Agatha Christie – Mord im Orient-Express im Test: Abfahrt zur traditionellen Moderne
Mit Agatha Christie – Mord im Orient-Express ebnet Microids dem Meisterdetektiv Hercule Poirot zum zweiten Mal in diesem Jahr den Weg in die Gaming-Laufwerke. Während in dem kürzlich erschienen Agatha Christie – Hercule Poirot: The London Case der noch junge Belgier seine Fähigkeiten in einem eigens neu kreierten Fall unter Beweis stellte, verfolgt der bekannte Romanheld aus der Feder der Queen of Crime nun einen ganz anderen Ansatz. Der deutlich erfahrenere Ermittler wagt nämlich mit seinem weitbekannten Kriminalfall rund um den namensgebenden Zug den Sprung in die Neuzeit. Ob diese Kombination aus Altbewährtem und Fortschritt aber auch gut harmoniert, ermitteln wir mit euch in unserem Test.
Eine Zugfahrt, die ist mörderisch
Als Meisterdetektiv hat es Hercule Poirot nicht immer leicht. Gerade noch genießt er nach dem erfolgreichen Abschluss eines Falls seine wohlverdiente Verschnaufpause in Istanbul, als er im nächsten Moment schon wieder in einer anderen dringlichen Sache zurück nach London zitiert wird. Obwohl die aktuelle Entwicklung dieses Sachverhalts für ihn keinesfalls überraschend kommt, zögert er natürlich nicht, die Rückreise anzutreten. Da macht es sich gerade gut, dass er zufällig son ami Bouc getroffen hat und ihm dieser prompt eine Mitfahrgelegenheit im demnächst abfahrenden Orient-Express anbietet, kaum dass er von dem Notfall gehört hat. In seiner Position als Direktor der Eisenbahngesellschaft ist es schließlich ein Leichtes für ihn, seinem Freund einen Platz in seinem Zug zur Verfügung zu stellen. Naja — zumindest sollte man das meinen. Kurz darauf müssen Bouc und Poirot jedoch erstaunt feststellen, dass das Schienenfahrzeug für diese Jahreszeit außergewöhnlich stark ausgebucht ist und es quasi kein freies Abteil mehr gibt. Die extreme Nachfrage scheint wohl dem 140. Jubiläum des luxuriösen Traditionszugs geschuldet zu sein, bei dem zur Feier des Tages ganz klassisch eine altbewährte Dampf-Lokomotive auf der Strecke eingesetzt wird. Allen Widrigkeiten zum Trotz gelingt es Bouc dank seiner Chef-Position dennoch, Wort zu halten, und Poirot im Orient-Express unterzubringen.
Kurz darauf rattern schließlich die eisernen Wagenräder zügig auf den Schienen in Richtung Calais los. Doch Poirots Rückreise scheint weiterhin unter einem schlechten Stern zu stehen, denn in den Bergen in der Nähe von Vinkovci stellt sich ihm die nächste Hürde im wahrsten Sinne des Wortes mitten in den Weg. Eine große Lawine hat die Gleise unter sich begraben und hindert den Orient-Express fortan an der Weiterfahrt. Zudem breitet sich neben dem äußerlichen Frost auch eine andere Art der Kälte im Inneren des Zuges aus, denn plötzlich wird ein Passagier tot aufgefunden. Es handelt sich dabei unverkennbar um Mord – und um den Mann, der gerade erst damit gescheitert war, Poirot mit dem Schutz seiner Person zu betrauen. Die vorliegenden Indizien sind seltsam widersprüchlich, doch ein erschreckender Fakt kristallisiert sich sehr schnell heraus: Der Mörder konnte angesichts der unerwarteten Schneeblockade den Zug nicht ungesehen verlassen, geschweige denn fliehen. Somit muss er sich also immer noch unter den Fahrgästen befinden! Und dann gibt es da noch die mysteriöse junge Dame, die bereits zuvor ins wachsame Detektivauge gefallen war und kurz nach dem Mord bewusstlos entdeckt wird. Was hat es mit ihr auf sich? Vollkommen abgeschnitten von der Außenwelt bleibt Hercule Poirot wohl nichts anders übrig, als wieder einmal selbst zu ermitteln…
Die neue Technik
Anders als die Romanvorlage spielt Agatha Christie – Mord im Orient-Express im Jahr 2023. Damit verfolgt das Entwicklerstudio Microids Lyon einen ähnlichen Ansatz wie BBC bei der gelungenen Serie Sherlock, in der Sir Arthur Conan Doyles Romandetektiv mit Benedict Cumberbatch vom 19. Jahrhundert in die Neuzeit transferiert wurde.
Nun ist es bei einem so prägnanten Schauplatz wie dem traditionellen Orient-Express gar nicht so leicht, einen ähnlich guten Sprung zu schaffen, ohne komplett mit der Basis zu brechen. Ein moderner Zug hätte für die vorliegende Geschichte einfach nicht denselben Stellenwert wie die klassische Dampf-Lokomotive. Die Integration eines Jubiläumsonderzugs erklärt jedoch auch in 2023 schlüssig, warum ein solcher Zug eingesetzt wird, der optisch wunderbar den Bogen zu der Romanvorlage spannt.
Dennoch finden wir überall Dinge, die die moderne Zeit auch glaubwürdig repräsentieren. So sieht man im Vorbeifahren durch die Zugfenster auch mal Windräder vorbeiziehen. Dann etwa besitzt Poirot ein Smartphone. Die Nachricht, dass er zurück nach London kommen soll, erhält er, passend für das neuzeitliche Setting, also per Handy und nicht mittels Telegramm wie im Roman. Auch nutzt er das Gerät, um mangels fehlender polizeilicher Spurensicherung selbst Fotos von Tatort und Beweisen zu machen sowie manch Verdächtigen mit etwas zu konfrontieren. An anderer Stelle beschwert er sich in Gedanken, als der Zug durch die Lawine feststeckt, warum er nicht einfach geflogen ist. Zudem streuen die anderen Passagiere ebenfalls ergänzende Details ein. So ist einer von ihnen beispielsweise ein Automobilhändler für Elektroautos. Trotz all der Moderne finden wir aber hin und wieder auch Anspielungen in genau die andere Richtung. Zum Beispiel fällt in einem Gespräch die spitze Bemerkung, dass einer der Passagiere wohl im Jahr 1934 stehen geblieben ist – dem Erscheinungsjahr der Romanvorlage. Ein wirklich schönes Detail. Um allerdings auch in der modernen Zeit das für einen Krimi zumeist typisch abgesteckte Szenario beizubehalten, befindet sich der Zug selbstverständlich genau dann in einem Funkloch, wenn die Lawine ihn zum Halten zwingt. Somit hilft selbst die modernste Technik den Insassen des Orient-Express‘ nur wenig. Der Personenkreis bleibt gleich, weil die Fahrgäste technisch bedingt keine Hilfe von außen herbeirufen können. Natürlich war die Romanvorlage an der Stelle schon dankbar, denn auch im Original bleibt der Zug mitten im Nirgendwo der Berge stecken – wo ein Funkloch gar nicht so abwegig erscheint.
Die Geschichte in Agatha Christie – Mord im Orient-Express ist stark an das Original angelehnt. Manche Formulierungen und Entwicklungen besitzen daher einen charmanten Wiedererkennungswert, wie beispielsweise die Feststellung, dass lauter Fremde für die Zeit der Zugfahrt zusammengebracht werden. Anderes wiederum wurde leicht angepasst. Hierbei lässt sich insbesondere die Aufteilung des Zuges nennen. Während im Roman lediglich ein großer Waggon der Hauptschauplatz der Geschichte ist, ist es im Spiel der gesamte Zug mit mehreren Abteilen. Diese Anpassung räumt uns bei der Erkundung im Spielverlauf deutlich mehr Freiraum ein und sorgt für einen besseren Spielfluss aufgrund der Abwechslung. Zudem ist die Erzählung erweitert worden und wartet auch für Kenner der Vorlage mit Neuland und überraschenden Wendungen auf. So begegnet uns in der Person von Joanna Locke beispielsweise eine Figur, die im Ursprung nicht vorkommt. Mit ihr als zweiter detektivischer Spielfigur erhalten wir die Möglichkeit, in Rückblenden in einem Fall außerhalb des Orient-Express‘ zu ermitteln. In diesen Passagen begegnen uns zwangsläufig noch mehr moderne Elemente, wie zum Beispiel Autos und Computer, da hier natürlich mehr Design-Freiheiten vorliegen als es in den Zugabschnitten möglich ist. Die Erweiterungen sind, wie der bekannte Teil aus der Romanvorlage, spannend erzählt und beide Erzählstränge fügen sich schließlich zu einem runden, stimmigen Gesamtbild zusammen. In Summe ist also ein wirklich sehr guter Spagat zwischen Altem und Neuem gelungen.
Eine Ermittlung kommt selten allein
Das Erzähltempo ist eher gemächlich gehalten, da man sich, wie im klassischen Krimi, hauptsächlich auf die Fallaufklärung konzentriert, die ja eine genaue Betrachtung und somit eher Ruhe benötigt. Dennoch wird das Gameplay zwischendurch genau mit der richtigen Prise Action gewürzt. An der Stelle möchten wir allerdings nicht zu viel verraten, um die Spannung nicht zu nehmen.
Den Großteil des Spiels verbringen wir also damit, die Schauplätze abzulaufen, um sie an vorgegebenen Stellen in bester Point&Click-Manier zu untersuchen und auf diesem Weg Informationen einzuholen. Hierbei warten auch allerhand abwechslungsreiche und kurzweilig gestaltete Rätsel darauf, von uns gelöst zu werden. So müssen wir öfter einmal Sachverhalte anhand der reinen Beobachtung und dem, was wir aufgeschnappt haben, konkretisieren, wie beispielsweise das Alter und die Herkunft einer Person. Dann wiederum gilt es, aus einem Sammelsurium an Indizien zusammengehörige Elemente zu verbinden oder Abläufe auf einem Zeitstrahl in die richtige Reihenfolge zu bringen. Stellt unser Detektiv in der Aussage eines Verdächtigen eine Lüge fest, ist es an uns, unser Gegenüber mit der zweifelhaften Passage zu konfrontieren und damit aus der Reserve zu locken.
Neben den reinen, eher typischen Ermittlungsaufgaben warten aber auch andere Denksportaufgaben nur darauf, von uns geknackt zu werden. Offenbar hat Poirot das Motto „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ mal eben schnell auf Detektive ausgeweitet, denn es kommt relativ häufig vor, dass er den anderen Charakteren erst bei einem Problem helfen muss, bevor sie weiter mit ihm reden. Fans von Escape-Room-Rätseln dürften bei den Fragestellungen locker auf ihre Kosten kommen. So ist beispielsweise das Entschlüsseln von Codes genauso im Repertoire wie Puzzlerätsel, um den Kühlschrank à la Tetris bis zum letzten Winkel optimal auszunutzen oder die Zahnräder der Saftpresse wieder lauffähig anzuordnen. Auch in den gestellten Anforderungen findet sich stimmig die Kombination von traditionellen und modernen Elementen des Settings wieder. So hantieren wir zur Lösungsfindung zum Beispiel sowohl mit einer analogen Waage herum als auch mit einem Computer.
Manches Rätsel sorgt dabei durchaus für Kopfzerbrechen —alles in allem sind die Aufgaben mit Einsatz unserer kleinen, grauen Zellen aber gut lösbar. Hängen wir allerdings doch einmal, können wir uns mehrere Hinweise darüber anzeigen lassen, was zu tun ist. Aber auch ohne die Verwendung dieser Tipps gelangen wir spätestens durch reines Trial-and-Error schließlich irgendwann zur Lösung. Eine Falscheingabe hat letztlich keinerlei spielerische Auswirkungen. Alle gewonnenen Beweise werden in einer Mindmap niedergeschrieben. An gewissen Punkten müssen wir Informationen aber nochmals neu überdenken und Schlussfolgerungen ziehen, um in der Ermittlung weiter zu kommen. Zudem dient die Mindmap auch als eine Art Questlog, in der uns die anstehenden Aufgaben als weitere Hilfestellung angezeigt werden. Neben den storyrelevanten Aufgaben können wir unsere Beobachtungsgabe zusätzlich noch in einer optionalen Sammelaufgabe unter Beweis stellen. So ist in jedem der 14 Kapitel eine unterschiedliche Anzahl an goldenen Schnurrbärten versteckt, die wir suchen können. Dies gestaltet sich nicht immer so leicht, denn sie sind teils schon gut versteckt. Finden wir nicht alle im ersten Durchgang, können wir uns auch nach Abschluss der rund 12- bis 15-stündigen Ermittlung per Kapitelwahl nochmals auf die Jagd nach den verpassten Schnurrbärten begeben.
Auf den Blickwinkel kommt es an
Ähnlich wie bei dem diesjährig bereits erschienenen Poirot-Spiel ist das Charakterdesign von Agatha Christie – Mord im Orient-Express in einem hübschen Comiclook gehalten. Im Gegensatz zu Agatha Christie – Hercule Poirot: The London Case, bei dem wir aus einer isometrischen Perspektive auf die Begebenheiten hinab geblickt haben, erleben wir die Geschichte nun aber aus der dritten Person. Hier sind wir also noch ein wenig näher am Geschehen dran. Obwohl beide Entwicklerstudios einen Comiclook verwenden, heben sich die Designs deutlich voneinander ab. Während Blazing Griffin einen eigenständigeren Stil verwendet hat, orientiert sich der neuste Poirot-Ableger optisch eher an den neueren Film-Adaptionen von Kenneth Branagh, wie dem erst kürzlich im Kino erschienenen A Haunting in Venice. Auch der Orient-Express selbst weist eine gewisse Ähnlichkeit zu der Darstellung im gleichnamigen Film von 2017 auf. Trotz der Anlehnung handelt es sich aber keinesfalls um einen stumpfen Abklatsch, denn das Design besitzt durchaus genug Eigenständigkeit, schon allein durch die Integration der modernen Elemente.
Die Animationen in den Laufpassagen sind flüssig und harmonisch, auch dann, wenn Poirot es beim Türöffnen offenbar sehr eilig hat —schließlich reißt er sie immer sehr energisch auf. Diese Dringlichkeit sorgt insbesondere bei den WC-Türen natürlich schon einmal für den einen oder anderen Schmunzler. Eine kleine Unsauberkeit haben wir lediglich im Einzelfall festgestellt, als eine der Personen im Spielverlauf offenbar mal kurz über einen alternativen Auftritt im Exorzisten nachgedacht hat. Das abrupte Kopfdrehen in Richtung unserer Spielfigur ist allerdings wirklich kaum der Rede wert, denn es fällt in Summe sowie im Vergleich zu Poirots letztem Videospielauftritt nicht sehr stark ins Gewicht.
Auch in den Dialogen sind die Animationen rund und spiegeln die Emotionen gut wieder. Allerdings werden sie hier oftmals, wie bei einer Visual Novel, stilisierter dargestellt als bei der freien Erkundung. Dies passt aber durchaus zu einem Krimi mit Buchvorlage und auch zum gewählten Comicstil — zumal wir ja auch unseren Gesprächspartner, wie geschildert, manchmal mit Gesagtem konfrontieren müssen und für unsere Eingabe die Szene sowieso temporär einfriert. Überzeugen kann zudem die gesamte Spielwelt mit ihrem Design, genauso wie mit sehr schönen Beleuchtungseffekten und Spiegelungen. Des Weiteren sind überall Kleinigkeiten zu finden, die man vielleicht nicht sofort en detail wahrnimmt, die der Welt aber dennoch mehr Tiefe und Lebendigkeit verleihen. So finden wir zum Beispiel im Orient-Express in den Lagerkisten einzeln dargestellte Früchte oder Besitztümer der Reisenden, wie etwa Poirots Schnurrbartstab in dessen Kabine.
Der Ton macht die Atmosphäre
Weitere Lebendigkeit erhält Agatha Christie – Mord im Orient-Express durch den großartigen Soundtrack. Obwohl die Musik sich nicht penetrant in den Vordergrund drängt, geht sie ins Ohr und unterstreicht die Szenerie wirklich gut. So schafft es beispielsweise die elegante Salonmusik leicht, eine edle Stimmung zu kreieren, die wunderbar zum Setting des traditionellen, luxuriösen Orient-Express‘ passt. Es nimmt uns aber auch mal ein fröhlicheres Stück zu Beginn in Empfang oder es tragen uns dramatischere Einspielungen im Hinblick auf die Spannung weiter. Insbesondere bei Joannas Passagen ist die Sounduntermalung besonders hervorzuheben. Sie sorgt hier für eine bedrückend melancholische Atmosphäre, die ihrem Teil der Geschichte mehr als gerecht wird und uns emotional mit sich zieht.
Aber auch die Vertonung der Charaktere selbst ist gelungen. Da der Orient-Express ein internationaler Zug ist, ist es nicht verwunderlich, dass uns Reisende unterschiedlicher Nationalitäten begegnen. Als schöne Ergänzung ist deswegen ein leichter Einschlag der Herkunft bei den meisten Personen herauszuhören. Auch wurden ihre Eigenheiten gut dargestellt. So gibt es beispielsweise bekannte Fahrgäste wie die gutherzige, schwedische Missionarin, die exzentrische, russische Prinzessin oder den beflissentlichen, französischen Schaffner. Neben den aus der Romanvorlage vertrauten Personen fügen sich aber auch Neuzugänge wie Joanna nicht weniger authentisch ins Bild ein. Und natürlich ist Hercule Poirot selbst ebenfalls gut getroffen. S’il vous plait aber auch mit den typisch für ihn eingestreuten, französischen Wörtern, non? Naja, und dann darf natürlich auch so etwas Eigentümliches wie die komplette Überzeugung von sich und seinen Fähigkeiten keineswegs fehlen. Neben manchem Spruch, den er im Spielverlauf raushaut, kommen wir auch regelmäßig in einen unterhaltsamen sowie motivierenden Genuss, wenn er sich nach gelöstem Rätsel hochzufrieden absolut selbst feiert – und uns somit gleich mit.
Passend zu der internationalen Ausgangsbasis ist das Spiel in mehreren Sprachen spielbar. Schön hierbei ist, dass zumindest in der deutschen Sprachausgabe alle Texte übersetzt wurden. Die Dialoge, die zudem vollständig vertont wurden, genauso wie die Bildschirmtexte oder sogar die Beschriftungen bei den Rätseln. Die Übersetzung ist bis auf zwei kleinere Übersetzungsfehler quasi fehlerfrei. Doch auch hier ist der kleine Schnitzer vernachlässigbar, denn es wurde definitiv viel Mühe in die Lokalisierung gesteckt.
Fazit
Agatha Christie ist meine bevorzugte Schriftstellerin. Umso mehr freut es mich natürlich, dass ihre Geschichten trotz ihres Alters immer noch so präsent sind und gerade durch die neuen Film-Adaptionen bis hin in die Gaming-Welt letztlich nochmal Schwung bekommen haben. Auch, wenn die älteren Filme einen gewissen klassischen Charme besitzen und insbesondere Tod auf dem Nil mit Sir Peter Ustinov von 1978 meiner Meinung nach nahezu unerreichbar ist, haben mir die neuen Ansätze gefallen. In den älteren Verfilmungen gab es ja schließlich ebenfalls bereits Anpassungen im Vergleich zum Original — selbst bei genanntem Tod auf dem Nil oder der Miss Marple-Reihe mit Margaret Rutherford, die hier viel aktiver ist als ihr Roman-Alter-Ego.
Das klassische Setting neu aufzusetzen und in unsere Zeit zu transferieren, ähnlich wie bei der Serie Sherlock, bringt also zusätzlich frischen Wind hinein. Es birgt aber auch die Gefahr, dass man zu sehr mit der Vorlage bricht. Noch schwieriger wird es, wenn parallel dann auch neue Charaktere kreiert werden, die es in der Vorlage überhaupt nicht gibt. Doch in Agatha Christie – Mord im Orient-Express wurde wirklich gut gearbeitet. Alle Elemente gehen Hand in Hand und liefern ein rundum gelungenes Spiel. Der traditionelle Orient-Express wird stimmig in die Neuzeit integriert ohne aufgesetzt zu wirken. Parallel finden sich wiederum glaubwürdige Elemente, die unverkennbar anzeigen, dass die Geschichte auch wirklich in der modernen Welt angesiedelt ist. Charaktere und Spielwelt sind vor einem herausragenden Soundtrack glaubwürdig und charmant dargestellt. Abwechslungsreiche Rätsel als Kernelement des Spiels fordern für einen Krimi genau in richtigem Maß die kleinen, grauen Zellen, um nicht zu leicht, aber auch nicht frustrierend zu sein. Die Geschichte selbst wird spannend erzählt und besitzt einen großen Wiedererkennungswert, weil sie stark an die Romanvorlage angelehnt ist. Und dann gleichzeitig doch wieder nicht, denn das Spiel hält auch für Kenner des Originals, unter anderem mit einer weiteren Spielfigur, neue Passagen sowie Überraschungen parat, die sich gemeinsam mit dem Altbekannten bis hin zum Schluss in ein harmonisches Gesamtbild fügen. Ich muss sagen, ich bin wirklich positiv überrascht!
- Ausbalancierte, glaubwürdige Mischung aus traditionellem und modernem Setting
- Viele, abwechslungsreiche Rätsel
- Schwierigkeitsgrad der Rätsel fordernd, aber gut lösbar
- Großartiger Soundtrack
- Gut getroffene Charaktere
- Spannend erzählte Story mit hohem Wiedererkennungswert der Vorlage…
- …dennoch auch für Kenner des Originals neue Passagen und Überraschungen
- Zweite Spielfigur in Person von Joanna Locke
- Vollständige deutsche Übersetzung und Vertonung
- Tolle Licht- und Spiegeleffekte in der Umgebung
- Kaum nennenswerte Unsauberkeiten bei Animation und Übersetzung in Einzelfällen
Konsolenzockerin seit der Kindheit, bevorzugt auf der PlayStation. Zu den Lieblingsspielreihen gehören Grandia, Project Zero, Tomb Raider, Uncharted und Tekken, aber es finden auch gerne mal Indie-Titel den Weg auf den Bildschirm.