Far Cry 6 im Test: eine paradiesische Tyrannei
Nun ist der sechste Hauptteil der Far Cry-Serie erschienen und entführt uns diesmal in die tropischen Gefilde der fiktiven Insel Yara. Hier bekommen wir es mit einer Diktatur eines Kartellbosses zu tun. Ob die Formel sich weiterhin bewährt und welche Neuerungen in diesem Teil stecken, erfahrt ihr im Test.
Schöne Insel mit nicht ganz so schönen politischen Strukturen
Wie inzwischen in Far Cry üblich, stranden wir in einem abgeschlossenen Gebiet – wieder eine Insel – und geraten zwischen die Fronten zweier Oppositionsparteien. Ein charismatischer Hauptbösewicht darf natürlich auch nicht fehlen, diesmal verkörpert von Gustavo Frings (Breaking Bad) beziehungsweise Moff Gideon (Star Wars) Darsteller Giancarlo Esposito. Aber eins nach dem anderen.
Wir schlüpfen in die Rolle des Charakters Dani Rojas, der wahlweise männlich oder weiblich ist. Mehr als diese Entscheidung bleibt uns zur Charakterpersonalisierung zunächst nicht, was einen klaren Unterschied zum fünften Teil darstellt. Wir sind eine Waise, die auf der Insel Yara aufgewachsen ist. Yara ist ein in der Zeit stehen gebliebener Inselstaat, der stark von Kuba inspiriert ist. Der Diktator Antón Castillo hat in diesem nun die Macht übernommen und versucht mit allen Mitteln, den rückständigen Staat zu modernisieren und zu einer Handelsmacht auszubauen. Die soll mithilfe von Viviro geschehen, einer mit giftigen Mitteln hochgezüchteten Tabak Art. An seiner Seite ist immer sein Sohn Diego, der von den Machenschaften seines Vaters allerdings nicht sonderlich überzeugt wirkt. Nichtsdestotrotz hat sich „El Presidente“ in den Kopf gesetzt, seinen Sohn als Nachfolger zu erziehen. Und so versucht er das Volk und sein Nachkommen gleichermaßen davon zu überzeugen, dass sie nur eine starke führende Hand benötigen, um glücklich zu sein.
Bei einem missglückten Fluchtversuch von Diego treffen wir diesen zufällig, was aber dazu führt, dass unsere beiden besten Freunde sterben. Denn eigentlich wollten wir auch nur von der Insel verschwinden und in die USA fliehen. Angetrieben durch Rachegelüste und das Angebot, eine neue Fluchtmöglichkeit zu erhalten, werden wir Teil des Guerilla-Widerstandes. Allerdings wird unsere anfänglich sehr egoistische Motivation schon bald von einer neuen abgelöst, die uns über die komplette Insel reisen und nach und nach das Regime von Castillo demontieren lässt.
Die Insel so weit
Far Cry 6 bietet uns ebenso wie seine Vorgänger eine vollkommen offene Spielwelt, die wir nach Belieben erkunden können. Diesmal mit allem, was eine tropische Insel mit leichtem Guerilla Hintergrund so zu bieten hat. Weiße Sandstrände, Dschungeldickicht, Wellblechhütten, geheime Pfade der Guerillas und abgeschiedene Lager, Yara kann alles bieten. Bei dieser Insel handelt es sich auch um die bisher größte Spielwelt eines Far Cry-Teils. Um diese durchqueren zu können, stehen uns wieder verschiedene Gefährte zur Verfügung. Von Motorrädern, über Autos und Trucks bis zur wohl stilechtesten Fortbewegungsmethode Yaras, nämlich Pferden, gibt es viel Auswahl. Und auch in der Luft haben wir die Möglichkeit, die Insel zu erforschen, entweder per Wingsuit und Fallschirm oder Hubschrauber und Flugzeug. Bei der Fortbewegung auf dem Boden haben wir auch wieder eine Fahrhilfe, die uns entlang von Straßen automatisch an einen auf der Karte markierten Ort fährt. Diese bleibt aber bemerkenswert oft an Hindernissen am Straßenrand oder Kurven hängen oder geht einfach gar nicht erst an. Auch die „geheimen“ Pfade der Guerillas lassen etwas an Heimlichkeit vermissen. Diese sind eigentlich extra mit blauen Markierungen versehen, aber meist so breit, dass wir sie auch problemlos gefunden hätten.
Die Karte ist gespickt mit interessanten Orten. Wir können verschiedenste Aktivitäten, Nebenmissionen, Minispiele und Ressourcenverstecke finden. Die beliebten Schatzsuchen, bei denen wir Hinweise auf besonderes Loot nur in Form von Geschichten erhalten, haben ihren Weg auch in diesen Teil gefunden. Eine neue Aktivität sind Hahnenkämpfe, bei denen wir im Stile eines Kampfspiels wie Tekken gegen andere Hähne antreten. Um sich hier zu verbessern, kann man überall neue Hähne finden und diese rekrutieren. Manche Aktivitäten wirken allerdings mit aller Macht in das Thema des totalitären Inselstaats beziehungsweise einer Guerilla-Revolution gepresst. Natürlich lassen sich auch wieder eine Menge Stützpunkte, Mautstellen und andere Einrichtungen erobern, dies gestaltet sich sehr ähnlich zu den bisherigen Teilen. Also zunächst erst mal auskundschaften und möglichst alle Gegner mit dem Handy markieren, um ihre Position nachvollziehen zu können, dann alle ausschalten (nach Belieben laut oder leise) und anschließend noch ein Machtsymbol wie ein Propaganda-Banner oder Flagge zerstören. Dazu gibt es noch eine Menge kleiner Eastereggs und Hommagen an andere Spiele. Ihr merkt also, die Spielwelt ist nicht nur groß, sondern kann uns auch einige Zeit beschäftigen.
Eine Insel ohne Bäume
Eine einschneidende Änderung zu den Vorgängern gibt es allerdings, denn es gibt keinen Skilltree mehr, in den wir Punkte investieren können. Demzufolge ändert sich auch die Feststellung des Spielfortschritts etwas. Es gibt weiterhin Level und auch Fähigkeiten, nur erhalten wir keine Fähigkeitspunkte, sondern schalten Boni über die getragene Ausrüstung frei. Welche nebenbei auch unser äußeres Erscheinungsbild verändert. Wir haben also keine dauerhaften Verbesserungen, sondern nur die, die uns die aktuelle Ausrüstung gibt. Mit dem Aufsteigen von Leveln erhalten wir immer höherwertigere Gegenstände, es ist also trotzdem eine Art Fortschritt zu bemerken. Die Art der Fähigkeiten und Boni sind dabei sehr ähnlich, so gibt es Lebenserhöhungen, bestimmte Aktionen können beschleunigt oder aber auch bestimmte Dinge erst ermöglicht werden. Auf übernatürliche Fähigkeiten, wie wir sie in den Vorgängern teilweise angetroffen haben, wurde größtenteils verzichtet. Das gilt sowohl bei den eigenen Kräften als auch bei denen unserer Widersacher. Auch sind die Charaktere nicht komplett übertrieben und schillernd. Es scheint so, als würde sich das Spiel einen realistischen Anstrich geben, was auch vor dem Hintergrund einer Insel-Diktatur sehr stimmig ist.
… aber mit Waffen
Das Waffenarsenal besteht aus einer guten Auswahl von Wummen. Von kleinen SMGs über Sturmgewehre und Scharfschützengewehre bis zum Flammenwerfer gibt es pro Kategorie viele Waffen. Natürlich sind die für die Reihe inzwischen ikonischen Bögen, als lautlose Variante, auch wieder dabei. Dazu kommt eine Vielzahl von einzigartigen Waffen, die sich von den anderen grundsätzlich durch eine bestimmte zusätzliche Fähigkeit oder mehr Upgradeslots unterscheiden. An Werkbänken können wir sie auch immer wieder verbessern, aber nur im Rahmen von bereits vordefinierten Modifikationen und natürlich nur, wenn wir auch im Besitz der erforderlichen Materialien sind. Ein besonderer Fokus wurde diesmal auf die Munitionsarten gelegt, da jeder Gegner gegen bestimmte Arten resistent oder anfällig ist. Eine Neuheit ist der sogenannte Supremo, das ist ein Rucksack, der uns eine zusätzliche Fähigkeit verleiht. Es gibt hier verschiedene Modelle, die sich im Einsatzzweck unterscheiden. Zum Beispiel können sie für den Angriff, die Verteidigung oder zur Manipulation des Schlachtfelds ausgelegt sein. Hier soll nicht zu viel über die Funktionen verraten werden, allerdings können wir mit dem ersten Supremo eine Raketensalve abfeuern. Einmal abgefeuert lädt sich die Ladung langsam wieder auf, die Abklingzeit wird dabei durch Kills verkürzt.
Dadurch, dass wir einer Guerilla Gruppe angehören, ist unser Zugang zu gewöhnlichen Waffen und Materialien begrenzt, sodass wir eine ganze Reihe an improvisierten Waffen besitzen. Auch die Waffenmodifizierungen sind häufig selbst gebaut, zum Beispiel wird ein Schalldämpfer aus einem Ölkanister hergestellt. Möglich gemacht wird das durch den erfahrenen Dreifach-Agent und Guerilla-Veteran Juan Cortez. Dieser bringt uns alles bei und versorgt uns immer wieder mit neuen Kreationen. Von ihm sind auch die Supremos. Und nebenbei hat er immer noch eine seiner selbst aufgestellten Regeln der Guerilla auf den Lippen. Durch den hohen Improvisationsanteil der Waffen und dadurch, dass Schalldämpfer überhitzen und dadurch ihre Funktion verlieren, wird ein leises Vorgehen zu den Vorgängern erschwert. Da es keine zusätzlichen Boni mehr für die lautlose Übernahme eines Stützpunktes gibt, ist es nicht attraktiv, den Aufwand hier überhaupt zu betreiben.
Keine einsame Insel
Wir müssen Yara niemals allein erkunden, denn es gibt sowohl tierische Begleiter als auch einen Coop-Modus. Die Begleiter schalten wir in verschiedenen Gebieten frei und jeder hat eine einzigartige Fähigkeit, die uns unterstützt. Wenn wir einen Amigo längere Zeit dabeihaben und er bestimmte Meilensteine absolviert, so werden noch bis zu drei weitere passive Fähigkeiten freigeschaltet. Es ist uns aber immer nur möglich einen Begleiter aktiv beim Durchstreifen des Dschungels an unserer Seite zu wissen. Der Coop-Modus ist relativ straight forward: Nach dem Absolvieren einer bestimmten Mission (circa eine Stunde nach Spielbeginn) ist es uns möglich, jemanden in unser Spiel einzuladen oder bei jemand anderem beizutreten. Dies ist auch über ein Menü mit Fremden möglich. Dabei behält man seine derzeitige Ausrüstung, kann aber keinen eigenen Amigo mitbringen. Der Fortschritt wird allerdings nur beim Host gespeichert und man behält nur Erfahrung, Geld und Materialien.
Yara ist nicht die hübscheste Insel im Regal
Optisch sieht Far Cry 6 zunächst fantastisch aus und vermittelt gut das Bild und die Atmosphäre einer tropischen Insel. Beim genaueren Hinsehen fällt allerdings die geringe Auflösung der Texturen auf, die selbst bei bester Einstellung sehr verpixelt wirken. Es gibt zwar einen HD-Texturen-Pack, den wir aber aufgrund der hohen Anforderung von mindestens 11GB VRAM nicht testen konnten. Hinzu kommen ab und zu leichte Fehler in der Darstellung, wie Objekte, die in anderen feststecken. Das Design und der Aufbau der Inselwelt ist aber schön und wie oben bereits erwähnt die geräumigste Karte, die wir in Far Cry bis jetzt hatten. Es wird eine gute Atmosphäre geschaffen, man darf eben nur nicht zu genau hinschauen.
Die leichten optischen Schwachstellen macht das Spiel aber mit seiner Vertonung wett. Vom Meeresrauschen über die Propaganda-Parolen und Dialoge bis zu den Liedern des Soundtracks hat alles eine sehr gute Qualität. Die Lieder sind sehr passend und gut in den Spielfluss eingebunden. Ein Beispiel hierfür ist, dass verschiedene Charaktere in der Nähe eines Radios die Lieder mitsummen oder sogar singen.
Fazit
Far Cry 6 bietet genau das, was man von der Serie inzwischen gewohnt ist und erwarten kann. Also eine Story, bei der wir an einem Ort feststecken und irgendwie in einen Freiheitskampf mit viel Geballer verwickelt werden und hinter allem steht ein markanter Bösewicht. Leider ist der Gegenspieler, trotz der Starbesetzung, in diesem Teil nicht so präsent wie in den Vorgängern. Diesmal hat Ubisoft mehr auf Realismus gesetzt und deswegen fast alle übernatürlichen Elemente entfernt, was dem Setting Glaubhaftigkeit verleiht. Der Versuch der Story eine Ernsthaftigkeit mitzugeben, indem das Thema des Tyrannen, der seinen widerwilligen Sohn in seine Fußstapfen zwingen will, angesprochen wird, ist leider nicht konsequent und glaubhaft genug passiert. Das alles passiert noch in einem Pseudospanisch, das alle Charaktere benutzen, das heißt einfach zufällig manche Wörter eines Satzes durch spanische zu reemplazar. Dazu wurden fast alle Spielelemente „verschlimmbessert“, also verändert und mit neuen Funktionen versehen. Allerdings so, dass selbst ich, nachdem ich die meisten Teile der Reihe gespielt habe, schnell den Überblick verloren habe. Das hat dazu geführt, dass ich manche Neuerungen ignoriert habe, weil sie Aktionen verkompliziert oder den Spielfluss unterbrochen haben.
Das soll nicht heißen, dass Far Cry 6 ein schlechtes Spiel ist, denn es gibt eine riesige stimmige Spielwelt und viel zu entdecken und zu tun. Dazu noch einigermaßen glaubhafte und realistische Charaktere. Also alles für das Far Cry steht und was man erwartet. Aber mit den Abstrichen in Grafik und Spielmechaniken und den hier erwähnten Problemen für mich trotzdem eher ein Rückschritt zum fünften Teil der Serie.
- Gute Inselatmosphäre
- Tolle Vertonung
- Viel zu entdecken
- Grafik überzeugt nicht
- Viele Mechaniken komplizierter
Hat seit dem Gameboy jede Handheld-Generation ausgiebig genutzt. Es stehen vorallem Coop- und Multiplayer-Spiele hoch im Kurs.