Kolumne zu Death Stranding - Traut euch was
In den vergangenen Jahren hatte ich oft das Gefühl, dass die Videospiellandschaft etwas eintöniger geworden ist. Oftmals werden Spielkonzepte von Entwicklern quasi selbst kopiert, um an den Erfolg eines Vorgängers anzuknüpfen. Dies mag hier und da gut gehen, irgendwann kommt aber der Punkt, an dem man sich als Spieler Innovationen, gute Ideen und Mut wünscht. Etwas Neues auszuprobieren ist natürlich auch mit Risiken verbunden, da man nie sicher sein kann, dass der gewählte Weg auf Zustimmung stößt. In diesem Jahr wurden meine persönlichen Gebete dahingehend gleich von zwei Entwicklern erhört. So ist es nicht nur Jedi Fallen Order, das sich allen Servicegames, Mulitiplayer-Games und Open-World-Riesen zum Trotz als innovatives, recht lineares und durch und durch sehenswertes Singleplayer-Spiel der alten Schule präsentiert. Mein persönliches Highlight des bisherigen Jahres ist aber Kojimas Meisterwerk Death Stranding. Da ich hier auch auf Details eingehe, die erst später im Spiel stattfinden, warne ich hier ausdrücklich vor SPOILERN.
Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass ich kein fanatischer Kojima-Jünger bin, der alle Werke des Meisters gut heißt – im Gegenteil, gerade Phantom Pain war für mich beispielsweise eher ein Spiel zum Vergessen. Bei Death Stranding war ich bis zuletzt skeptisch, da ich mir darunter einfach rein gar nichts vorstellen konnte. Dennoch habe ich mich schließlich durchgerungen und den Titel gekauft. Schon nach recht kurzer Zeit in der riesigen, atmosphärischen und insgesamt recht einsamen Spielwelt waren aber alle Zweifel verflogen. Es ist nicht das insgesamt sehr entschleunigte Gameplay an sich, nicht die grandiose realistische Darstellung in den Sequenzen, die einen oftmals mit offenem Mund zurück lässt, und auch nicht die offene Welt, die trotz ihrer Leere eine äußerst intensive Stimmung mitbringt. Es sind nicht einmal die wirklich interessanten Hauptfiguren, die einen über ihre wahren Ziele und auch über ihre Vergangenheit lange im Dunkeln stehen lassen, die Death Stranding zu einem grandiosen Spiel machen. All diese Faktoren würden aus dem Titel ein sehr gutes Open-World-Abenteuer machen, Death Stranding hat aber noch mehr zu bieten.
Das, was mich an Death Stranding letztlich überzeugt hat, ist der Mut, neue Wege zu gehen, und vor allem auch die Fähigkeit, zu überraschen. Wer es nicht selbst gespielt hat, kann sich wahrscheinlich nicht vorstellen, wie erhebend es sich anfühlt, als Paketbote einsam durch die Postapokalypse zu streifen und dabei Vorräte, technisches Equipment oder schlicht und einfach Hoffnung zu transportieren. Es ist die Einfachheit der Tätigkeit in Verbindung mit der tristen, teilweise bedrückend leeren Welt, die eine ganz besondere Faszination besitzt. Zudem ist der grundlegende Gedanke eines Postboten in der Postapokalypse gleichermaßen verwirrend wie genial, denn dieses Szenario habe ich mir persönlich noch niemals vorgestellt und ich denke, so wird es vielen gehen. Hinzu kommen kleine Details wie Textnachrichten, mit denen uns Verbündete, denen wir wir geholfen haben, über ihr Leben auf dem Laufenden halten oder auch bewegende Sequenzen, in der wir mehr über die Zerstörung der Welt und die traurigen Schicksale einzelner Charaktere erfahren. Darüber hinaus schafft es der Titel, der vom Grundgedanken her schon mehr als außergewöhnlich ist, im Spielverlauf noch einmal komplett zu überraschen, wenn wir uns zum Beispiel plötzlich auf einem Schlachtfeld im Ersten Weltkrieg wiederfinden und eine intensive Shooter-Passage erleben, die ich nach mehreren Stunden als einsamer Transportdienstleister niemals erwartet hätte.
Wer beim Lesen meiner Kolumne nun völlig verwirrt ist und immer noch überhaupt nicht weiß, was einen in Death Stranding erwartet, dem sei gesagt, dass dieses Gefühl auch während des Spielens nur sehr langsam verschwindet, da sich alles erst nach recht langer Spielzeit öffnet. Und genau hier liegt die Besonderheit und auch die Faszination des Titels begründet. Sucht nicht krampfhaft nach Vergleichen, sondern holt euch ein kühles Getränk und lasst euch einfach auf dieses Meisterwerk ein. Es wird euch an vielen Stellen irritieren, verwundern und etwas ratlos zurück lassen, aber es wird euch auch überraschen und euch zeigen, dass ein Videospiel auch heute noch ein echtes Kunstwerk sein kann.
Daniel Walter
Ein begeisterter Konsolenspieler mit einem breit gefächerten Interessengebiet. Neben Shooter-Serien wie Battlefield oder Call of Duty gehören auch Action-Adventures wie klassische Assassin's Creeds, die Batman-Arkham-Reihe oder The Last of Us Part 1/2 zu den bevorzugten Titeln. Hinzu kommen Survival-Games wie ARK, Horror-Klassiker a la Resident Evil sowie Open-World-Abenteuer im Stile von Far Cry oder Red Dead Redemption. Sport-Franchises wie FIFA oder Tour de France erweitern das Interessenfeld, ebenso wie sämtliche Titel aus dem Star-Wars-Universum.