Life is Strange: True Colors im Test: Einmal Mitgefühl bitte
Nachdem am 9. September bereits der neuste Teil der Life is Strange-Reihe erschienen ist, wurde dieser nun auch auf der Nintendo Switch nachgelegt. Es ist damit der erste Teil, der auch mobil spielbar ist und auch in einem Stück erscheint. Ob uns der Ausflug mit Alex Chen gefallen hat, erfahrt ihr im Test.
Farbenfroh ist nicht immer gut
Diesmal spielen wir die junge Alex Chen, die nach einem achtjährigen Aufenthalt in einer Wohneinrichtung zu ihrem Bruder zieht. Dieser wohnt in einer kleinen Minenstadt in den Bergen Colorados namens Haven Springs. Die Stadt präsentiert sich zwar ländlich, hat aber alles, was man braucht und viele kleine und interessante Läden mit noch interessanteren Besitzern und Mitarbeitern. Da sich die Geschwister nun acht Jahre lang nicht gesehen haben und Alex gerade einmal 21 Jahre alt ist, wissen beide nicht, was auf sie zu kommt und wie der andere überhaupt ist. Diese Unsicherheit bekommen wir gleich zum Start eindrucksvoll vermittelt. Dazu kommt Alex besonderer Zustand, denn sie kann starke Emotionen bei anderen als farbliche Aura sehen. Bei besonders starken Gefühlen färben sich diese direkt auf Alex ab und sie durchlebt sie ebenfalls. Genau diese „Fähigkeit“ hat auch dazu geführt, dass Alex überhaupt erst so lange in Wohneinrichtungen und Kliniken untergebracht war. Ein ruhiges Leben mit ihrem Bruder in Haven Springs ist uns aber nicht vergönnt. Denn schon kurz nach Alexs Ankunft überschlagen sich die Ereignisse und wir als Spieler in ihrer Haut sind gezwungen, die ein oder andere schwerwiegende Entscheidung zu fällen.
Eigentlich alles beim Alten – nur besser
Das Gameplay ist auch im vierten Teil der Reihe weiterhin langsam und legt den Fokus auf eine intensive Story. Den Hauptteil verbringen wir mit dem Laufen durch die Spielwelt und der Untersuchung ebenjener. Dabei kann mit vielen Gegenständen interagiert werden, wobei wir meistens von Alex aber nur einen Kommentar zu hören bekommen, der uns hilft, sie besser kennenzulernen. Durch das freie Bewegen stehen uns aber auch haufenweise optionaler Dialoge oder Anspielungen und Easter Eggs zur Verfügung, die immer wieder Lust machen, die Welt noch weiter zu erkunden. An sich ist unser Ziel aber eigentlich immer Gegenstände finden oder leichte Rätsel lösen, um die Hauptgeschichte voranzutreiben. Unterschiedliche Aktionen wie zum Beispiel „anschauen“ und „ansprechen“ sind dabei auf unterschiedliche Tasten gelegt. In den häufigen Cutscenes und Dialogen können wir meist per Tastendruck Entscheidungen fällen oder Gesprächsoptionen wählen. Besonders wichtige Situationen werden dabei dadurch gekennzeichnet, dass man mit dem Stick gezielt eine Richtung wählen muss, die Farbe aus dem Bild entfernt und ein Blur-Effekt über die nicht gewählten Entscheidungen gelegt wird. Die besondere Mechanik ist diesmal nach Auren von besonders starken Emotionen zu „scannen“. Diese können dann auch genauer untersucht werden, um herauszufinden, um welches Gefühl es sich handelt. Sogar die vorherrschenden Gedanken der Person können wir hören und dann in Gesprächsoptionen darauf eingehen. Dadurch können Situationen entschärft werden, aber bei bestimmten Kombinationen auch noch mehr eskalieren. Hier wird es manchmal zum Problem, dass der „Teaser“-Text einer Option nicht immer ganz mit der Richtung des dann gesprochenen Textes übereinstimmt. Aber trotzdem wirken die uns gebotenen Optionen als die besten und bedeutsamsten der Serie. Selbst kleinere Dialoge besitzen mehr Tiefe und Einfluss auf die Umgebung. Die Immersion des Lebens in Haven wird noch dadurch verstärkt, dass wir an bestimmten Zeitpunkten oder als Reaktion auf Handlungen oder Geschehnisse SMS von anderen Charakteren erhalten. Diese werden zwar automatisch von Alex beantwortet, aber zeigen uns die Chemie und Verhältnisse zwischen anderen Bewohnern Havens und unserer Protagonistin. Genauso können wir in einem stadtweiten Blog mitlesen, auf dem sich rege über Feste, neue Verkehrsschilder oder die letzte Saufwette ausgetauscht wird. Mit einem Blick in Alexs Tagebuch können wir unsere eigenen Entscheidungen nachvollziehen, sehen was wir als nächstes Erledigen müssen, aber auch einiges über ihre Vergangenheit und ihre innere Gefühlswelt lernen. Mit True Colors haben wir auch den ersten Teil der Reihe, der nicht in Episoden erscheint, dass heißt, wir müssen nicht warten, bis der nächste Teil erscheint, sondern können sofort auf die gesamte Story zugreifen. Die Geschichte ist zwar trotzdem in Kapitel unterteilt, aber bietet mehr übergreifende Entscheidungen zwischen diesen.
Atmosphärisch im Rahmen der Möglichkeiten
Grafisch hat sich mit dem leichten Comicstil nicht sonderlich verändert und ist immer noch als ein Teil der Life is Strange Serie erkennbar. Dennoch ist er etwas in Richtung einer realistischeren Grafik geschoben worden. Auf der Nintendo Switch müssen hier leider Abstriche gemacht werden, damit die Hardware das Spiel flüssig wiedergeben kann. Unser Hauptcharakter und auch die meisten anderen Personen haben relativ hochaufgelöste und detaillierte Modelle, aber der Hintergrund wirkt meist sehr matschig. Das schadet zwar der Atmosphäre kaum und führt auch spieltechnisch zu keinen Problemen, aber fällt durch den hohen Kontrast zwischen Personen und Hintergrund häufiger auf. Der Soundtrack unterstützt die Gefühlsgewalt der Handlung wieder hervorragend. In besonders intensiven Situationen kommen die Lieder häufig in den Vordergrund und beschreiben mit den Liedtexten die Handlung beziehungsweise die Gedanken und Gefühle der Beteiligten.
Fazit
Für mich ist Life is Strange: True Colors der beste Teil der Serie. Es wurden viele kritisierte Punkte verbessert oder entfernt. Darunter der Episoden-Charakter der Spiele, der viele Entscheidungen einer Episode in der nächsten dann völlig belanglos gemacht hat, da man ja nicht jede Episode gespielt haben musste. Und auch das die Dialogoptionen mehr Tiefe haben und mehr auf den Punkt kommen, ist sehr willkommen. Dazu der gewohnt hervorragende Soundtrack, der uns immer in die richtige Stimmung versetzt. Die grafische Schwäche der Nintendo Switch ist zwar spürbar, aber wird gut abgefangen und ist nie wirklich negativ aufgefallen. True Colors ist wieder ein durch und durch berührendes Spiel mit großartigen Charakteren und einer mindestens genauso großartigen Spielwelt.
- Kein Episoden-Aufbau
- Flüssige Spielerfahrung
- Bessere Dialogoptionen
- Freiere Spielwelt mit viel zu Entdecken
- Leichte Grafikeinbußen (Switch)
- Dialoge enden nicht immer wie erwartet
Hat seit dem Gameboy jede Handheld-Generation ausgiebig genutzt. Es stehen vorallem Coop- und Multiplayer-Spiele hoch im Kurs.