-Military-Shooter auch ein unverbrauchtes Setting, bis Call of Duty 4 dieses salonfähig machte und plötzlich jeder ein Stück vom modernen Kriegskuchen abhaben wollte. Leider traue ich diesen Studios wie Treyarch oder DICE nicht mehr zu, ihre alten Wege auf der Suche nach dem nächsten Heiland zu verlassen, viel wahrscheinlicher ist da für mich, dass viele der Talente, die aufgrund der momentan allgegenwärtigen Entlassungswellen in neuen Studios unterkommen, die wiederum die nächsten Trends etablieren werden. Bis es so weit ist, müssen wir nur unsere Augen offenhalten, Indie-Entwickler unterstützen, uns Vorbestellungen verkneifen und unsere nostalgisch-motivierten AAA-Käufe für einen 60 %-Sale aufsparen.
Nicolas Große
Nic wurde in seiner frühen Jugend auf den Dopaminkick gefixt, den eine neue mediale Erfahrung mit sich bringt. Um diese Sucht zu befriedigen, sucht er im Bereich der Videospiele das Ungewöhnliche, Exzentrische und Abgehobene. Zu seinen Lieblingen zählen die Metal Gear Solid - Serie, Max Payne 3, Mirrors Edge, Hunt: Showdown und Hotline Miami.