UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes im Test: Sperriger Titel, gutes Spiel?
Mit UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes setzt der japanische Entwickler French-Bread sein bereits 2012 im Land der aufgehenden Sonne gestartetes Erstlingswerk UNDER NIGHT IN-BIRTH Exe:Late fort. Dabei hatte der erste Teil über die Jahre bereits zahlreiche Neuauflagen erfahren, die ihn unter anderem auch auf die PlayStation 3 und 4 geführt hatten. Doch nun ist es Zeit für einen richtigen Nachfolger und für uns natürlich die Gelegenheit, in die endlose Nacht einzutauchen, uns mit allerlei Charakteren zu prügeln und das Spiel einem umfangreichen Test zu unterziehen.
Heute mit Beginn der Nacht wird es dunkel
In UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes dreht sich zunächst einmal alles um die Hollow Night, ein seit Urzeiten beständig wiederkehrendes Phänomen. In dieser besonderen Nacht suchen seltsame Kreaturen, sogenannte Voids, die Erde heim und gehen auf die Jagd nach EXS, einer Art Energie, die jedem Menschen innewohnt. Natürlich haben diese Angriffe fatale Folgen für die betroffenen Opfer. Doch von Zeit zu Zeit überlebt auch jemand so eine Attacke und hat fortan besondere Fähigkeiten. Die Person wird zu einem sogenannten In-Birth.
Einer dieser In-Birth-Menschen und zugleich auch die zentrale Figur der Geschichte ist Kuon. Dieser stellt sozusagen den Antagonisten der Story dar. Kuon, auch der Ewige genannt, ist unfassbar mächtig und strebt nun im zweiten Teil der Reihe danach, die Welt zu vernichten. Genretypisch haben einige der im Spiel vorhandenen Charaktere, wie etwa Kuons Schwester Linne, aus unterschiedlichsten Motivationsgründen etwas dagegen. Andere wiederum verfolgen ihre ganz eigene Agenda, und sei es nur um stärker zu sein als eine bestimmte andere Figur. In Summe gestaltet sich die Geschichte unterhaltsam. In den zahlreichen Dialogen werden jedoch sehr oft Begriffe ausgetauscht, die ohne Kontext erst einmal für Verwirrung sorgen. Natürlich nur, sofern man die Gespräche nicht einfach wegdrückt. Oftmals bestehen diese ohnehin nur aus den typischen Vorgeplänkeln, in denen zwei Kämpfer jeweils darlegen, warum sie das Gegenüber nun komplett fertigmachen. Das ein oder andere Mal wird das sogar unfreiwillig komisch. Dies ist im Genre aber ja auch durchaus weit verbreitet.
UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes bietet storytechnisch eine kleine Kuriosität: Denn es basiert weder auf einem Manga noch auf einem Anime. Vielmehr existieren beide Spiele für sich und sind somit (mit Ausnahme von Fan-Fiction) die einzige Möglichkeit, die Hintergrundgeschichte zu erleben. Um also tiefer in das recht interessante Universum eintauchen zu können, bleiben die Spiele aktuell die einzige Option.
Das dreckige (Doppel-)Dutzend
Insgesamt 24 Charaktere stehen uns zu Spielbeginn zur Verfügung. Da hätten wir neben den bereits genannten Hauptfiguren auch so illustre Recken wie Faustkämpfer Enkidu, der zwar nur ein simpler Mensch ist, als solcher aber dennoch danach strebt, die mächtigsten Wesen des Universums nacheinander zu besiegen. Auf einem völlig anderen Pfad befindet sich Schwertkämpfer Hyde, denn dieser versucht Linne vor Kuon zu beschützen. Carmine wiederum ist ein typischer Vertreter der Rubrik „Ich will die Welt brennen sehen!“. Die Antagonistin aus dem ersten Teil, Hilda, ist ebenfalls wieder mit von der Partie und strebt erneut finstere Pläne an.
In Summe bietet das Roster eine sehr gute Auswahl an unterschiedlichen Charakteren mit verschiedenen Motivationen und vor allem individuellen Kampfstilen. Hier sollte also für jeden etwas dabei sein. Besonders hervorzuheben ist der Fakt, dass viele der Kämpfer Waffen einsetzen. Während Kaguya etwa auf zwei Pistolen setzt, schwingt Phonon die Peitsche derart gekonnt, dass sogar Indiana Jones neidisch werden würde. Wagner wiederum erinnert mit Schild und Schwert an eine griechische Göttin oder Sophitia aus der Soul-Calibur-Reihe. Und Tsurugi hat seinen mächtigen Schild offensichtlich von Kisara aus Tales of Arise ausgeliehen.
Ein durchaus beachtlicher Umfang
Nach einem stimmungsvollen Anime-Intro geht es für uns auch schon ans Eingemachte. Im sehr aufgeräumt präsentierten Hauptmenü erwarten uns viele unterschiedliche Optionen. Als Primärfunktion sei hier natürlich zunächst einmal der Einzelspieler-Modus genannt. Hier dürfen wir uns mit einem Charakter unserer Wahl in verschiedene Modi stürzen. Neben dem Storymodus, in dem es natürlich um die Hauptgeschichte geht, erwartet uns auch Genre-Standard wie Zeitangriff und Überlebens-Modus. Während es im Erstgenannten um die schnellste Zeit für das Erledigen einer bestimmten Anzahl an Gegnern geht, müssen wir in der anderen Spielart möglichst lange gegen immer stärker werdende Kontrahenten überleben. Nach jeder Runde regeneriert sich dabei aber nur ein kleiner Teil unserer Lebensenergie.
Zusätzlich zu diesen Optionen gibt es natürlich auch umfangreiche Mehrspieler-Modi. So können wir lokal gegen einen anderen Spieler oder die CPU Runden bestreiten oder uns Online in Ranglistenkämpfe stürzen. Abseits des stetigen Verbesserns der eigenen Fähigkeiten sorgt noch freischaltbarer Content für Langzeitmotivation. Hier können wir verschiedene Artworks der Charaktere erwerben, Musikstücke oder auch Charakterstimmen freischalten, die dann im Menü und während der Kämpfe erklingen. Das alles sind ganz nette Optionen, die sich schön nebenher erledigen lassen, jedoch auch nicht zu überbordend ausfallen. Auch wenn uns pro Charakter nur ein einziges Kostüm zur Auswahl steht, so dürfen wir dennoch aus einer stattlichen Anzahl teils sehr drastisch unterschiedlicher Farbgestaltungen wählen oder sogar selbst eigene Designs erstellen. Gerade für den Online-Modus ergibt sich somit die Möglichkeit, seinen Charakter gut zu individualisieren.
2D oder 3D?
Geprügelt wird sich in stimmungsvollen 3D-Umgebungen, die Kämpfe jedoch laufen in 2D ab. Das heißt, wir bewegen uns ausschließlich von links nach rechts oder umgekehrt und decken unseren Gegner mit allerlei mächtigen Attacken ein. Oder kriegen eben selbst auf die Mütze. Während die Charaktere allesamt handgezeichnet wurden und richtig schick aussehen, werden die Hintergründe in 3D dargestellt. Dies sorgt für einen netten Kontrast, der allerdings nie seltsam anmutet. Da die Stages zudem allesamt sehr ansprechend gestaltet sind, ergibt sich eine wirklich runde, gelungene und stimmungsvolle Optik.
Unterstrichen wird dies durch viele Details an den Charaktermodellen wie beispielsweise die theatralisch im Wind wehende Kleidung. Bei den Hintergründen sei jedoch angemerkt, dass diese teilweise ein klein wenig texturarm dargestellt wurden und im Hintergrund eigentlich auch kaum etwas passiert. Somit wird man zwar nicht vom eigentlichen Kampfgeschehen abgelenkt, ein wenig mehr Betrieb wäre aber auch schön gewesen. Trotz oder gerade auch wegen des Nacht-Settings.
Beim eigentlichen Kampfgeschehen lässt UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes noch einmal mehr die Muskeln spielen. Die Charakteranimationen sind sehr flüssig, sehen spektakulär aus und haben ordentlich Wucht. Wenn man einmal richtig im Spiel drin ist, fliegen die Kämpfer nur so durch die Arena, dem pfeilschnellen Gameplay sei Dank. Kleine Abstriche gibt es bei manchen Charakteren, die so ausladend unterwegs sind, dass es einem manchmal schwerfällt, den Überblick zu bewahren. Hier wäre Waldstein mit seinen gigantischen Greifarmen zu nennen. Trotz der teils Bildschirmfüllenden Action bleibt das Spiel selbst immer geschmeidig und bis auf die Millisekunde genau exzellent spielbar. So ergeben sich schnell brillante Schlagabtausche, die entweder durch pure Angriffs-Orgien gekennzeichnet werden oder aber durch geradezu vorsichtiges Taktieren der Kämpfer.
Aller Anfang ist ... leicht?
Um bei all den Charakteren in UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes nicht die Orientierung zu verlieren, bietet das Spiel umfangreiche Tutorial-Optionen an, die durchaus als große Stärke zu sehen sind. Denn absolut jeder Aspekt des grundlegenden Kampfsystems wird hier mit je einer unterschiedlichen Aufgabe belegt. In Summe ergeben sich so rund 150 Tutorial-Missionen, die wir abarbeiten können. Während Neulinge zunächst einmal die Basis-Funktionen wie Bewegung und Angriffe erklärt bekommen, können Veteranen schon weitaus tiefer in die Materie eindringen und sich mit fortgeschrittenen Optionen beschäftigen. Neben simplen Erklärungen dürfen wir auch immer wieder selbst Hand anlegen, was uns sehr gut im Lernprozess unterstützt. Wir sind hierbei nie gezwungen, der Reihe nach vorzugehen, sondern können jederzeit an einer beliebigen Stelle einsteigen.
Doch selbst wenn wir diesen Menüpunkt komplett durchgearbeitet haben, macht das Spiel nicht halt. Vielmehr stehen uns pro Charakter je rund 40 individuelle Missionen zur Verfügung, in denen uns das Moveset jeder Figur noch einmal nähergebracht wird. Das ist tatsächlich eine sinnvolle Sache, denn auch wenn sich die Charaktere grundsätzlich die typischen Funktionen wie leichte, mittlere und schwere Angriffe teilen, so hat doch jeder auch persönliche Stärken und Schwächen, die es zu ergründen gilt. Insgesamt ist UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes durchaus an Spieler gerichtet, die sich gerne in einen oder mehrere Charaktere hineinarbeiten und durch regelmäßiges Training ihre Fähigkeiten verbessern. Zwar gilt, wie so oft bei Prügelspielen, der Grundsatz, dass man auch mit Button mashing Erfolge feiern kann, doch gegen einen gut ausgebildeten Spieler sieht man als Neuling recht schnell überhaupt kein Land mehr.
Einfach zu lernen, schwer zu meistern
Wie in vielen Beat'em Ups gilt also auch in UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes, dass Übung den Meister macht. So simpel das Kampfsystem auf den ersten Blick daherkommt, so komplex wird es im nächsten Schritt. Denn neben den Standard-Attacken gilt es auch noch zwei weitere Anzeigen im Blick zu behalten und zu nutzen. So können wir den EXS-Balken einsetzen, um härter zuzuschlagen oder sogar mächtige Spezialangriffe auszuführen, die fast schon an bildschirmfüllende Finishing-Moves erinnern. Ein weiterer Faktor ist die GRD-Anzeige, die wir uns mit dem Gegner teilen. Die dort nach und nach aufladenden Punkte dienen uns wiederum dazu, die EXS-Anzeige aufzufüllen oder weitere Spezialmanöver vom Stapel zu lassen. Gehen wir doch einmal zu Boden, hilft das Gedrückthalten einer Angriffstaste, um quasi sofort nahtlos weiterkämpfen zu können. Auf diese Art und Weise wird das Spiel sehr schnell und sehr dynamisch in seinem Ablauf, sofern man bereits ein paar Combos seines Kämpfers verinnerlicht hat.
Teil 1, bist du das?
Sämtliche Charaktere unterhalten sich im Spiel in ihrer japanischen Muttersprache. Dankenswerterweise wurden die Bildschirmtexte in den Menüs sowie auch die Dialoge im Storymodus jedoch vollständig ins Deutsche übertragen. Gerade beim Verständnis des durchaus komplexen Kampfsystems steht uns somit keine Sprachbarriere im Weg. Auch bei der Musik kann der Titel punkten. Die einzelnen Stücke untermalen den Kampf stets passend und sorgen für ein treibendes Spielgefühl. Hier hat man definitiv abgeliefert.
Für sich betrachtet macht UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes also verdammt viel richtig. Betrachten wir jedoch den (mehrfach aufgelegten) Vorgänger, so fallen die zahlreichen Gemeinsamkeiten dann doch recht schnell auf. Zwar wurden für das Sequel sämtliche Charaktere neu gezeichnet, dennoch ist der Unterschied zwischen den beiden Ablegern auf den ersten Blick deutlich geringer als beispielsweise zwischen einem Tekken 7 und seinem Folgetitel. Somit fühlt sich UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes tatsächlich weniger nach vollwertigem Nachfolger, als viel mehr nach einem weiteren Update an.
Fazit
Hinter solch bekannten Genre-Vertretern wie Granblue Fantasy Versus: Rising, Guilty Gear oder BlazBlue braucht sich UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes definitiv nicht zu verstecken. So überzeugen auf den ersten Blick die tollen, handgezeichneten Charaktere mit ihren flüssigen Animationen vor den stimmungsvoll gestalteten 3D-Hintergründen. Auch bietet das Kampfsystem, nach ein wenig Eingewöhnungszeit, extrem viel Tiefgang, um seinen Charakter in allen möglichen Facetten lernen und meistern zu können. Unterstützung erhalten wir dabei von den umfangreichen Tutorial-Optionen, die uns mit wirklich jedem Aspekt des Spiels vertraut machen und sowohl für blutige Einsteiger als auch für kampferprobte Veteranen gute Hilfestellungen bieten.
Auch beim Umfang kann UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes überzeugen, bietet es doch neben 24 unterschiedlichen Charakteren eine ebenso stattliche Anzahl an Stages und sowohl für Einzelspieler als auch für Multiplayer vielfältige Optionen. Freischaltbarer Content wie Charakter-Artworks oder Musikstücke sorgt für zusätzliche Motivation. Jedoch kommt gerade der Storymodus mit seinen stets in Standbildern vorgetragenen Dialogen ein wenig trocken daher. UNDER NIGHT IN-BIRTH II Sys:Celes ist dennoch ein klarer Genre-Geheimtipp und daher absolut einen Blick wert.
- Umfangreiche Tutorials
- 24 sehr unterschiedliche Charaktere
- Interessante Grundgeschichte
- Tolle, handgezeichnete 2D-Charaktermodelle
- Stimmungsvolle Hintergründe
- Kampfsystem mit sehr viel Tiefgang, erfordert aber etwas Einarbeitung
- Großer Umfang durch unterschiedliche Spielmodi
- Fünf unterschiedliche Schwierigkeitsstufen
- Zahlreiche Farbgestaltungen der Kämpfer
- Hintergründe teils etwas detailarm
- Story wird eher trocken präsentiert und ist manchmal auch unfreiwillig komisch
- Pro Figur nur ein Kostüm
- Insgesamt sehr ähnlich zum Vorgänger
Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.