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Review

WRC Generations im Test: Von Abschied und Neubeginn

Von Alex Jung am 28. November 2022. Getestet auf PS5. Zum Spiel hier klicken.

Die WRC-Saison 2022 markiert sowohl in virtueller Sicht als auch in der Realität einen historischen Wendepunkt. So wurde in diesem Jahr mit der Rally1-Kategorie eine neue Königsklasse des Rallyesports eingeführt, welche neben den brutal starken Benzinmotoren zusätzlich auf einen unterstützenden Elektro-Antrieb zurückgreift. Zur neuen Hybrid-Klasse passt dann auch ganz gut, dass mit dem 22-jährigen, finnischen Supertalent Kalle Rovanperä gleich der jüngste Rallye- Weltmeister aller Zeiten gekrönt wurde, der in diesem Jahr mit seinem Toyota Yaris die gesamte Weltelite in Grund und Boden fuhr.

Auch virtuell stehen wir vor einem Umbruch. Ab der Saison 2023 übernimmt nämlich Codemasters die offizielle Lizenz zur WRC. Viele sind sicherlich schon gespannt darauf, was die Rallye-Experten und Schöpfer der legendären Colin McRae-Reihe aus dem Paket herausholen können. Gerade mit den beiden Simulationsgiganten Dirt Rally 1 und 2 hat man hier sicherlich schon eine gute Basis, auf der sich aufbauen lässt. Doch vorher steht uns mit WRC Generations das letzte Werk des bisherigen Entwicklerteams Kylotonn ins Haus. Zu Beginn noch klar im Schatten der alten Lizenztitel der italienischen Rennspielschmiede Milestone stehend, hatte sich die Reihe spätestens mit WRC 10 gut im oberen Feld der Rallyespiele eingefunden. Kann WRC Generations auf der finalen Powerstage noch einmal gute Punkte mitnehmen, oder haut man den Wagen wenige Meter vor dem Ziel doch in den Straßengraben?

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Du elektrifizierst mich

WRC Generations verfügt wie bereits seine Vorgänger auch natürlich über die aktuellste Lizenz im Rallyesport. Während die Spitzenklasse WRC nun durch die Hybridfahrzeuge der Rally1-Kategorie mit Leistungsspitzen von über 500 PS abgelöst wurde, finden wir in den Klassen Rally2 wie gehabt Boliden wie den Skoda Fabia oder den VW Polo GTI mit je rund 290 Pferdestärken. In der dritten Klasse Rally3 treten wir wieder mit einheitlichen Ford Fiestas an, die zwar nur über Vorderradantrieb verfügen, aber dennoch nicht langsam sind. So weit, so gut. Die größte Änderung erfahren wir natürlich bei der Top-Kategorie, denn die Rally1-Fahrzeuge von Toyota, Hyundai und M-Sport (Ford) verfügen nun dank des zusätzlichen Elektromotors über einen zuschaltbaren Boost. Hatten wir bisher rund 380 PS Leistung zur Verfügung, verschafft uns der Zusatzantrieb nun kurzzeitig über 500 PS. Sonnenklar, dass die Beschleunigung somit eine ganz andere ist. Dieser Schub kann in drei verschiedenen Kennfeldern genutzt werden. Mit der stärksten Einstellung haben wir zwar auch die beste Beschleunigung, jedoch lehrt sich unser Akku schneller als unser Beifahrer vorsagen kann. Zudem kann es uns passieren, dass uns aus engen Ecken heraus aufgrund der Mehrleistung dermaßen die Räder durchdrehen, dass wir direkt eine unfreiwillige Pirouette hinlegen.

Besser sind da schon die anderen Kennfelder, welche die Leistung in Summe moderater abgeben. Natürlich ist die Energie für den Boost nicht unbegrenzt. Unseren Akku laden wir durch Rekuperation auf, also durch die freigesetzte Energie, welche bei Bremsmanövern entsteht. Wie gut, dass diese auf einer Rallye-Stage öfters mal vorkommen. Diese Mechanik macht die ohnehin schon verdammt schnelle Spitzenklasse natürlich noch schneller. Gute Reflexe und vorausschauendes Fahren sind da oberstes Gebot. Ergänzt wird das offizielle Starterfeld wieder durch viele legendäre Fahrzeuge wie den Audi Quattro A2, Toyota Corolla WRC oder auch den VW Polo WRC. Diese Autos kennt man so allerdings auch schon aus dem Vorgängerteil. Die Neuzugänge halten sich hier zwar stark in Grenzen, überzeugen kann die Fahrzeugauswahl natürlich dennoch.

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Einmal um die Welt

Richtig Gas gibt WRC Generations jedoch bei den im Spiel enthaltenen Stages. Denn zusätzlich zu den 13 offiziellen Austragungsorten wie Schweden oder Japan gesellen sich Veranstaltungen hinzu, welche nicht mehr Teil des Kalenders sind. So findet beispielsweise wieder der einstige Zuschauermagnet Rallye Deutschland den Weg ins Spiel. Und dann gibt es auch noch die historischen Stages aus dem Vorgängerteil wie die Abschnitte der Rallye San Remo in Italien.WRC Generations präsentiert sich damit im Test als eine Art Best of der bisherigen Kylotonn- Seriengeschichte. Und damit kommen wir auch schon zum ersten kleineren Knackpunkt. Mit insgesamt 165 Stages ist der Umfang an sich wirklich enorm. Zudem sind sehr viele der Wertungsprüfungen wirklich schön gestaltet, fahrtechnisch durchaus anspruchsvoll und mit allerlei tollen Panoramen oder Sehenswürdigkeiten am Straßenrand aufgelockert.

Ist WRC Generations der erste Berührungspunkt mit der Reihe, so hat man wirklich eine großartige Auswahl, die seinesgleichen sucht. Hat man jedoch einen oder mehrere der Vorgängerteile bereits gespielt, stellt sich sehr schnell ein Deja-vu-Effekt ein. Das begünstigt natürlich den Einstieg ins Spiel, da man die Stages ja schon kennt, führt aber auch dazu, dass sich WRC Generations weniger wie ein neuer Teil anfühlt. Hier muss man aber natürlich zugute halten, dass sich die Wertungsprüfungen bei realen Rallyes ebenfalls im Laufe der Jahre wiederholen. Und auch ein Rundstreckenrennspiel mit Lizenz wie beispielsweise die MotoGP-Reihe bietet letztlich immer die gleichen Kurse.

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The same procedure as last year, Miss Sophie?

Starten wir eine neue Karriere, so erleben wir direkt wieder einen Deja-vu-Effekt. Dieser gerät jedoch deutlich gravierender als die sich wiederholenden Stages, denn er wurde 1:1 vom Vorgängerspiel übernommen. Dabei geht es noch nicht einmal um den Aufbau, bei dem wir zunächst bei einem der unterklassigen Teams anheuern, um unsere ersten Erfolge zu sammeln. Dies ist ja durchaus Standard im Genre. Nein, man hat hier einfach sämtliche Menüs und Darstellungen des Vorjahresteils unverändert beibehalten. So sieht unsere stimmungsvoll gestaltete Homebase exakt so aus wie die der letzten Saison. Auch das Testgelände, über das wir verschiedene Tutorials und Fahrtests bestreiten, blieb komplett unverändert. Weiter geht es mit dem Aufbau des Kalenders, der Menüführung und dem Forschungs- und Entwicklungsbaum, über den wir sowohl unser Team als auch unser Fahrzeug verbessern können. Auch hier hat man einfach alles unverändert übernommen. Prinzipiell spricht natürlich nichts dagegen, bestehende und gut funktionierende Mechaniken beizubehalten. Alles jedoch unverändert vom Vorjahr zu kopieren, ist dann doch etwas ideenlos und wirkt, als hätte man keine große Lust mehr gehabt, hier noch neue Dinge einzuführen.

Eine Änderung gibt es allerdings dann doch noch. So ist zwar der Lackierungseditor des Vorgängerteils wieder im Spiel enthalten, kann jedoch nur dann genutzt werden, wenn man ein Nutzerkonto beim Publisher Nacon unterhält. Tut man dies nicht, so haben wir keinerlei Zugriff auf die entsprechende Mechanik. Das ist sehr schade, denn sobald wir in der Karriere unser komplett eigenes Team führen möchten, müssen wir immer mit einem weißen Fahrzeug starten, das eher an einen Testträger als an ein Wettbewerbsauto erinnert. Unsere Motivation, ein eigenes Team zu managen und sich auch damit zu identifizieren, steigt damit natürlich nicht wirklich.

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The same procedure as every year, James!

Auch beim reinen Gameplay wagt WRC Generations im Vergleich zum Vorgänger nicht wirklich etwas Neues. Zwar bringen die Hybrid-Boosts der Rally 1-Kategorie etwas frischen Wind in das Handling, dessen ungeachtet bleibt das Fahrgefühl generell unverändert. Und das bedeutet leider auch, dass sich die Fahrzeuge nach wie vor ein wenig schwammig steuern. Hier ist definitiv Eingewöhnungszeit vonnöten. Wie gehabt können wir wieder auf verschiedene Kameraperspektiven zurückgreifen, wie die obligatorischen Cockpit- oder Verfolgeransichten. Besser wurde das Spielgefühl im Test dabei tatsächlich mit der Motorhaubenperspektive. Hier hatten wir einfach deutlich mehr Übersicht, während wir mit mehr als 100 Sachen über enge Landstraßen und Feldwege heizten. Denn jede noch so kleine Berührung mit der Streckenbegrenzung kann unser Auto aus der Bahn werfen. An dieser Stelle  zeigt sich wie bereits im Vorgänger der Simulationsanspruch der Reihe.

Da man auch bei WRC Generations auf eine Rückspulfunktion verzichtet, ist speziell für Einsteiger durchaus Frustgefahr vorhanden. Für anspruchsvolle Piloten stehen auch wieder unterschiedliche Schadensauswirkungen zur Verfügung, welche schließlich auch in der Möglichkeit münden, unser Auto komplett zu zerstören und damit die Rallye aufgeben zu müssen. Bei der grafischen Darstellung des Schadensmodells besteht jedoch noch Luft nach oben. Hier hatte vor kurzem zum Beispiel Dakar Desert Rally gezeigt, wie gut umgesetzt ein solches aussehen kann.

Auch grafisch macht WRC Generations keinen großen Sprung mehr nach vorne. Die Fahrzeugmodelle sind schön umgesetzt, genauso wie die Umgebungen. Jedoch fallen mittlerweile schon einige recht matschige oder detailarme Texturen auf, was natürlich auch dadurch begünstigt wird, dass man viel eben nahezu unverändert aus dem Vorgänger übernommen hat. Richtig schade ist dabei, dass die Regeneffekte im Spiel keine Auswirkung auf unser Fahrzeug haben. Zwar können wir einen Scheibenwischer aktivieren, doch wirklichen Niederschlag auf der Frontscheibe gibt es nicht. Hier wird der Simulationsanspruch der Reihe dann doch nicht konsequent zu Ende gedacht. Keinen Fortschritt gibt es dann schließlich auch noch im Bereich des Sounds. Nach wie vor klingen die Motoren zwar gut, aber insgesamt zu dünn. Während in der Onboard-Perspektive die Akustik inklusive der singenden Getriebe ganz gut getroffen wird, bleiben die Auspuffgeräusche in Summe deutlich hinter den realen Vorbildern zurück.

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Fazit

WRC Generations ist wahrlich ein Best of der langen und nicht immer unumstrittenen Kylotonn-Seriengeschichte. Doch ich finde es durchaus schön, was die Entwickler im Laufe der Jahre aus der Reihe herausgeholt haben, auch wenn einige Baustellen wie beispielsweise das etwas schwammige Fahrgefühl insgesamt geblieben sind. Im Test kann der letzte Teil vor allem mit einem sehr großen Umfang an Fahrzeugen und Stages überzeugen. Jedoch gibt es im Vergleich zum Vorjahresteil außer des neu eingeführten Hybrid-Boosts bei der Königsklasse Rally1 letztlich zu wenige Neuerungen, um sich klar von diesem abheben zu können. Als Neueinsteiger in die Serie ist WRC Generations sicherlich das beste Komplett-Paket. Hat man jedoch bereits Titel der Reihe gespielt, bietet dieser Teil abseits der aktuellen Lizenz zu wenig Alleinstellungsmerkmal, um sich klar abheben zu können.

Pro:
  • Großer Umfang inklusive aller offizieller Teams der Saison 2022
  • Enorme Auswahl an Strecken, auch abseits des offiziellen Kalenders
  • Stages sehr schön und abwechslungsreich gestaltet
  • Umfangreiche Auswahl an Fahrzeugen und Teams
  • Simulationslastiges Gameplay
Contra:
  • Grafisch mittlerweile doch etwas betagt
  • Steuerung immer noch etwas schwammig
  • Karrieremodus unverändert zum Vorgänger, inklusive Teamzentrale und Menüführung
  • Sound der Fahrzeuge nach wie vor sehr dünn
  • Noch immer keine Karriere direkt in der Rally1-Klasse möglich
Gameplay:
3 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Grafik:
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Sound:
3 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Atmosphäre:
4 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Unsere Wertung: 7.5 / 10
Spiel getestet auf: PS5
Alex Jung

Alex Jung

Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.

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