Cris Tales im Test: Ein Abenteuer in mehreren Zeiten
Cris Tales ist eine Liebeserklärung an die großen JRPGs der Vergangenheit. Zusätzlich bekommt das ganze noch eine Zeitreisemechanik spendiert. Wie sich das verträgt und ob wir dadurch Zeitreiseparadoxen bekommen, erfahrt ihr im Test.
Wilde Reise durch die Zeit
Unser Abenteuer bestreiten wir in der Rolle der jungen Crisbell, einem Waisenkind aus dem ruhigen Dorf Narim. Als allerdings ein sprechender zylindertragender Frosch uns eine Rose stiehlt, gerät das ruhige Leben Crisbells völlig aus den Fugen. Wir schlittern in ein Abenteuer, in dem ein sprechender Frosch mit Zylinder, Goblins und Zeitmagier, die ihre außergewöhnlichen Kräfte für Alltagszwecke einsetzen, niemanden mehr besonders beeindrucken. Bei der Verfolgung von Matias dem Amphibienbegleiter, kommen wir in Kontakt mit Zeitkristallen, was sofort offenbart, dass Crisbell eine lang prophezeite Zeitmagierin ist. Sie hat nämlich die Fähigkeit, zeitgleich die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sehen. Als unser Heimatdorf Narim angegriffen wird und die Bewohner Crisbell und ihren Begleitern den Angriff zuschieben beginnt eine Reise über den ganzen Kontinent, auf der sich auch bald neue Verbündete und Feinde finden. Die liebevolle und durchaus auch herzerwärmende Geschichte wird uns sowohl in klassischen Dialogen als auch durch Anime anmutende Cutscenes nähergebracht. In den Dialogen haben sich auch einige Anspielungen und Hommagen versteckt, die sich auch an anderen Stellen der langen und fesselnden Story finden. Jeder Dialog – und sei es auch mit dem unwichtigsten Nebencharakter – ist dabei vollvertont, wenn auch „nur“ auf Englisch.
Ein klassisches JRPG
Die meisten Spielelemente erinnern an die eines klassischen JRPGs. Es gibt Dialoge mit Textboxen und Charakterportraits, eine frei erkundbare Weltkarte mit einzeln betretbaren Gebieten und häufigen zufälligen rundenbasierten Kämpfen, Haupt- und Nebenquests, Level-Up-Mechaniken mit freischaltbaren Fähigkeiten, … Ihr merkt, worauf wir hinauswollen. Diese klassischen Bausteine wurden aber so zusammengesetzt, dass wir eine moderne und einzigartige Spielerfahrung erhalten.
…oder etwa doch nicht?
Das signifikanteste Merkmal ist aber das Zeitreisen. Wie oben bereits erwähnt, können wir als Crisbell drei Zeitebenen auf einmal sehen und das wird uns als Spieler auch visuell vermittelt. Der Bildschirm wird kurzerhand gedrittelt, dabei sehen wir im linken Drittel die Vergangenheit, in der Mitte die Gegenwart und rechts die Zukunft. Diese Einteilung bleibt uns an den meisten Stellen erhalten, sodass wir eine Art optische Geschichtenerzählung bekommen. So können wir zum Beispiel einen NPC an den verschiedenen Stationen seines Lebens sehen. Dadurch wissen wir auch, welches Schicksal manche Charaktere oder Orte ereilen wird und können versuchen aktiv dagegen vorzugehen. Manchmal reicht es Personen vom bevorstehenden Unheil zu erzählen, ab und zu müssen wir einen bestimmten Gegenstand finden oder entwenden und wenn das nicht hilft, müssen wir auch mal zur aktiven Zeitreise greifen. Wir können als Crisbell nicht aktiv mit der Zukunft oder Vergangenheit interagieren, aber wir können unseren treuen Begleiter Matias in eine der anderen Zeitebenen schicken. Denn dieser kann sich dort in begrenzten Umfang bewegen, agieren und sogar Objekte mit in die Gegenwart bringen. Dies kann zum Beispiel dazu benutzt werden, um die Frucht eines gerade eben erst gepflanzten Samens zu ernten, um längst zerstörte Baupläne wiederzufinden oder um Informationen aus vergangenen Gesprächen zu erhalten. Wir müssen immer nur wissen, WO wir sein müssen, denn das WANN können wir bequem selbst herbeiführen. Wenn wir eine Aktion ausführen, die eine der Zeiten beeinflusst, so wird uns das sofort dargestellt.
Die Zeit der Kämpfe ist gekommen
In Kämpfen können wir unsere Zeitmagie ebenfalls verwenden. Hier ist der Bildschirm zunächst nicht dreigeteilt, sondern wir müssen aktiv diese Splittung herbeiführen. Die Aufteilung bleibt aber hier gleich, also links Vergangenheit, rechts Zukunft. Wir können damit direkt die Stärke der Gegner beeinflussen, wobei wir darauf achten müssen, auf welcher Seite sich dieser befindet. Ein Wolf wird zum Beispiel in der Vergangenheit zum eher harmlosen Welpen, aber in der Zukunft zu einem stärkeren Alphawolf. Natürlich lässt sich diese Mechanik auch mit anderen Fähigkeiten und Effekten kombinieren. Wenn wir einen Gegner vergiften, bevor wir die Zeit vordrehen, so erhält er den kompletten Giftschaden auf einen Schlag oder ein durchnässter metallischer Gegner wird rosten. Die dadurch möglichen Kombinationen sind teilweise recht kreativ und manche Kämpfe erfordern sogar ein solches Vorgehen, was dann wiederum einen Puzzle-Charakter hat. Ein Rätsel-Kampf ist auch so ziemlich das Erste, was wir in Cris Tales sehen, denn das Spiel hat einen eher ungewöhnlichen Einstieg und startet mit dem Kampftutorial, bevor uns überhaupt irgendeiner der Charaktere vorgestellt wird. Crisbells Zeitmagie ist allerdings nicht das einzig Zeitrelevante innerhalb der Kämpfe, denn wenn wir beim Angreifen/Verteidigen zur richtigen Zeit einen Knopf drücken, so können wir den Schaden maßgeblich erhöhen beziehungsweise verringern.
Optisch nimmt uns Cris Tales ebenfalls auf ein Abenteuer mit. Das ganze Spiel ist in einem handgezeichneten, aber nicht statischen 2.5D-Stil, á la Paper Mario, erschaffen worden. Die Hintergründe sind dabei übertrieben farbenfroh und auch nicht selten bizarr. Wir sprechen hier von roten Flüssen, 10 Meter hohen Türen und jeder Statik trotzenden Überhängen. Das Charakterdesign ist natürlich nicht minder variabel und skurril. Die Soundkulisse und der Soundtrack hebt den Stil auch für die Ohren hervor und ist passend wuselig.
Fazit
Cris Tales ist ein Spiel, auf das ich mich seit der Ankündigung auf der E3 2019 mit seinem Artstyle und der Zeitreisemechanik sehr gefreut habe. Die Entwickler von Dream Uncorporated haben eine Liebeserklärung an das Genre RPG mit einer fantastischen Geschichte und einem einzigartigen Stil geschaffen. Die Spielwelt ist voller bunter und liebenswerter Charaktere. Und das Zeitmagier-Thema passt erstaunlich gut zu einem JRPG.
Aber leider ist Cris Tales für mich nicht das Spiel, das ich mir erhofft hatte, denn neben diesen wirklich guten Punkten gibt es auch klare Schwächen. So sind die Kämpfe wenn man eine Strategie entwickelt hat sehr repetitiv und aufgrund der hohen Zufallskampfrate auch schnell ermüdend. Der Zeitpunkt um Angriffe beziehungsweise Blocks zu verstärken, ist meist recht schwer zu erkennen, da die Animationen nicht immer eindeutig sind. Das recht schwere Balancing, vor allem zu Beginn (häufige Encounter, viel Schaden von Monstern und wenig Heilmöglichkeiten), hilft nicht in die Kampfmechaniken einzusteigen. Dazu kommen, zumindest in der hier getesteten Switch-Version, die langen Ladezeiten, die bei jedem dieser Kämpfe circa fünfzehn Sekunden beträgt und einen immer wieder aus dem Spielfluss reißt. Diese Ladezeit tritt ebenfalls bei jeder anderen Screentransition auf. Dies kann in anderen Portierungen anders sein, bei der Switch Version fällt es negativ auf.
Für Fans von JRPGs, die vor keiner Herausforderung scheuen und sich auch nicht an eventuell längeren Ladezeiten stören, denen sei Cris Tales wärmstens empfohlen. Aber auch wenn man die guten Dialoge, farbenfrohe Welt oder Zeitreisen in einem RPG erleben will, ist man hier gut aufgehoben, solange man über einige Schwächen hinwegsehen kann.
- Herzerwärmende Geschichte
- Wunderschöne Welt
- Gut eingesetzte Zeitreise-Elemente
- Schweres Balancing (besonders am Anfang)
- Ladezeiten
- Hohe Encounterrate
Hat seit dem Gameboy jede Handheld-Generation ausgiebig genutzt. Es stehen vorallem Coop- und Multiplayer-Spiele hoch im Kurs.