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Cyberpunk 2077: Erwartung - Hoffnung - Ernüchterung? So sehen wir das Spiel heute

Von Tjark am 15. März 2022

Es war eines der am meisten erwarteten Spiele der vergangenen Jahre und zum Release war Cyberpunk 2077 dann trotz mehrerer Verschiebungen in einem alles andere als optimalen Zustand – gerade auf den Last-Gen-Konsolen – um nicht zu sagen, es war ein echter Trümmerhaufen. Nun wurde vor kurzem mit Patch 1.5 ein wegweisender Schritt getan und viele kleine Dinge, die die Fans gestört haben, wurden beseitig, verbessert oder ergänzt, sodass es nun durchaus sinnvoll ist, noch einmal einen Blick auf Cyberpunk 2077 zu werfen. Da der Release nun schon einige Zeit her ist und auch innerhalb des Teams viele verschiedene Meinungen vorherrschen, wollen wir euch hier anstatt eines regulären Reviews eine kleine Auflistung der unterschiedlichen Eindrücke geben, die wir auf unserer Reise durch Night City gesammelt haben, sowohl vor als auch nach dem neusten Patch.

Daniel

Ich hatte das Glück, meinen Ausflug nach Night City zum Release nicht auf PS4 oder Xbox One bestreiten zu müssen und hatte daher von Beginn an wenig Probleme mit der Technik. Die Version für Googles Streamingservice Stadia lief fast durchgehend stabil, sauber und ohne größere technische Schwierigkeiten, sodass Abstürze, Bugs und Ruckler mein Spielerlebnis nie wirklich getrübt haben. Dennoch war Cyberpunk in der Ur-Fassung auf für mich nicht perfekt. Auch, wenn mich die dichte Atmosphäre des Spiels, das trotz offener Spielwelt überraschend lineare Leveldesign und vor allem die großartig gezeichneten Charaktere ab der ersten Sekunde abgeholt haben, blieb immer wieder der Eindruck, dass das Rollenspiel niemals sein volles Potenzial entfaltet. Unwichtige Kleinigkeiten wie ein unsauberes Fahrgefühl auf der Straße, die ständig aufploppenden Telefongespräche, die nicht weggedrückt werden konnten, oder auch die am Ende doch enttäuschend kurze Spielzeit der Hauptstory waren dabei definitiv die kleineren Probleme. Besonders tragisch waren für mich vor allem zwei Dinge, nämlich die fehlende Großstadtatmosphäre der (MILLIONEN!!!!!) Metropole Night City und auch die zahlreichen großartigen Orte, die im Verlauf der Story einmal kurz besucht, innerhalb kürzester Zeit abgearbeitet und dann für immer vergessen wurden. Beste Beispiele sind hier der Arasaka Tower oder auch der Afterlife Club, die mit so viel Liebe zum Detail ausgestaltet wurden, eine wirklich umwerfende Atmosphäre mitbringen und leider eine viel zu nebensächliche Rolle spielen, da man sie zwischen der hektischen Ballerei gar nicht richtig genießen kann. Es wäre wirklich großartig gewesen, wenn man hier nach getaner Arbeit noch einmal zurückgehen könnte, um neue Winkel, Items oder Lore aufzuspüren und noch mehr über die Vergangenheit oder auch über die verschiedenen Fraktionen der Stadt zu erfahren. Gerade aufgrund der Tatsache, dass es bei mir eher grundlegende Spielentscheidungen als grobe technische Schnitzer waren, die mich hier und da etwas auf den Boden der Tatsachen geholt haben, hat Patch 1.5 meinen Blick auf das Spiel nicht wirklich verändert. Ich habe Cyberpunk sofort als großartiges Rollenspiel empfunden, das meinen Erwartungen allerdings nicht vollständig gerecht werden konnte. Daran ändern aber auch die (durchaus sinnvollen) Ergänzungen des Updates nicht viel, auch wenn es natürlich schön ist, dass ein paar mehr Autos auf den Straßen unterwegs sind oder man den eigenen Look nun auch im Nachhinein verändern kann.

Thomas

Cyberpunk war eines meiner Spielehighlights des Jahres 2020. Als Spieler des Pen & Paper Shadowrun war ich zuerst etwas enttäuscht, dass ich nicht als Drone Rigger Night City unsicher machen konnte. Aber ansonsten trifft der Blockbuster-Titel von CD Projekt Red das Genre und meinen Geschmack perfekt. In dem Sinne: Schmeiß den Lollipop weg, jetzt wird an geilen Waffen, Charakteren und Texturen geleckt. Und im Inneren steckt eine überraschend knisternde Brause-Story mit Starbesetzung und genialem Dauergeschmack. 80 Stunden Spielzeit auf einem einzigen Spielstand und Komplettierung der Weltkarte sprechen für sich. Auf dem PC gab es für mich direkt zur Veröffentlichung höchstens eine Hand voll Bugs und nur einer, der das Abschließen einer Mission betraf, hat mich kurz aus der Immersion dieser Dystopie geholt. Deswegen lautet meine Geschmacksbewertung: Lutsch den Lutscher für mehr Cyberspaß.

Tjark

Dem Hype gegenüber eher skeptisch startete ich erst auf direkte Empfehlung meine Reise durch Night City. Und ich muss sagen Cyberpunk 2077 hat mich sehr in seinen Bann gezogen, ich habe selten eine Einzelspieler-Kampagne so ausgiebig und an einem Stück gespielt. Ich verbrachte Wochen mit wenig anderem als mich in der Welt zu verlieren und zu versuchen, meinen imaginären Freund Jonny wieder loszuwerden. Hier war es vielleicht von Vorteil, dass ich im Vorfeld quasi nichts über das Spiel wusste und dadurch auch wenig Erwartungshaltung aufbauen konnte. Ebenfalls als PC-Spieler wurde ich von Bugs und größeren Spielbeeinträchtigungen weitestgehend verschont. Lediglich mein PC kam hörbar an seine Grenzen, was aber auch einem gewissen Anspruch an Grafik und Frameraten meinerseits geschuldet war. Meiner Meinung nach war auch das größte Problem an Cyberpunk nicht das eigentliche Spiel und seine Schwächen, sondern das betriebene Marketing und die daraus resultierende enorme Erwartungshaltung der meisten Spieler. Auch der Stand nach mehreren großen Verschiebungen des Releases war eher ernüchternd. Hier möchte ich nicht unbedingt den desolaten Zustand der Last-Gen-Versionen entschuldigen, aber sogar hier habe ich mit Leuten gesprochen, die keine Probleme hatten, oder diese zumindest als nicht schlimm empfanden.

Der jetzt erschienene Patch 1.5 ist der umfangreichste in einer Reihe von zunächst zügig gelieferten und notwendigen Hotfixes und kleinen Patches. Es werden einige Kritikpunkte ausgemerzt und Fanwünsche aufgegriffen. Dass der Charakter zum Beispiel im Nachhinein editiert werden kann, hat mich überhaupt erst wieder dazu gebracht, den Titel erneut anzufassen, da ich nun meinen eher mal schnell dahin gerotzten Charakter noch etwas ansehnlicher gestalten konnte. Und auch die Anpassung der Karte und die Aktivitätsbeschreibungen begrüße ich sehr. Aber die Änderungen am Fahrverhalten sind kaum merklich und so entsteht hier immer noch kein gutes Gefühl. Das ist über ein Jahr nach Release immer noch eher eine magere Ausbeute. Und auch die angekündigten Content-DLCs lassen leider noch auf sich warten, und nein, ich meine hier nicht die bereits erschienenen „DLCs“ mit drei Jacken. Von dem angekündigten Multiplayer hat man auch lange nichts mehr gehört, da sich zunächst auf das Beheben von Fehlern konzentriert wurde. Wie gesagt, ich hatte viel Spaß mit dem Spiel, finde aber, dass es dem betriebenen Marketing nicht gerecht wird und die von mir erhofften Erweiterungen, wie zum Beispiel der Multiplayer, lassen ebenfalls weiter auf sich warten.

Till

Nach all den Jahren des Wartens und der Verschiebungen war es am 9.12.2020 endlich so weit: Mein heiß erwarteter Titel Cyberpunk 2077 sollte endlich das Neonlicht Night Cities erblicken und mich in seinen Bann ziehen. Mein erster Blick fiel damals auf den stylishen Willkommensbildschirm, der mich rötlich anleuchtete und mir fette Beats um die Ohren ballerte. Ich war Feuer und Flamme für dieses Spiel, bevor es überhaupt startete. Und dann wurde es zuerst einmal ruckelig. So richtig ruckelig. Anfangs hatte Cyberpunk noch immense Probleme mit den damaligen AMD Ryzen CPUs und Raytracing auf einer Geforce 2070 Super war auch eher eine Hoffnung als eine Offenbarung. Dann jedoch war ich das erste Mal außerhalb meiner virtuellen Wohnung und konnte die Welt frei erkunden. Ich war begeistert von der Intensität und Fülle, die mir die Stadt bieten konnte. An jeder Ecke kleine und große Geheimnisse, Neonlicht und heftig pumpende Bässe. Der Detailgrad, in dem viele Missionen und Gebäude ausgebaut wurden, hat mich damals wirklich verblüfft. Auch die toll geschriebenen Geschichten und die vielen interessanten Charaktere, die man im Laufe der Spielzeit kennenlernt, sind mir in schöner Erinnerung geblieben. Das liebevoll ausgearbeitete Setting, das aus allen Poren Cyberdystopie atmet, sucht seinesgleichen.

Man muss nun dazu sagen, dass CD Projekt Red einen Marketinghype aufgebaut hat, dem dieses Spiel meiner Meinung nach niemals gerecht werden konnte. Leider wurde vonseiten der Publisher auch nie die genaue Zielgruppe klar umrissen. Cyberpunk 2077 sollte für alle sein und alles bieten. So das Versprechen. Zu meinem Glück muss ich sagen, dass es zwischen den Zeilen ziemlich nach Deus Ex klang und ich als langjähriger Fan dieser Reihe nicht enttäuscht wurde. Ich kann jedoch alle verstehen, die aufgrund des Marketings und des völlig unzureichenden technischen Zustandes auf den Last-Gen-Konsolen CD Projekt Red den Rücken kehren. Ich für meinen Teil sehe das riesige Potenzial, das Cyberpunk 2077 hat und welches aus Profitgier und aufgrund toxischer Arbeitsbedingungen nie ausgeschöpft wurde…

…bis jetzt? Denn nun kam, wie wohl der geneigte Leser weiß, der Soft Relaunch aka Patch 1.5. aka Samurai Edition. Schön, dass das Spiel jetzt mal rund auf der PlayStation 5 läuft, auch nett, dass die Menschenmassen nun einigermaßen auf das Umgebungsgeschehen reagieren. Und auch ganz schön, dass ich mir nun eigene Wohnungen holen kann. Längst überfällig sind das Überarbeiten der desaströsen Fahrphysik, die ist nun jedoch nur ein bisschen weniger desaströs, sowie das Anpassen meines Charakters auch nach Spielbeginn. All diese Verbesserungen hätte ich aber schon längst erwartet oder hätte ich wohl niemals erwarten müssen, weil sie in Open-World-Spielen schlicht selbstverständlich sind. So bleibt mir wohl nichts weiter übrig, als auf einen ordentlichen DLC zu warten, der Night City wieder aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Denn aufgrund mangelnder Langzeitmotivation verstaubt dieses zweifelhafte Meisterwerk nun leider auf meiner Festplatte.

Und eins noch: Dieser ominöse Mulitplayerpart. Ich war zwar vor Release verwundert, dass so etwas kommen soll, dann aber doch ziemlich gespannt und jetzt wohl nur noch ernüchtert, ob dieser wohl jemals erscheinen wird.

Tjark

Tjark

Hat seit dem Gameboy jede Handheld-Generation ausgiebig genutzt. Es stehen vorallem Coop- und Multiplayer-Spiele hoch im Kurs.