Dakar Desert Rally im Test: Mit der gefährlichsten Marathon-Rallye ab durch die Wüste
Seit 1979 schon gibt es die Rallye Dakar, die ultimative Herausforderung für Mensch und Material. Während bei den herkömmlichen Rallyes der Weltmeisterschaft die komplette Renndistanz meist um die 200 bis 400 Kilometer beträgt, legen die tapferen Piloten der Dakar diese Distanz meist an einem einzelnen Tag zurück. Und das über mehr als zwei Wochen lang.
Trotz oder gerade wegen dieser beträchtlichen Herausforderung boomt die Dakar, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass hier absolute Profis ebenso wie reine Amateure ein großes Abenteuer erleben können. So sind in der Vergangenheit auch schon Rallye-Weltmeister wie Sébastien Loeb, F1-Star Fernando Alonso oder jüngst der ehemalige MotoGP-Pilot Danilo Petrucci durchaus erfolgreich dem Ruf der Dakar gefolgt.
Auch virtuell kann die Rallye auf eine lange Geschichte zurückblicken, welche im Jahr 2018 ihren bisher letzten Ableger erlebte. Doch nun steuert Saber Interactive mit Dakar Desert Rally ein neues Videospiel zur Marathon-Veranstaltung bei. Dabei können die Entwickler mit den beiden ebenso beachtlichen wie fordernden Offroad-Titeln Mudrunner und Snowrunner bereits ein ordentliches Know-how abseits der befestigten Wege vorweisen.
Klappt die Symbiose aus anspruchsvollem Gameplay jenseits jeder verzeichneten Straße und offizieller Dakar-Lizenz? Wir sind für euch in die Wüste gegangen.
Die Qual der Wahl
Im schick inszenierten Hauptmenü von Dakar Desert Rally erwartet uns neben den obligatorischen Online-Spielmodi als einziger Einzelspielmodus die Karriere. Auf den ersten Blick fehlen also die Möglichkeiten zu Einzelrennen oder Zeitfahrten, wie man es von Rennspielen gewohnt ist.
Doch wer hier direkt einen mangelnden Umfang befürchtet, der wird sehr schnell eines Besseren belehrt. Denn die Karriere ist dermaßen umfangreich, dass man hier gut und gerne Dutzende Stunden versenken kann.
Das beginnt bereits bei der Auswahl unseres ersten fahrbaren Untersatzes. Denn ein wesentlicher Faktor bei der Dakar bietet die Tatsache, dass hier mehrere extrem unterschiedliche Fahrzeugklassen gleichzeitig an den Start gehen. So treffen mächtige LKW auf pfeilschnelle Motorräder und wendige Quads auf reine Rennwagen, welche von herkömmlichen Fahrzeugen wie dem Toyota Hilux abgeleitet sind.
Insgesamt fünf Klassen stehen uns von Beginn an zur Auswahl, wobei wir neue Fahrzeuge mit gewonnenen Erfahrungspunkten kaufen können. Auch Reparaturen während oder nach einer Veranstaltung müssen wir mit diesen Punkten bezahlen. Doch selbst im Falle eines Totalschadens bleibt meist noch genügend übrig, um sich von Zeit zu Zeit neue Fahrzeuge leisten zu können.
In allen fünf Klassen stehen uns dabei eine Menge Fahrer und Vehikel zur Verfügung. Und es kommt noch besser, denn nicht nur die 2022er-Ausgabe ist abgebildet, auch viele Teilnehmer aus den Jahren 2020 und 2021 stehen zur Verfügung.
Und als Sahnehäubchen lassen sich dann auch noch einige legendäre Fahrzeuge wie der Peugeot 205 oder der Citroёn BX aus den 80er-Jahren freischalten. An Auswahl mangelt es jedenfalls schon einmal nicht.
Doch all diese Auswahl bringt nichts, wenn die Fahrzeuge sich allesamt gleich steuern. Glücklicherweise hat man dies bei Saber Interactive großartig gelöst. So unterscheiden sich sämtliche Karossen hinsichtlich Geschwindigkeit, Fahrverhalten und natürlich auch Robustheit.
Während ein mächtiger, aber auch sehr träger Truck so manchen Schlag wegsteckt, fliegen uns bei einem Unfall mit dem wendigen Motorrad direkt die Einzelteile um die Ohren. Dabei zeigt auch das Schadensmodell seine Stärke, denn nahezu alle Karosserieteile können nach und nach unsanft demontiert werden, was uns gerade zum Start der Karriere mehr als einmal auch gelungen ist.
Hinter der dritten Düne links
Zu Beginn unserer Dakar-Karriere werden uns in schön ausgeführtenTutorials zunächst einmal die Grundlagen beigebracht. Denn neben unserer Geschwindigkeit steht bei der Dakar vor allem die Orientierung im Fokus. Dabei greift man auf ein an die reale Rallye angepasstes System zurück.
Beim Start in jede Etappe gilt es also, verschiedene Checkpoints möglichst schnell abzuarbeiten. Natürlich stehen diese Kontrollpunkte nicht einfach winkend in der Gegend herum, sondern werden nur in unserem GPS sichtbar. Auf dem Weg dahin helfen uns diverse Navigationsangaben.
Was auf den ersten Blick ziemlich kompliziert aussieht, geht mit etwas Übung gut von der Hand und ergibt auch durchaus Sinn. So gilt es beispielsweise, bei Kilometer 16,73 auf 328 Grad in unserem Kompass einzuschwenken. Ein Pfeil auf der Notiz sagt uns dabei, dass wir zwischen zwei Felsen hindurchfahren und uns rechts an einem Baum vorbei orientieren sollen. Hilfreich gestalten sich dabei die Fahrspuren anderer Teilnehmer, welche bereits im Sand hinterlassen wurden und uns so manches Mal eine große Hilfe waren.
Verpassen wir doch einmal einen Checkpoint, so müssen wir mit einer deftigen Zeitstrafe rechnen. Bei drei verpassten Kontrollpunkten ist die Rallye allerdings für uns gelaufen. Das passiert dann manchmal doch schneller, als man denkt, denn wenn man einmal den Faden verloren hat, ist es tatsächlich nicht einfach, wieder auf die richtige Spur zu finden.
Hilfe erhalten wir dankenswerterweise noch in mehreren Formen. Im einfachsten Modus starten wir immer in einem großen Feld aus acht Fahrzeugen, sodass wir uns recht bequem an unseren Mitstreitern orientieren können. Zudem unterstützen uns einige Einblendungen und extra hervorgehobene Checkpoints, die man dann nicht mehr so leicht verfehlen kann. Sind wir in einem Fahrzeug mit Beifahrer unterwegs, so leiten uns zudem dessen Ansagen. Leider wurden diese nur auf Englisch vertont, eine deutsche Synchronisation fehlt hier aktuell noch.
Im Profi-Modus wiederum starten wir alleine in die Etappe. Viele hilfreiche Anzeigen sind hier deaktiviert, es gilt also nun den Weg selbst zu finden, was eine nicht unerhebliche Herausforderung darstellt. Ab und an treffen wir jedoch auf andere Teilnehmer, teils auch verschiedener Klassen, denen wir wiederum nachfahren können. Sofern die Kollegen natürlich den richtigen Weg kennen.
Hier zeigt sich eine der ganz großen Stärken von Dakar Desert Rally, nämlich die enorme Liebe zum Detail. Denn die KI-Teilnehmer bleiben durchaus ebenfalls mal stehen und versuchen, sich neu zu orientieren.
Auf jeder Etappe begegnen uns wie in der Realität auch Fahrzeuge aus allen anderen Klassen, auch solche, gegen die wir nicht direkt fahren. Wenn wir auf unserem Moped zusammen mit einem LKW und einem Buggy durch die Wüste streifen, kommt wirklich enorm viel Dakar-Feeling auf.
Vorwärts, ihr wüsten Gesellen!
Sind wir im Pulk unterwegs oder treffen mitten im Nirgendwo auf andere Teilnehmer, so fällt ein Fakt besonders auf. Denn unsere Gegner verhalten sich, als wären sie nicht bei der Rallye Dakar, sondern jenseits der Donnerkuppel aus Mad Max. Da wird gedrängelt, geschoben und in die Karre gefahren, dass wir uns teilweise schon fast bewaffneten Geleitschutz gewünscht hätten. Die aggressive Kl ist somit der erste echte Kritikpunkt an Dakar Desert Rally.
Glücklicherweise verzichtet Saber Interactive auf eine Gummiband-KI, sodass wir uns bei guter Fahrweise auch einen schönen Vorsprung herausfahren können. Sämtliche Teilnehmer unterliegen zudem ebenfalls dem Strafzeitensystem. So werden auch bei der Kl verpasste Checkpoints mit Zeitstrafen belegt. Sind die Schäden am Fahrzeug im Verlauf der Etappe zu groß, so müssen sowohl wir als auch die Kl-Gegner Reparaturpausen einlegen, welche wiederum auf die Gesamtzeit angerechnet werden.
Auch wenn wir also nur im Mittelfeld die Etappe beenden, können uns mit sauberer Fahrweise unsererseits die Zeitstrafen der Gegner noch weit nach vorne spülen. Wie bei der echten Dakar gilt also: Aufgeben gibt es nicht!
Jedoch ist schade, dass wir eine künstliche Grenze für den Fortschritt innerhalb einer Rallye haben. Erreichen wir nicht mindestens den achten Platz, müssen wir die Etappe erneut starten. Auch wenn wir im Verlaufe der umfangreichen Veranstaltungen einen Vorsprung von zig Minuten herausgefahren haben und eine schlechte Platzierung mit etwas Rückstand locker wegstecken könnten, hindert uns das Spiel hier am direktenWeiterkommen. Das hätte man tatsächlich etwas zugänglicher regeln können, zumal der Schwierigkeitsgrad an sich bereits recht hoch ist. Selbst wenn alle Checkpoints gut passen, man keine Strafzeiten kassiert hat und auch kaum vom Gas gehen musste, um sich vernünftig zu orientieren, ist eine Platzierung auf den vorderen Plätzen kein Selbstläufer.
Schnee am Kilimandscharo
Im Laufe der Karriere bestreiten wir eine Menge unterschiedlicherVeranstaltungen auf dem Weg zur echten Dakar. Jede Rallye kommt dabei mit mehreren komplett unterschiedlichen Etappen daher. Im Spielverlauf werden diese zudem immer länger. Fahrzeiten von sieben bis acht Minuten pro Etappe sind da schnell keine Seltenheit mehr.
Obwohl wir nur in Saudi-Arabien, dem Austragungsort der Rallye Dakar, unterwegs sind, ist enorme Abwechslung geboten. Wir durchstreifen weitläufige Wüstenlandschaften, passieren von mächtigen Felsen flankierte Canyons, entdecken Schiffs- und Flugzeugfriedhöfe oder malerische Palmenstrände.
In Summe lässt sich eines definitiv festhalten: Dakar Desert Rally sieht einfach großartig aus! Das beginnt bei den detailliert dargestellten Fahrzeugen, bei denen sogar an Details wie wehende Planen auf den Lastern gedacht wurde. Weiter geht es über die tollen Landschaften, das realistische Aufwirbeln von Sand durch die Reifen und das großartige Wetter-System.
Nicht nur die Wüste ist dabei unser Terrain, auch schneebedeckte Landschaften sind möglich. Natürlich inklusive eines ordentlichen Schneesturms, welcher unsere Sicht stark reduziert. Zudem sorgen mächtige Sand- oder sogar fiese Gewitterstürme sowohl für Abwechslung als auch für zusätzliche Herausforderung.
Dank unterschiedlicher Perspektiven behalten wir jederzeit den Überblick. Das gipfelt dann sogar im wahrsten Sinne des Wortes in einer Helikopterperspektive, über die wir die maximale Weitsicht auf wichtige Landmarkierungen erreichen können. Bei all der gebotenen Pracht ist es dann fast schon schade, dass Dakar Desert Rally zum Release weder über einenWiederholungs- noch einen Fotomodus verfügt. Gerade den Letzteren hätten wir uns ob der grafischen Opulenz mehr als einmal herbeigewünscht.
Doch wo Licht ist, ist dann doch auch in der Wüste noch ein wenig Schatten. Zwar läuft Dakar Desert Rally auch im gröbsten Getümmel flüssig, jedoch stören zumindest beim Durchfahren eines Checkpoints kurze, aber durchaus auffällige Nachladeruckler.
Sand im Getriebe
Allein schon durch die große Auswahl an unterschiedlichen Klassen bietet Dakar Desert Rally quasi fünf Rennspiele in einem. Und das wird dann auch noch mal verdoppelt, wenn wir statt im Pulk dann lieber klassisch als Einzelkämpfer in die Stages starten.
Um Erfolge zu feiern und vor allem auch die Bonusfahrzeuge freischalten zu können, ist es erforderlich, eine Rallye mit jeder der fünf Klassen zu gewinnen. Auch wenn die unterschiedlichen Vehikel sich allesamt differenziert steuern, bleiben die Routen der Etappen letztlich gleich. Nicht falsch verstehen, auch bei der Streckenführung bietet Dakar Desert Rally einen gigantischen Umfang und es dauert im normalen Rennbetrieb lange, bis wir die gleiche Ecke zweimal zu Gesicht bekommen. Wollen wir jedoch Zugriff auf die freischaltbaren Fahrzeuge, so müssen wir letztlich doch die gleichen Stages fünfmal abfahren. Hier greift dann leider eine Grind-Mechanik, die das Freischalten weiterer Inhalte auf lange Sicht doch etwas in Arbeit ausarten lässt.
Fazit
Insgesamt bin ich tatsächlich positiv überrascht, ja sogar schwerbegeistert von Dakar Desert Rally. Mit Fug und Recht kann Saber Interactive hier behaupten, die bisher beste Simulation der berühmtesten Marathon-Rallye der Welt abgeliefert zu haben.
Das beginnt bereits bei dem kolossalen Umfang mit fünf unterschiedlichen Fahrzeugklassen und einem Starterfeld, welches ganze drei Jahre umfasst. Es geht weiter mit der absolut fantastischen Optik, welche mehr als einmal Postkartenpanoramen auf den Bildschirm zaubert. Doch der Punkt, der mich am meisten beeindruckt hat, ist die enorme Liebe zum Detail. Wehende Planen auf den Lastern, aufwirbelnder Sand durch unsere Reifen oder auch die sehr realistische Umsetzung der Navigationsmechanik aus der echten Dakar sind hier zu nennen. Aber auch der Fakt, dass wir im Verlauf einer Etappe auf Teilnehmer anderer Klassen treffen, welche ja für uns spielmechanisch eigentlich irrelevant sind, aber trotzdem dargestellt werden, ist einfach großartig umgesetzt. Kleinere Abstriche gibt es jedoch durch die kurzen Nachladeruckler beim Durchfahren eines Checkpoints, die leider extrem aggressive KI, den insgesamt speziell für Anfänger schon recht gehobenen Schwierigkeitsgrad sowie die Problematik, dass wir immer eine bestimmte Platzierung erreichen müssen, um überhaupt weiterzukommen.
In Summe überwiegen jedoch klar die Vorteile von Dakar Desert Rally, die das Spiel nicht nur zum bisher besten virtuellen Vertreter der Rallye Dakar machen, sondern auch zu einem zwar recht anspruchsvollem, aber auch richtig tollen und vor allem sehr eigenständigen Rennspiel.
- Karrieremodus extrem umfangreich
- Fünf sehr unterschiedliche Klassen, welche alle ihre Daseinsberechtigung haben
- Großer Umfang im Starterfeld, auch dank freischaltbarer Fahrzeuge
- Grafisch sehr hübsch
- Gute Fahrphysik
- Viele, wirklich toll umgesetzte Details
- Anspruchsvolles, einzigartiges Gameplay dank gut umgesetzter Navigationsmechanik
- Extrem abwechslungsreiche Umgebungen trotz immer gleichem Austragungsort
- Unterschiedliche Spielmodi (Sport und Profi)
- Toll umgesetzte Witterungsbedingungen
- Detailliertes Schadensmodell
- Außerhalb der Karriere keine weiteren Modi
- Extrem aggressive Kl
- Nachladeruckler beim Passieren der Checkpoints
- Künstliche Grenze für Fortschritt während der Rallye
- Freischaltmechanik mit Hang zum Grinden
- Keine Wiederholung sowie kein Fotomodus
- Teils sehr fordernder Schwierigkeitsgrad
Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.