Amnesia Rebirth im Test: Der größte Gegner ist die eigene Angst
Horrorspiele lehren uns mit Monstern, Zombies und Geistern das Gruseln. Doch was, wenn die eigene Angst der Feind ist?
Immersion statt Monsterhorden
Schon vor der ersten Spielminute teilen uns die Entwickler von Frictional Games während eines Ladebildschirmes mit, dass Amnesia Rebirth kein Spiel ist, das man spielt, um zu gewinnen. Viel eher soll man sich in die Story einfühlen und diese erleben. Immersion wird hier also großgeschrieben. Amnesia Rebirth ist, wie die Vorgänger der beliebten Serie, darauf aus, den Spielern ein Erlebnis zu bieten.
Man erfährt die Geschichte aus der Egoperspektive, hat weder Lebensbalken noch Skilltrees.
Die Story des Spiels beginnt mit einem Flugzeugabsturz, nach dem die Protagonistin sich aus den Trümmern des Wracks kämpft, um in der nordafrikanischen Wüstenlandschaft nach Überlebenden und Antworten zu suchen. Wie der Titel des Spiels nahelegt, ist die Protagonistin zunächst von Amnesie geplagt und kommt erst schrittweise hinter die eigene Vergangenheit.
So gilt es, sich durch verlassene Gebäude und labyrinthartige Höhlen fortzubewegen. Dabei birgt jedes Areal einige Rätsel, die erledigt werden wollen, bevor die Reise weiter gehen kann.
Schon bald gelangt man als Spieler in eine düstere und mysteriöse Zwischenwelt, die aus einer H. P. Lovecraft Geschichte stammen könnte. Die Grenzen zwischen Realität und Übernatürlichem verschwimmen zunehmend. Man weiß nicht mehr, ob man seinen eigenen Augen noch trauen kann, denn steigt die Angst der Protagonistin, so beginnt sie Dinge zu sehen, die sie in den Wahnsinn und damit an das Ende des Spielerlebnisses treiben können. Es gilt also, Angst so gut es geht zu vermeiden. Dabei können verschiedene Dinge Ängste hervorrufen: sei es das Balancieren über metertiefe Abgründe oder der Fund einer Leiche. Der größte Feind ist jedoch die Dunkelheit. Zwar findet der Spieler im Laufe des Spiels immer wieder Streichhölzer und eine Öllampe, jedoch sind dies Ressourcen für Licht, die sehr schnell ausgehen. Es gilt also, mit den Lichtquellen sparsam umzugehen. Bleibt man jedoch zu lange in der Dunkelheit, beginnt der verängstigte Geist der Protagonistin dem Spieler Streiche zu spielen.
Die größte Waffe: Köpfchen
Die Rätsel, die dem Spieler gestellt werden sind allesamt recht knackig, aber stets fair und interessant. An wenigen Stellen kann das für etwas Frust sorgen, aber der Großteil der Rätsel ist gut ausbalanciert und angenehm fordernd.
Kommt es zu einer Begegnung mit einem der übernatürlichen Gegner, braucht man vor allem eines: eine ganze Menge Köpfchen. Wer unbedacht vorgeht, wird erwischt und das ist fatal, denn Waffen, mit denen man sich zur Wehr setzen könnte, gibt es nicht. Der Protagonistin bleibt nichts anderes übrig, als sich zu verstecken oder die Flucht zu ergreifen. Nimmt die Angst überhand, ist auch hier das Spiel schnell beendet.
Jumpscares sowie actionreichere Passagen sind mit Bedacht gewählt und erfrischend spärlich eingesetzt. Das Spielgefühl ist bestimmt von subtilem Horror und einem aus der Umgebung und der Dunkelheit erwachsenden Unbehagen.
Die Geschichte zieht schnell in ihren Bann und die verschiedenen Erzählebenen, sprich Vergangenheit und Gegenwart der Protagonistin, sowie die zu erkundende Geschichte des fremden Ortes sind sehr gut ineinander verwoben und spannend erzählt.
Hier schaffen es die Entwickler von Frictional Games, ein selten erreichtes Level an Immersion zu schaffen.
Amnesia Rebirth ist ein Erlebnis
Die unmittelbaren und daher so nachvollziehbaren Gefahren, wie auch die spannend erzählte Geschichte, machen Amnesia Rebirth zu einem rundum gelungenen Erlebnis. Die Spielerfahrung steht an erster Stelle und eben hier liegt die große Stärke des Spiels. Wo viele Genrevertreter das Gruselerlebnis durch überzogene Action oder Skilltrees verwässern, setzt Amnesia Rebirth auf die unmittelbare Wahrnehmung, ohne Ablenkung zuzulassen.
Sound und Grafik sind dabei jeweils ein sehr großer Faktor für das Gelingen dieser immersiven Spielerfahrung. Optisch gibt es wenig an Amnesia Rebirth zu meckern. Den einen oder anderen Bug kann man bei den wirklich sehr stimmungsvollen und durchweg gut animierten Schauplätzen verschmerzen. Gerade die lovecraftsche Zwischenwelt ist mehr als gelungen.
Spielt man das Spiel mit geeigneten Kopfhörern oder einer tauglichen Heimkinoanlage, ist das Erlebnis perfekt. Die klare und sehr gut eingesetzte Soundkulisse macht einen Großteil des Spielgefühls aus.
Dabei schaffen es Frictional Games sowohl die Spieler der Vorgänger durch eine behutsame und durchdachte Weiterentwicklung der Stärken der ersten Teile nicht nur bei der Stange zu halten, sondern auch zu beweisen, dass sie die beliebte Amnesia-Reihe gekonnt weiterentwickeln können.
Fazit
Für manche Spieler mag das Prinzip aus Rätsel lösen und sich vor der eigenen Angst fürchten keinen Reiz haben. Diese sind mit Action- oder Horrorspielen der Marke Resident Evil wahrscheinlich besser aufgehoben. Wer sich aber auf die Erfahrung einer Story, die zwar schon dagewesen, aber trotz allem sehr solide erzählt ist, einlassen kann, der findet in Amnesia Rebirth eine wirklich herausstechende Erfahrung. Hat Entwickler Frictional Games mit dem ersten Teil der Reihe Maßstäbe gesetzt und ein kleines Kultwerk geschaffen, so enttäuschen sie auch mit Amnesia Rebirth zu keiner Zeit. Action und Horror sind spärlich eingesetzt. Die wahre Hauptrolle spielt die Spielmechanik rund um die eigene Angst, die es zu vermeiden gilt.
Amnesia Rebirth schafft vor allem eines: ein Spielerlebnis zu erschaffen, das im Spieler wirklich Angst und Aufregung erzeugt.
- Durchweg gruselige und dichte Atmosphäre
- Interessante Geschichte
- Sehr erfrischende Spielmechanik und knackige Rätsel
- Manche Rätsel sind etwas zu happig
Leidenschaftlicher Zocker, der irgendwo zwischen Shootern, Plattformern, Action-Adventures und arcadigen Sportspielen zuhause ist. Zu den Lieblingsreihen gehören Resident Evil, The Last Of Us, Call Of Duty und GTA.