Resident Evil Village im Test: Ethan Winters gegen ein Dorf voller Monster
Mit Resident Evil Village, dem mittlerweile achten Teil der Hauptserie, entfernt sich Entwickler Capcom weiter von den Wurzeln der Reihe und bedient sich dabei vor allem am eigenen Backkatalog. So entsteht ein Cocktail aus allen Vorgängern, der mal auf Action, mal auf Horror setzt. Aber kann dieser Flickenteppich überzeugen?
Neustart
Der Spieler beginnt seine Reise durch Resident Evil Village in der Idylle des Eigenheimes und der familiären Gemütlichkeit. Die Ereignisse setzen drei Jahre nach dem Ende von Resident Evil 7 an. Ethan Winters ist mit seiner Freundin Mia und Töchterchen Rose in einem europäischen Dorf heimisch geworden. Doch die Idylle wird schnell durch Chris Redfield und einen Trupp seiner Soldaten zerstört. Mia wird getötet und Rose entführt. Ethan selbst kann sich nur durch Glück befreien und findet sich in einem Dorf voller mutierter Wesen, namentlich Vampire und Werwölfe wieder. Die Mission ist schnell klar: aus dem Dorf entkommen und Tochter Rose finden. Dabei gilt es vor allem die Geschichte dieses heimgesuchten Ortes zu enträtseln und den dort vorgehenden üblen Machenschaften ein Ende zu setzen.
So trashig und abstrus die Story stellenweise auch ist, sie wird durch viele spannende Wendungen und eine wahnsinnig gute Inszenierung vorangetrieben. Oft greift man sich dank Logiklöcher und seltsamen Ereignissen an den Kopf, muss dem Ganzen aber eine gewisse Präsentation zugestehen, die über einige Mankos hinwegtröstet. So gilt: Hirn aus und genießen, denn man kann der Geschichte von Village einiges abgewinnen, wenn man denn bereit ist, einen comichaft überzogenen Plot zu akzeptieren.
Eine der großen Hauptrollen spielt die Kulisse selbst. Hier kann man sich auch nach mehreren Durchläufen einfach nicht satt sehen. Sowohl das Dorf selbst, als auch das wunderschön ausgestaltete Schloss Dimitrescu, Heim der aus dem Trailer bekannten Vampirlady, und auch die Fabrik, in die es den Spieler gegen Ende des Spieles verschlägt sind detailverliebt gestaltet und unvergleichlich in Szene gesetzt. Hier vermischt sich die Liebe zum Detail mit großartigem Leveldesign auf grafisch höchstem Niveau.
Auch die Soundkulisse samt der wirklich gut gewählten Deutschen Stimmen ist rundum gelungen. Man wird förmlich in das Spiel gezogen und kann sich nur schwer befreien, da Resident Evil Village dank perfektem Pacing, ausgewogener Action- und Rätsel-Abwechslung und einer Umgebung, die zum Erkunden einlädt ein sehr hohes Level an Immersion erreicht. Neben der perfekt getakteten Mainstory gibt es einige optionale Bossgegner und über das ganze Dorf verteilt eine Vielzahl an Schätzen und Materialien zu finden, die sich dann beim Händler in Waffenupgrades und wichtige Items umtauschen lassen.
Best Of Resident Evil
Alte Fans der Reihe werden sich schnell mit Setting und Steuerung zurecht finden. Schon zu Beginn fällt auf, dass viele “Quality Of Life” Verbesserungen vorgenommen wurden. So kann man Kisten und Fässer nun mit einem einfachen Tastendruck öffnen, die Menüs sind überschaubarer und geordneter und auch die Rätsel sind mittlerweile so ausgetüftelt, dass die langen Laufwege der frühen Teile entfallen.
Für Anhänger der Vorgänger gibt es im Spielverlauf einige Wiedererkennungsmomente, denn Resident Evil Village bedient sich vor allem an der eigenen Vergangenheit und schafft so einen wirklich ansprechenden Mix aus alten Stärken. Man nehme das Dorfsetting und den immer wieder über den Spielverlauf aufkreuzenden Händler, bei dem Waffen gekauft, verbessert und Items aufgestockt werden können, aus dem vierten Teil. Man addiere Protagonist und Gruselstimmung, sowie die Egoperspektive aus Teil sieben. Actionpassagen sind dem fünften, wie sechsten Ableger der Serie entliehen und die typischen Rätselpassagen gibt es seit den Anfängen.
Auch wenn viele den hohen Actionanteil bemängeln, muss ich sagen, mir gefällt der Flickenteppich aus allen Serien-Stärken doch sehr und ich finde die Mischung aus Gruselpassagen und Actioneinlagen spielt sich fantastisch und wirkt jederzeit stimmig und rund. Da die Ressourcen in Village doch Resident Evil untypisch reichlich vorhanden sind entfällt leider ein Wenig der “Survival” Aspekt und die damit verbundenen Herausforderungen. Wenn immer genug Munition für alle Gegner zu finden ist, macht das zwar, vor allem bei späteren Durchläufen, Spaß, ist aber etwas wenig Herausforderung. Wer sich hier unterfordert sieht, bekommt aber mit “Dorf der Schatten” einen Schwierigkeitsgrad geliefert, der dem eigenen Können alles abverlangt. Hier führt jeder Treffer fast zum eigenen Tod und auch die Gegner stecken einiges an Munition ein, was zu einer großen Ressourcenknappheit führt und den Überlebenskampf um einiges interessanter macht. Auch andere nützliche Items, wie die zur Wiederherstellung der eigenen Gesundheit nötigen Kräuter, findet man auf “Dorf der Schatten” weniger.
Aber neben all den bekannten Stärken gibt es auch einige Neuerungen. Resident Evil Village geht besonders beim Gegnerdesign offensichtlich neue Wege. Die Zombies, die Spieler durch den Großteil der Serie bekämpfen mussten, sind nun endgültig ersetzt worden. Jetzt gibt es andere Wesen zu bekämpfen und so zieht sich der Umbruch, der in Resident Evil 7 seine Anfänge fand, konsequent weiter durch.
Ballern statt Rätseln
Da das Spiel in vier große Hauptabschnitte aufgeteilt ist, die sich allesamt eigen spielen, bietet Resident Evil Village gerade für den ersten Durchlauf eine Menge Abwechslung, auch wenn man sagen kann, dass hier eher die Actionpassagen, als die Knobelaufgaben im Vordergrund stehen. Einigen Fans der alten Teile mag das wenig gefallen, aber auch diese sollten durch die optionalen Aufgaben einigen Spaß mit dem neuen Teil der Serie finden. Eines sollte jedoch von Beginn an klar sein: die Rätsel sind eher zweckdienlich als fordernd und selten erreichen sie das hohe Niveau der Serienanfänge.
Positiv zu bemerken ist allerdings, dass hier viele Gegenstände besser platziert sind als noch in alten Teilen und so scheint der sowieso schon typische Flow, mit dem man im New Game Plus durch die Level rennt und der sich bereits in vergangenen Spielen der Reihe zeigte, hier noch etwas ausgearbeiteter und ausgereifter. Man läuft keine Wege zweimal und weiß immer, wo es weiter geht. Da geht natürlich etwas Rätselstimmung verloren, alles in allem fühlt sich das aber dann sehr viel besser und dienlicher für den Spielfluss an.
Auch Bosskämpfe sind selten fordernd, da diese aber gut inszeniert sind, machen sie trotzdem eine Menge Spaß. Hier zeigt sich eher ein gutes Skript, als ausgearbeitete Spielmechaniken. Haushalten muss man auch hier mit der eigenen Munition nur wenig.
Dabei fällt vor allem auf, dass im Gegensatz zu Teil 7, sowie den Remakes von Resident Evil 2 und 3, hier der Schwierigkeitsgrad ordentlich zurück geschraubt scheint. Gerade erfahrene Zocker der Reihe sollten hier wenig Probleme haben sich auf allen Schwierigkeitsgraden durch die Story zu schießen. Für alle, die eine knackigere Herausforderung suchen gibt es dann noch den Mercenaries Modus.
Wiederspielwert und Mercenaries
Sehr positiv fällt dann der Wiederspielwert ins Gewicht. Denn auch wenn die Story linear ist und so wenig Anreiz zum erneuten Erleben bietet, gibt es doch durch festgelegte Herausforderungen für die weiteren Durchläufe und dadurch erspielte Punkte einen großen Motivationsfaktor für das von Anfang an verfügbare New Game Plus. Da sich Resident Evil Village, wie auch die meisten Vorgänger, sehr zum “schnellen Durchrennen” eignet, war ich hier schnell bei einigen Malen, die ich das Spiel ohne Spielspaßverlust durchspielen konnte. Um dann auf dem letzten Schwierigkeitsgrad “Dorf der Schatten” zu bestehen, braucht es dann volle Waffenverbesserungen und ein Wenig Übung. Sehr motivierend.
Als nette Dreingabe gibt es dann den Merceneries Modus, der eine spaßige Schießbude mit teils sehr ordentlichem Schwierigkeitsgrad darstellt. Kurzweilig kann man hier sicherlich Spaß haben, große Spieltiefe findet man hier aber nicht. Schade, dass so viele der Herausforderungen, die begehrte Punkte für den Boni-Shop liefern, an diesen Spielmodus gekoppelt sind.
DLCs sind bislang keine angekündigt, aber dank dem perfekt ausgearbeiteten Hauptspiel wünscht man sich die ein oder andere Story-Erweiterung sehnlichst. Ist Resident Evil Village mit all seinen Herausforderungen bezwungen, ist man noch lange nicht satt an Atmosphäre und Spielgefühl. Ich habe auch nach sechs Durchläufen das Spiel nur widerwillig liegen lassen und hoffe sehr auf mehr Input aus der Welt von Village. Auch das Ende des Spiels lässt auf einen Nachfolger hoffen.
Sightseeing im Horrordorf
Auch wenn Resident Evil Village für zwei Konsolengenerationen erschienen ist, sieht es auf der PlayStation 5 nach einem der grafisch besten Spiele seiner Zeit aus. Die abwechslungsreichen und unglaublich gut gestalteten Levels des Spiels laden des Öfteren zum Sightseeing und Staunen ein. Die liebevoll gestalteten Settings sind, nicht zuletzt dank Raytracing, wirklich eine Augenweide. Dabei ist zu bemerken, dass die Framerate sehr konstant gehalten wird und nur in wenigen Momenten merklich etwas in die Knie ging.
Die adaptiven Trigger des PlayStation 5 Controllers wurden teils sehr schön eingebunden, wirken an anderen Stellen aber noch etwas unbeholfen. Wer sich hier an den Widerständen der Trigger stört, kann diese aber auch im Menü ausstellen.
Fazit
Resident Evil Village bietet eine unglaublich gut inszenierte und immersive Story, die sowohl grafisch, als auch soundtechnisch beeindruckend umgesetzt ist und ein Händchen für gut geskriptete Momente beweist. So packend die Story auch erzählt ist, so sehr muss man sich auch mit einem hohen Trashfaktor, Logiklöchern und einer kleinen Prise Fremdscham abfinden. Wer hierüber hinweg sehen kann findet hier ein Spiel, das ein richtiges Erlebnis darstellt.
Die Serie schafft es dabei sich ein weiteres Mal neu zu erfinden und alle Stärken auszuspielen. Das Setting wirkt wirklich belebend auf die Reihe und so ergibt sich, wie schon bei Teil 7, ein gelungenes und rundes Spielerlebnis.
Dank hohem Wiederspielwert und einem unglaublichen Suchtfaktor ist Resident Evil Village die gelungene Mischung aus den Stärken der vergangenen Teile. Etwas mehr Survival und etwas weniger Action wäre das Sahnehäubchen gewesen. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn selten hat sich ein Spiel für mich so rund gespielt, wie Resident Evil Village. Auch nach vielen Durchläufen wollte ich es nicht gehen lassen und hoffe sehr auf baldige Erweiterungen. Definitiv ein Highlight der sowieso schon starken Serie.
- Inszenierung und Atmosphäre sind sehr gelungen
- Ein gelungener Mix aus den alten Teilen
- Hoher Wiederspielwert dank Herausforderungen
- Technisch einwandfrei
- Der Survival Aspekt fehlt auf Kosten der hohen Action
Leidenschaftlicher Zocker, der irgendwo zwischen Shootern, Plattformern, Action-Adventures und arcadigen Sportspielen zuhause ist. Zu den Lieblingsreihen gehören Resident Evil, The Last Of Us, Call Of Duty und GTA.