Song of Horror im Test: Old School Horror mit modernen Elementen
Song of Horror von Protocol Games will vor allem Survival Horror Fans der alten Schule bedienen, wagt sich aber auch hier und da in die Gefilde aktueller Gruselspiele. Seit dem Release auf dem PC konnte der Titel einige treue Fans gewinnen und jetzt will Song of Horror seit Kurzem auch Konsolenspielern das Fürchten lehren.
Alte Schule
Autor Sebastian P. Usher verschwindet spurlos. Seine Familie ist ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt. Der Spieler schlüpft zu Beginn in die Rolle des Assistenten des Verlegers und wird gebeten, der Sache auf den Grund zu gehen. In der Wohnung des Vermissten angekommen, vernimmt er eine mysteriöse Melodie, die ihn in einen fensterlosen Raum lockt. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss und er ist gefangen, dem Wahnsinn nahe, denn die Melodie wird lauter und scheint auch nach mehreren Tagen Gefangenschaft nicht aufhören zu wollen.
Erwähntes Ereignis bringt die Geschehnisse in Song of Horror ins Rollen und schnell stellt sich heraus, dass der Spieler sich einer übernatürlichen Präsenz stellen muss.
Mehr sei hier nicht über die Geschichte des Spiels verraten, denn diese wird am besten spoilerfrei selbst erkundet. Wer sich aber mit Stories rund um paranormale Ereignisse und übernatürliche Wesen anfreunden kann, wird hier bestens unterhalten und steht vor einigen wirklich gut geschriebenen Wendungen.
Ein langsames Pacing sorgt für einen schleichenden, aber konstanten Spannungsbogen. Die Story hat genug Zeit sich zu entfalten und durch die vielen Schriftstücke, die es zu finden gilt und die gelungenen Settings wird hier eine sehr bedrohliche und dichte Atmosphäre geschaffen, wie man sie sonst nur aus der Amnesia Reihe kennt.
Dabei sollte man sich nicht zu sehr an die spielbaren Charaktere gewöhnen, denn stirbt einer von ihnen, ist er für den weiteren Spielverlauf verloren. Ein weiterer Protagonist oder eine weitere Protagonistin tritt dann auf, um die Geschichte weiter voranzutreiben.
Auch die Auseinandersetzungen mit der übernatürlichen Präsenz sind nicht stumpf nach Script und so können Begegnungen an unterschiedlichen Stellen im Spiel stattfinden. Das sorgt für einen kleinen extra Kick.
Unterteilt ist das Spiel in fünf Episoden, die allesamt mit einem einzigartigen und stimmigen Szenario überzeugen können. Für ein Indiespiel ist hier eine beachtliche Atmosphäre gelungen und auch die musikalische Untermalung hat AAA Niveau.
Einzig eine fehlende Deutsche Sprachausgabe könnte hier bemängelt werden.
Zurück zu den Wurzeln des Genres
Während die beliebte Resident Evil Reihe sich schon lange immer weiter von ihren Survival Horror Wurzeln entfernt und man auf einen neuen Vertreter der Silent Hill Reihe lange Zeit vergebens warten muss, klafft eine große Lücke dort, wo einst benannte Vertreter des Genres mit knackigen Rätseln und bedrückendem Überlebenskampf überzeugen konnten.
Wer sich also weniger Action und mehr Survival in einem Horrorspiel wünscht, wird in Song of Horror eine kleine Offenbarung finden. Wer die Resident Evil und Silent Hill Anfänge gespielt hat, wird sich in Song of Horror schnell zurechtfinden.
Der große Unterschied zu genannten Klassikern: Jede der Episoden beginnt für die Spieler und Spielerinnen mit einer Charakterwahl. Jeder wählbare Protagonist bringt eigene Attribute, wie Schnelligkeit und Stärke, sowie einen individuellen Gegenstand mit. Zudem bieten sich mit jedem Charakter auch unterschiedliche Möglichkeiten die Level zu erforschen. So kann jede der Figuren nur bestimmte Objekte in der Spielwelt untersuchen.
Die Permadeath-Funktion sorgt dann für extra Spannung, denn wenn einem eine Spielfigur besonders ans Herz gewachsen ist, muss man sich nach deren Ableben schmerzlich von ihr trennen. Dabei kann es schon einmal vorkommen, dass man alle für eine Episode verfügbaren Personen verliert und das Kapitel komplett von vorne beginnen muss.
Kommt es dann im Spielverlauf zur Konfrontation mit der übernatürlichen Entität, so gibt es das ein oder anderen Quick-Time-Event zu meistern. Das kennt man bereits seit Resident Evil 4. So ausladend, wie etwa in Until Dawn, sind diese Momente zwar nicht, aber die Bandbreite reicht hier von wirklich spannend hin zu frustrierend schwer.
Während erwähnte Genrekollegen mittlerweile mehr auf Action setzen und die Rätsel in Resident Evil 8 teilweise unterirdisch einfach waren, wird in Song of Horror eine Menge Hirnschmalz verlangt. Die Rätsel sind innovativ, kreativ und vor allem fordernd. Das macht Spaß und wird vor allem Fans der alten Survival-Horror-Schule glücklich stimmen. Das Prinzip ist dabei keinesfalls neu, dafür aber sehr gut umgesetzt: zuerst will ein Hinweis, wie ein bestimmtes Schriftstück, gefunden und analysiert werden, um dann mithilfe gefundener Gegenstände und dem zuvor erlangten Wissen einige Knobeleien zu lösen. Chemikalien mischen und Sicherungen finden und austauschen kennt man auch aus Resident Evil, jedoch fühlt sich das Ganze in Song of Horror sehr erfrischend nach den vermissten “alten Glanzzeiten” des Genres an.
So ergibt sich ein rundes Spielgefühl, das man als gelungene Mischung aus Stärken mit einigen Neuerungen und Optimierungen bezeichnen kann.
Starre Kamera
Die genretypische starre Kamera sorgt für einen gewissen Retro-Vibe, kann aber auch hier und da etwas nerven. Vor allem in panischen Momenten kann man eine Kameraperspektive, die sich nicht eigenhändig nachjustieren lässt, nicht gebrauchen. Aber diese Momente sind relativ selten und so hat man sich schnell an die feste Kamera gewöhnt.
Wie schon in Resident Evil gibt es einige Gegenstände, die man untersuchen kann, die die Settings lebendiger machen und die Geschichte teils tiefergehend weitererzählen. In Song of Horror wird der Spieler aber nahezu erschlagen an Interaktionsmöglichkeiten und so ist man schnell versucht, einfach alles zu ignorieren, was blinkt und nicht storyrelevant wirkt. Hier wäre weniger mehr gewesen. So richtig störend ist das nicht, aber es reißt ein wenig aus der ansonsten rundum gelungenen Atmosphäre.
Grafisch lässt sich an Song of Horror wenig aussetzen. AAA Standards werden zwar nicht erreicht, aber das Spiel hat einen wirklich gelungenen Look, der technisch sehr gut umgesetzt wurde. Ein paar wenige aufpoppende Texturen fallen hier auf, sind aber nicht weiter störend. Besonderes Lob gilt den Schauplätzen, die wirklich vor Detailreichtum und Atmosphäre strotzen und teils wenig abgenutzt daherkommen.
Song of Horror verzichtet größtenteils auf Jump Scares. Der Horror ist hier eher psychologischer Natur. Auch das tut dem Spiel gut, denn hier wird ein tiefer gehendes Horrorerlebnis geschaffen als in den meisten Games.
Fazit
Wer mit starrer Kamera, englischer Sprache und einer ordentlichen Old School Prise klarkommt, wird in Song of Horror ein kleines Genrehighlight entdecken. Dabei ergibt sich durch knackige Rätsel und gutes Gameplay eine runde Erfahrung, die all diejenigen zufriedenstellen wird, die bei Resident Evil die hohe Actionschlagzahl auf Kosten der Gruselelemente bemängelten.
Atmosphärisch dicht, intelligent geschrieben und technisch solide, wird Song of Horror zu einem ganz eigenen Erlebnis, das goldene Zeiten des Genres aufleben lässt. Das alles geschieht mit viel Liebe zum Detail und einer sehr gelungenen Präsentation. Über kleinere technische Mängel und wenige Ecken und Kanten im Gameplay kann man hier gerne hinwegsehen.
- Gut geschriebene und gruselig präsentierte Geschichte
- Retro-Feeling mit viel Liebe zum Detail
- Eine gute Portion Eigenständigkeit im Gameplay
- Die starre Kamera sorgt ab und an für Frust
- Manche Quick-Time-Events sind unnötig schwer
Leidenschaftlicher Zocker, der irgendwo zwischen Shootern, Plattformern, Action-Adventures und arcadigen Sportspielen zuhause ist. Zu den Lieblingsreihen gehören Resident Evil, The Last Of Us, Call Of Duty und GTA.