Diablo IV im Test: Ist es das erwartete Meisterwerk?
Kaum ein Spiel wurde über die letzten Jahre so sehnlich erwartet wie Diablo IV von Blizzard Entertainment. Nachdem sich die Fangemeinde rundum enttäuscht zeigte von Diablo Mobile, soll es jetzt wieder einen klassischen Ableger der Reihe geben. Wie spielt sich das neueste Action-RPG? Kann die Präsentation der Story mit den eigenen Blizzard-Standards mithalten? Wie fühlen sich die Spielmechaniken an und welchen Gesamteindruck macht das Spiel insgesamt? All diesen Fragen sind wir im Test auf den Grund gegangen.
Neustart?
Kaum eine Videospielreihe genießt einen ähnlichen Kultstatus wie Diablo. In den vergangenen Jahren hagelte es aber aus den eigenen Fanreihen immer häufiger heftige Kritik. Zuletzt erschien Diablo Immortal, ein Mobile-Game-Ableger der Reihe, der unter Kritikern und Fans der alten Teile vor allem durch seine dreisten Cashgrab-Mechaniken in die Geschichte eingehen wird.
Diablo IV setzt jetzt wieder auf die bekannte Formel aus Leveln und Looten und das gepaart mit einer für Blizzard gewohnt wuchtigen Präsentation. Neu hingegen ist der MMO-Ansatz. Es werden nun zu jederzeit mehrere Spieler eine Spielwelt teilen und gleichzeitig auf einer Map unterwegs sein. Auch für Einzelspieler ist dadurch ein Onlinezwang gegeben.
Abgesehen davon, dass wir an vielen Stellen anderen Spielern über den Weg laufen und es hier und da Events in der Spielwelt gibt, die von Zeit zu Zeit auftreten und gemeinsam gemeistert werden können, hat das allerdings wenig Einfluss auf das Spielgeschehen.
Positiv ist, dass sobald der Spieler in eine Storymission eintritt, andere Helden aus der eigenen Spielwelt ausgeblendet werden. Oft trifft man andere Zocker nur in Städten und da bevorzugt auch in der Nähe von bestimmten Händlern.
Die wichtigste Neuerung ist jedoch die Möglichkeit, im Kampf per Tastendruck auszuweichen. Das fühlt sich bedeutend agiler an als noch im Vorgänger und macht somit den größten spielerischen Unterschied. Ansonsten bleibt es bei den bereits bekannten fünf Klassen, die sich von der Spielart unterscheiden. Hier ist alles „wie gewohnt“ – was eher positiv gemeint ist.
Spürbare Neuerungen gibt es auch beim Aufleveln. Ab Stufe 50 kommen Spieler in den Genuss des erneuerten Paragonsystems. Hier spielt man langsam, aber sicher Punkte frei, mit denen man den eigenen Build wirklich gezielt ausarbeiten kann. Dadurch schafft Blizzard für das Spiel nochmal ordentlich Tiefe, besonders im Endgame. Bis man dann die Obergrenze von Level 100 erreicht hat, wird viel Zeit in das Game geflossen sein. Anders als bei Diablo III gibt es jetzt auch die erwähnte Obergrenze.
Magier vs. Dämonen
Für die Promo zu Diablo IV nutzte man vor allem eine Figur: die Dämonin Lilith, die Tochter des Hasses. Diesen Titel hat die Dame als Tochter von Mephisto quasi in die Wiege gelegt bekommen. Gemeinsam mit dem Erzengel Inarius erschuf sie einst die Welt Sanktuario. Es folgte ein heftiger Streit der beiden, der in der Verbannung Liliths endete.
Jetzt kehrt diese allerdings zurück und scharrt Anhänger eines dunklen Kultes um sich. Zu Beginn der Handlung von Diablo IV gewinnt Lilith immer mehr an Kraft und Unterstützern. Was genau sie plant und wo die Reise hingehen soll, bleibt erst mal ungeklärt, klar ist jedoch, dass die Dämonin nichts Gutes im Sinn hat.
Der Magierorden der Horadrim will dem Einhalt gebieten und rottet sich zusammen zu einem letzten verzweifelten Schlag gegen Lilith. Der Spieler schließt sich diesem Orden an und folgt anfangs der Spur der Verwüstung, die die Tochter Mephistos und ihre Anhänger in der Spielwelt hinterlassen.
Diablo IV wirkt so düster wie kein anderer Teil der Reihe. Verzweiflung, Wut, Angst und Gewalt sind ständiger Begleiter und so trostlos wie im aktuellen Ableger der Reihe hat man die Spielwelt noch nicht gesehen. Die Atmosphäre ist dicht und alles wirkt sehr beklemmend.
Hier liegt für mich ein sehr großer Reiz des Spiels: Die Welt von Sanktuario ist unglaublich lebendig, spannend und düster. Man wird förmlich in diese kalte Umgebung hereingezogen und mit so vielen elenden Geschichten und Schicksalen konfrontiert, dass man schnell das Gefühl bekommt: Lilith muss Einhalt geboten werden!
Die unglaublich gut erzählte Geschichte entwickelt durch eine gekonnte Mischung aus Filmsequenzen und Storytelling über die Umgebung einen sehr starken Sog, der bis zum Ende der Mainstory nicht mehr loslässt. Dabei sind vor allem die unfassbar guten Cutscenes verantwortlich. Oft bleibt man nach einer dieser Sequenzen sprachlos zurück. Was hier vom Stapel gelassen wird, ist besser als die meisten Kinofilme. Wirklich beeindruckend!
Die Ereignisse in Diablo IV spielen übrigens 50 Jahre nach dem Ende des Vorgängers. Auch wenn es viele Anspielungen auf alte Teile der Reihe gibt, ist kein Vorwissen erforderlich, um ins neueste Spiel einzusteigen. Für Neulinge ist es also ein sehr guter Zeitpunkt, mit der Diablo-Reihe zu beginnen.
Abseits der Hauptgeschichte
Nach ein paar linearen Abschnitten wird der Spieler erstmals in einem Diablo-Teil in eine Open World entlassen. Es steht also komplett frei, welche Missionen als nächstes angegangen werden und der Erkundungsdrang darf ausgelebt werden. Meiner Erfahrung nach sollte man sich trotzdem an der Kerngeschichte orientieren. Denn dort erhält man wichtige Fähigkeiten und levelt den eigenen Charakter so, dass er für frei begehbare Abschnitte der Welt besser gerüstet ist. Der Vorteil: Ist man mit der Hauptgeschichte fertig, gibt es noch einen erheblichen Teil der Spielwelt zu entdecken.
Dabei sollte gesagt werden, dass viele Teile der Open World zwar sehr stimmungsvoll und atmosphärisch, aber auch wenig kreativ sind. Die Areale sind sehr weitläufig, aber innerhalb einer bestimmten Gegend gibt es wenig interessante und markante Orte zu finden. Hier bleibt ein wenig Potenzial liegen.
In den Mainquests steckt viel erzählerisches Können und eine Menge Herzblut. Viele Charaktere und NPCs, die der Spieler auf dem Weg durch Sanktuario trifft, erzählen eine eigene Geschichte, die sehr zur düsteren Gesamtstimmung beiträgt.
Sind die Hauptmissionen oft sehr spannend erzählt, laufen viele Nebenaufgaben nach Schema F ab. Es geht von Punkt A nach Punkt B zu Punkt C und an jedem dieser Punkte gibt es Horden von Monstern zu bekämpfen. Da man hier aber frei entscheiden kann, wie viel Zeit man investiert, tut das dem Spielspaß keinen Abbruch. Immerhin machen die Quests eine Menge Laune, auch wenn sie sehr vorhersehbar sind.
Natürlich dürfen auch die Open-World-typischen Aufgaben nicht fehlen: Man kann kleine Stützpunkte einnehmen (was Spaß macht), Orte, wie die Lilith-Statuen, finden (was mittelmäßig viel Spaß macht, aber einige Vorteile bringt) und jede Menge generische Dungeons nach Loot durchsuchen und zig unspektakuläre Aufgaben erledigen (was weniger Spaß macht).
Wie von der Reihe gewohnt, gibt es wenig „klassische“ Rollenspielelemente. Der Spieler kann also beispielsweise keine Entscheidungen treffen, die sich drastisch auf Geschichte und Spielerlebnis auswirken. Hingegen geht es immer darum, möglichst viele Aufgaben zu erledigen, um Erfahrungspunkte zu sammeln, dabei immer besseres Equipment und Rüstungen einzusammeln und so stärker und stärker zu werden und größere Bossgegner töten zu können.
So simpel das Spielprinzip anfangs scheint und so stumpf es sich auch spielt, es bleibt, wie von Diablo gewohnt, ungemein motivierend. Die Jagd nach besserer Ausrüstung und das Erkunden der Spielwelt sind sehr motivierende Faktoren, die langen Spielspaß garantieren.
Und da die Motivation stets hoch ist, weiterzuspielen, kann man mit Diablo IV schnell an der 100 Spielstunden Marke kratzen. Aber auch, wer sich „nur“ auf die Hauptstory fokussiert, hat ordentlich lange zu tun und wird hier ein unglaublich intensives Spielerlebnis haben, denn die Geschichte ist für mich eine der am besten präsentierten Videospielstorys bislang. Selten war ich so gefesselt und beeindruckt.
Optisch und akustisch perfekt
Die Musik untermalt stimmungsvoll die düstere Spielwelt. Dabei hält sie sich immer gekonnt zurück, sorgt aber für ein wirklich unbehagliches Grundgefühl. Auch hier waren, wie schon beim Storytelling, wirkliche Meister des Faches am Werk. Die Orchestrierung von Diablo IV ist rundum beeindruckend. Das Spiel braucht sich keinesfalls vor großen Kinofilmen zu verstecken.
Gerade über eine potente Heimkinoanlage oder gute Kopfhörer ist das Sounddesign ein weiterer sehr großer Pluspunkt für das Spiel. Beim Voice-Acting gibt es auch wenig zu meckern. Fast alle Charaktere, denen man über den langen Spielverlauf begegnet, sind gut vertont.
Grafisch ist das Spiel auch abseits der grandiosen Videosequenzen sehr schön anzusehen. Glücklicherweise hat Blizzard den Comicstil von Diablo III gegen eine realistischere Optik eingetauscht. Das trägt viel zur düsteren Gesamtstimmung bei und tut dem Spiel richtig gut.
Diablo IV ist optisch wirklich top und all das fiese Dämonengewürm, das sich dem Spieler entgegenstellt, könnte kaum cooler aussehen. Auch die eigenen Helden lassen sich mit Kriegsbemalungen, Haarschnitten und vielen weiteren Details anpassen.
Wer sich eines der vielen, wirklich sehr stylischen, Outfits aus dem Shop kaufen will, muss allerdings tief in die Tasche greifen. Viele der Skins (und mehr ist es nicht) kosten unverschämte 25 €. Wer Blizzards Preispolitik und Cashgrab-Taktiken etwas verfolgt hat, der weiß beispielsweise aus Call of Duty Modern Warfare II, wie diese Unverschämtheiten nach Release tendenziell stark zunehmen. Da es sich bei den Kaufgegenständen nur um Kosmetika handelt, die keinen Einfluss auf das Spielgefühl haben, kann man diese getrost ignorieren. Schade ist es trotzdem, denn viele der Outfits sehen eben sehr cool aus.
Ebenfalls positiv zur Optik des Spiels anzumerken: Auch die vielen Animationen der klassenspezifischen Spezialattacken sind sehr gelungen. Oft gehen diese mit schöne Lichtpartikeleffekten und anderen optischen Finessen einher. Das macht die oft doch spielerisch simplen Kämpfe zumindest toll anzusehen.
Fazit
Diablo IV sorgt mit einigen spielerischen Neuerungen und Feinheiten, aber vor allem mit dem Abstreifen der Comicoptik aus Diablo III, für ordentlich frischen Wind. Die Story ist für mich eine der am packendsten inszenierten Videospielgeschichten überhaupt. Hier wurde wirklich unglaubliche Arbeit geleistet. Auch Spielwelt, Atmosphäre und das Sounddesign haben mich tief beeindruckt!
Dass das Spiel vor allem bei den generischen Dungeons und manchen lieblosen Sidequests etwas schwächelt, lässt sich bei dem Umfang sicher verschmerzen. Die Open World lädt zum Erkunden ein, hat aber auch die typischen Krankheiten von solchen Spielen: Viele zeitfressende und repetitive Aufgaben, die das Spiel unnötig aufblähen.
Wenn ich mich aber an die Hauptgeschichte und ein paar interessante Nebenaufgaben gehalten habe, hat sich mir ein wirklich unvergleichliches Spielerlebnis geboten.
Dass es irgendwann einfach zu viel Grind gibt und die Spielzeit in dreistellige Stundenbeträge ausufert, kann man mögen oder nicht. Mir war es irgendwann zu viel. Das trübt aber das Spielerlebnis nicht, denn allein die Mainstory war wirklich jede Sekunde meiner Zeit wert.
Der einzige wirklich große Kritikpunkt ist die unglaublich dreiste Preispolitik bezüglich der Ingame-Käufe. Für ein kosmetisches Rüstset ein Drittel des Gesamtspielpreises zu verlangen und dann auch noch den hohen Preis durch die Auszeichnung in einer spieleigenen Währung zu verschleiern, ist man zwar mittlerweile gewohnt, es bleibt trotzdem eine Dreistigkeit. Daran wird auch alles Gemecker der Fans leider nichts mehr ändern. Anzunehmen ist, dass hier auch noch nachgefasst und der Shop von Zeit zu Zeit mächtig erweitert wird. Schade, dass hier so verzweifelt nach dem Geld der eigenen Fangemeinde gegriffen wird.
Ansonsten bietet Diablo IV das erwartete Meisterwerk. Bombastisch inszeniert, spielerisch motivierend, umfangreich und vor allem atmosphärisch unvergleichlich gut.
- Eine der besten Präsentationen, die ich je in einem Videospiel gesehen habe
- Unglaublich fesselnde Geschichte
- Atmosphäre und Design sind perfekt
- Unverschämte Preise im Ingame-Shop
- Viele Sidequests und Dungeons folgen dem immer gleichen Ablauf
- Je weiter man von der Hauptgeschichte wegkommt, umso langweiliger wird es
Leidenschaftlicher Zocker, der irgendwo zwischen Shootern, Plattformern, Action-Adventures und arcadigen Sportspielen zuhause ist. Zu den Lieblingsreihen gehören Resident Evil, The Last Of Us, Call Of Duty und GTA.