

Ritual of Raven im Test: Magie, Mondphasen und Maschinenliebe
Es gibt zwei Arten von Menschen, wenn es ums virtuelle Farmleben geht. Die einen wollen mit den Händen in der Erde wühlen, Karotten säen, im Sommer Tomaten gießen und im Herbst Kürbisse ernten. Die anderen wollen einfach nur einen Knopf drücken und zusehen, wie magische Helfer den ganzen Drecksjob erledigen. Ritual of Raven ist ganz klar für die zweite Gruppe gemacht. Hier gibt es keine mühsame Feldarbeit, sondern kluge Konstrukte, die wir mit Tarotkarten programmieren. Das klingt entweder wie ein entspannendes Feierabendspiel oder wie ein Praktikum bei einer okkulten Tech-Start-up-Firma.
Ob dieser ungewöhnliche Mix aus Magie und Mechanik wirklich aufgeht, klären wir im Test.
Ein Dorf, das nach Mondphasen lebt
Wir schlüpfen in die Rolle einer frisch angekommenen Figur in einer kleinen, liebevoll gestalteten Siedlung. Die Bewohner sind freundlich, ein wenig eigen und äußerst gesprächig. Anstatt uns mit einer Schaufel auszustatten, drückt uns das Spiel gleich ein magisches Kartendeck in die Hand. Diese Karten dienen als Steuerungsmodul für unsere Konstrukte, die dann Felder bestellen, Pflanzen gießen, säen oder ernten. Das Dorf lebt im Rhythmus der Mondphasen, und wer schon immer wissen wollte, wie Landwirtschaft und Astrologie zusammenpassen, bekommt hier eine Antwort. Die Hauptgeschichte schleicht sich sanft an, ohne uns direkt in epische Konflikte zu stürzen. Die Atmosphäre ist gemütlich, fast schon meditativ, und bleibt trotz vereinzelter ernster Themen immer leichtfüßig. Auch die Zeit tickt in Ritual of Raven. Wer allerdings einmal zu lange aufbleibt, erlebt keine Katastrophe wie in den Genrekollegen: Unsere Figur legt sich automatisch schlafen und startet am nächsten Morgen frisch, ohne dass es Nachteile gibt.
Tüfteln wie beim Programmierkurs für Anfänger
Das Herzstück des Spiels ist das Erstellen von Befehlsfolgen für unsere Konstrukte. Am Anfang steht die Karte „Bewegung“, mit der wir unsere Helfer in bestimmte Richtungen schicken können. Danach kommen Karten wie „Ernten“, „Pflügen“, „Bewässern“ und „Säen“ hinzu. Wir verbinden diese zu Abläufen, die unsere Konstrukte selbstständig ausführen. Mit der Zeit schalten wir komplexere Funktionen frei, etwa Schleifen, mit denen eine von uns angelegte Feldgruppe automatisch in einer Runde abgearbeitet wird. Später kommen If-Bedingungen dazu – so lässt sich festlegen, dass nur gewässert wird, wenn das Feld trocken ist, oder nur geerntet, wenn die Pflanze reif ist.
Das Ganze wirkt wie eine vereinfachte Form des Programmierens und macht gerade deshalb so viel Spaß, weil wir sofort sehen, wie unsere „Codezeilen“ in der Spielwelt zum Leben erwachen. Viele Konstrukte müssen wir uns erst verdienen: Mal gilt es, ein Rätsel zu lösen, mal steht uns nur eine begrenzte Anzahl an einsetzbaren Karten – beispielsweise maximal zehn – zur Verfügung. Diese kleinen Knobelaufgaben sind angenehm fordernd und bringen Abwechslung ins Automatisierungsparadies.
Pixel-Charme mit feinen Details
Die Optik kombiniert charmanten Pixelstil mit liebevoll animierten Details. Unsere Konstrukte wackeln fröhlich über die Felder, das Dorf wirkt wie ein Ort, an dem wir sofort nach einer Tasse Tee fragen möchten, und die Farbpalette passt sich subtil den Mondphasen und Tageszeiten an. Der Soundtrack plätschert sanft im Hintergrund und drängt sich nicht auf, hat aber genug Wiedererkennungswert, um hängen zu bleiben. Kleine Animationen wie wehende Blätter oder funkelnde Magieeffekte sorgen dafür, dass sich die Welt lebendig anfühlt.
Figuren mit Persönlichkeit
Auch wenn Ritual of Raven keine dramatische Weltrettungsgeschichte erzählt, steckt viel Herz in den Dialogen und Beziehungen zu den Dorfbewohnern. Manche Figuren sind exzentrisch, andere ernst, aber alle haben eine eigene Note. Die Gespräche sind angenehm geschrieben und laden ein, regelmäßig durchs Dorf zu schlendern, nur um zu hören, was es Neues gibt. Der Verzicht auf harte Zeitlimits verstärkt dieses Gefühl und lässt uns unseren eigenen Rhythmus finden.
Anders als die Genre-Kollegen
Während Stardew Valley und Co. uns mit prall gefüllten To-do-Listen und Zeitdruck auf Trab halten, gibt uns Ritual of Raven die Freiheit, den Tag weitgehend nach Lust und Laune zu gestalten – bis wir eben automatisch ins Bett fallen. Das macht es weniger zu einem klassischen Farming-Spiel und mehr zu einem Automatisierungs-Puzzle im Gewand eines gemütlichen Dorfsimulators.
Natürlich hat dieser Ansatz auch seine Grenzen. Wer knappe Fristen, saisonale Wettläufe oder anspruchsvolle Ressourcenplanung sucht, wird hier eher unterfordert sein. Dafür glänzt das Spiel, wenn es um kreative Problemlösungen geht. Die Tarotkarten-Mechanik bringt frischen Wind ins Genre und dieser frische Wind weht auch in die Technik und die kleinen Nebensysteme des Spiels hinein.
Auf dem PC läuft Ritual of Raven stabil und flüssig, auch wenn wir viele Konstrukte gleichzeitig in Bewegung setzen. Ladezeiten sind angenehm kurz. Kleinere Interface-Eigenheiten wie träge Menüs fallen auf, stören aber nicht nachhaltig.
Wer Abwechslung vom Programmieren sucht, findet sie in kleinen Nebentätigkeiten. Ein klassisches Crafting-System gibt es nicht. Stattdessen können wir unsere Angel durch Portale in andere Welten schwingen, um besondere Gegenstände zu erhalten. Diese lassen sich verkaufen oder für Rituale einsetzen. Auch Materialien, die wir in der Welt finden, dienen in erster Linie als Zutaten für eben solche Rituale. Das passt zur magischen Thematik und sorgt für kleine Ausflüge abseits des Feldalltags.
Fazit
Ritual of Raven ist wie gemacht für alle, die ihre Landwirtschaft mit einem Hauch Magie und einem kräftigen Schuss Bequemlichkeit betreiben wollen. Es überzeugt mit charmantem Setting, ungewöhnlicher Kernmechanik und einer ruhigen, fast meditativen Spielweise. Technisch solide auf dem PC, hübsch anzusehen und angenehm zu hören, lädt es ein, im eigenen Tempo zu spielen.
Es ist nicht perfekt, komplexe Wirtschaftssysteme oder extreme Gameplay-Abwechslung fehlen. Aber die Mischung aus Automatisierung, Exploration und Charakterinteraktion hat ihren eigenen Zauber. Und manchmal reicht das völlig für einen gelungenen Abend.
- Originelles Automatisierungssystem mit Tarotkarten und If-Bedingungen
- Charmantes Dorf und liebenswerte Charaktere
- Entspannende Atmosphäre ohne Zeitdruck
- Stimmige Pixeloptik und dezenter Soundtrack
- Motivation durch Rätsel und Freischalten neuer Konstrukte
- Mondphasen-Mechanik als nettes Gimmick
- Gute Balance zwischen Gameplay und Erzählung
- Wenig Abwechslung im Endgame
- Dialoge können für ungeduldige Spieler zu textlastig wirken
- Kleine Menüträgheiten
- Erkundung eher gemächlich

Webentwickler, Technik-Nerd und Gamer aus Leidenschaft seit der Kindheit, mit einem Faible für die komplette The Legend of Zelda- und Halo-Reihe. Dazu fast keine Konsolengeneration ausgelassen und auch sehr interessiert an Indie-Games.