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Review

Hell is Us im Test: Orientierungslosigkeit als Konzept

Von Dominik Probst am 12. Oktober 2025. Getestet auf Xbox Series S/X. Zum Spiel hier klicken.

Ein Spiel, das uns ohne Karte, Quest-Marker oder Wegweiser in eine zerrissene Welt wirft – klingt nach Chaos, ist aber das Grundprinzip von Hell is Us. Statt uns an der Hand zu führen, lässt es uns stolpern, suchen und entdecken. Heraus kommt ein Abenteuer irgendwo zwischen Faszination und Frust, das mutig seinen eigenen Weg geht. Ob dieser Weg auch zu einem starken Spielerlebnis führt, klären wir im folgenden Test.

Eine Welt ohne Wegweiser

Die Geschichte von Hell is Us beginnt genauso rätselhaft wie die Welt, in der wir uns bewegen. Wir werden zunächst in einem Verhör mit Fragen konfrontiert, die kaum Antworten geben und schon im nächsten Moment stehen wir mitten im Wald. Wenige Augenblicke später stolpern wir durch eine verlassene Ruine. Eine klassische Einführung mit klarer Motivation oder epischem Heldenmoment? Fehlanzeige. Stattdessen herrscht von Beginn an ein Gefühl der Unsicherheit.

Diese vage Erzählweise ist kein Zufall, sondern Programm. Hell is Us möchte, dass wir selbst Zusammenhänge herstellen, Fragmente der Weltgeschichte zusammensetzen und unseren Platz darin finden. Die Themen sind dabei alles andere als leichtfüßig: Bürgerkrieg, politische Unterdrückung und geheimnisvolle Kreaturen bilden den Hintergrund, vor dem wir unsere Reise antreten. Nichts wird uns auf dem Silbertablett serviert, sondern eher wie Puzzlestücke hingeworfen, die wir mühsam zusammensetzen.

Gerade dieses Fehlen an klaren Wegmarken in der Story sorgt für eine besondere Stimmung. Wir sind nicht der Auserwählte mit dem strahlenden Schwert, sondern jemand, der genauso im Dunkeln tappt wie die Spieler selbst. Das macht die Erzählung intensiv, aber auch sperrig – wer gern an die Hand genommen wird, könnte hier früh aussteigen.

Kämpfen oder fliehen?

Das Gameplay von Hell is Us folgt denselben Prinzipien wie die Story: Keine Hilfe, kein GPS, keine blinkenden Marker. Wer wissen will, wohin es geht, muss selbst aufmerksam sein. Keine Karte, kein Quest-Log, kein Pfeil am Bildschirmrand – nur die Welt, die wir lesen lernen müssen.

Dabei setzt das Spiel nicht auf eine gigantische Open World, sondern auf halboffene Areale. Die Gebiete sind groß genug, um sich zu verlaufen, aber kompakt genug, dass wir früher oder später ans Ziel gelangen. Wer gründlich sucht, stößt auf Ruinen, kleine Pfade oder versteckte Hinweise, die das Weiterkommen ermöglichen. Dieses „Trial-and-Error“-Prinzip kann befreiend wirken, manchmal aber auch frustrierend, wenn man minutenlang durch ein Gebiet streift und sich fragt, ob man wirklich auf dem richtigen Weg ist.

Das Herzstück sind jedoch die Kämpfe. Hell is Us setzt dabei auf ein bewusst wuchtiges, langsames Kampfsystem, das uns Fehler sofort spüren lässt. Blocken, Ausweichen und präzises Timing sind entscheidender als reines Button-Mashing. Schon kleine Gegner können gefährlich werden, wenn wir unüberlegt zuschlagen.

Zur Verfügung stehen uns verschiedene Nahkampfwaffen, die jeweils eine eigene Spielweise erfordern. Das Schwert dient als solider Allrounder, die Großaxt teilt enormen Schaden aus, ist aber behäbig, während Twin Axes (zwei Einhandäxte) schnelle Angriffe erlauben, dafür aber weniger Reichweite und Durchschlagskraft haben. Jede Waffe lässt sich durch den Kampf selbst weiterentwickeln: Statt den Charakter direkt zu leveln, steigt die Erfahrung der Waffe. So schaltet man mehr Schaden, zusätzliche Moves und Glyphenslots frei, die das Kampfsystem stark vertiefen.

Eine zentrale Rolle spielt dabei das sogenannte Lymbic-System. Hier kommen die mysteriösen Lymbic-Sphären ins Spiel, die bestimmen, welche Glyphen eine Waffe tragen darf. Es gibt fünf Kategorien: Rage, Grief, Ecstasy, Terror und Neutral. Rüstet man eine Sphäre aus, können nur Glyphen derselben Kategorie (oder neutrale Glyphen) in die Slots gesetzt werden. So wird jede Waffe nicht nur durch ihre Grundwerte, sondern auch durch ihre Ausrichtung im Lymbic-System geprägt.

Glyphen selbst gibt es in mehreren Rängen (Base, Enhanced, Elite) und mit sehr unterschiedlichen Effekten. Ein Chromatic Shield (Neutral) bietet defensiven Schutz, ein Rage Spike (Rage) verursacht explosiven Flächenschaden, Lingering Pain (Grief) lässt Gegner über Zeit bluten, während Delirium (Ecstasy) für Chaos im Kampf sorgt. Mit bis zu drei Slots pro Waffe entsteht so ein Build-System, das experimentierfreudige Spieler belohnt und jeden Schlag noch bedeutsamer macht.

Im Kampf selbst heißt es: beobachten, timen und die eigenen Ressourcen managen. Blocken kostet Ausdauer, Paraden im richtigen Moment können Gegner „brechen“ und sie verwundbar machen. Dazu kommt die Lymbic-Energie, die für Spezialangriffe und Glyphen benötigt wird – also eine Ressource, die man taktisch einsetzen muss. Eine kleine, aber clevere Mechanik ist außerdem das „Pulsing“: Nach Treffern erhält man für kurze Zeit die Möglichkeit, einen Teil der Gesundheit zurückzugewinnen, wenn man den richtigen Moment erwischt. Dadurch bleibt der Spielfluss aggressiv, ohne dass man sich nur defensiv zurückzieht.

Schon zu Beginn legen wir mit drei Schwierigkeitsgraden fest, wie hart diese Kämpfe zuschlagen. Auf niedrigem Level fühlen wir uns noch wie ein vorsichtiger Entdecker, auf hohem Schwierigkeitsgrad aber wie ein Überlebender, der jede Entscheidung dreimal überdenken muss.

Und dann sind da noch die Kreaturen. Sie wirken wie Wesen aus einer anderen Realität, halb organisch, halb fremdartig und sie lassen sich nicht immer mit roher Gewalt bezwingen. Hier macht sich der experimentelle Ansatz von Hell is Us bemerkbar: Kämpfe sind nicht bloß Hindernisse, sondern Prüfungen unserer Geduld, unserer Waffenbeherrschung und unseres Verständnisses des Lymbic-Systems.

Ein Auge im Himmel

Neben Waffen und Glyphen spielt auch die Drohne eine wichtige Rolle im Spiel. Sie ist weit mehr als nur ein technisches Gimmick: Mit ihr lassen sich Inschriften und Texte entschlüsseln, die in einer fremden Sprache über die Spielwelt verteilt sind, und damit öffnet sie Türen zu mehr Story-Hintergrund und kleinen Geheimnissen. Gleichzeitig kann die Drohne im Kampf taktisch genutzt werden, etwa um Gegner abzulenken oder für kurze Momente eine andere Richtung einzuschlagen. Im Laufe des Spiels lässt sie sich zudem upgraden, wodurch neue Fähigkeiten freigeschaltet werden. So entwickelt sie sich zu einem nützlichen Begleiter, der sowohl die Erkundung als auch das Überleben spürbar bereichert.

Auf der Suche nach Antworten

Neben Kämpfen und Erkundung hat Hell is Us noch eine weitere Ebene: die Suche nach der eigenen Vergangenheit. Im Kern verfolgen wir das Ziel, die Wahrheit über unsere Eltern herauszufinden. Dieses Motiv zieht sich als roter Faden durch die Hauptquests, die im Datenpad dokumentiert werden. Dort sammeln wir alle Hinweise, Texte und Fragmente, die wir in der Welt entdecken. Ein System, das uns zum Nachdenken zwingt, weil wir Informationen selbst verknüpfen und interpretieren müssen.

Doch die Hauptgeschichte ist nicht das Einzige, was uns antreibt. Immer wieder stoßen wir auf Mysteries, also optionale Geheimnisse, die wie kleine Rätsel oder Nebengeschichten funktionieren. Mal sind es verschlossene Türen, die nur mit bestimmten Glyphen oder Codes geöffnet werden können, mal kryptische Texte, die erst durch die Drohne entschlüsselt werden müssen. Diese Mysteries sind keine belanglosen Sammelaufgaben, sondern oft kleine Highlights, die uns mit besonderen Belohnungen wie Glyphen oder Relikten versorgen.

Dazu kommen Gefallen, kleine Hilfsaufträge, die wir für Überlebende übernehmen können. Sie sind nicht so komplex wie die Mysteries, bieten aber Abwechslung und ein Gefühl, dass wir tatsächlich in einer Welt voller anderer Menschen agieren, die ebenfalls ums Überleben kämpfen.

Ein besonders starkes Beispiel für die Art, wie Hell is Us Spannung aufbaut, ist eine Szene in einem unscheinbaren Haus: Wir steigen in den Keller hinab, der mit jedem Schritt größer und bedrohlicher wirkt. Aus der Ferne hören wir ein Baby schreien – erst leise, dann immer lauter. Wir wissen nicht, ob uns eine Falle erwartet, ob das Geräusch von einem Monster erzeugt wird um seine Beute anzulocken oder ob tatsächlich ein Kind dort unten ist. Auf dem Weg tauchen immer mehr Gegner auf, der Druck steigt – bis wir schließlich wirklich einer Frau mit einem Baby begegnen. Es sind genau solche Momente, die zeigen, wie stark das Spiel Atmosphäre, Story und Gameplay miteinander verknüpfen kann.

Stimmung zwischen Trostlosigkeit und Faszination

Wenn man Hell is Us spielt, merkt man schnell: Diese Welt lebt nicht von epischen Städten oder überladenen Schauplätzen, sondern von ihrer eigentümlichen Stille. Verlassene Straßen, halbeingestürzte Ruinen und einsame Wälder prägen das Bild. Alles wirkt zerfallen, aber nicht tot – eher so, als hätte die Natur begonnen, ihr Reich zurückzuerobern.

Die Atmosphäre trägt viel zu diesem Gefühl bei. Es ist weniger ein klassisches „Horror-Setting“, sondern mehr eine Mischung aus Endzeit-Melancholie und surreale Fremdheit. Immer wieder stoßen wir auf rätselhafte Objekte oder Bauten, die wie Relikte einer anderen Kultur wirken, ohne dass uns sofort erklärt wird, was sie bedeuten. Dieses Fehlen klarer Antworten verstärkt den Reiz: Wir fühlen uns wie ein Fremder in einer Welt, die uns nicht willkommen heißt, aber deren Geheimnisse wir unbedingt lüften wollen.

Unterstützt wird diese Stimmung durch ein reduziertes Sounddesign. Anstatt bombastischer Musik dominieren leise, atmosphärische Klänge, unheilvolles Raunen im Wind oder das Knarzen von Holz in einer verlassenen Hütte. Wenn dann plötzlich Kampfgeräusche oder der Schrei einer Kreatur die Stille zerreißen, wirkt das umso eindringlicher. Auch die Sprachausgabe trägt hier ihren Teil bei: Sie liegt nur in Englisch und Französisch vor – eine deutsche Vertonung fehlt leider. Dafür gibt es deutsche Untertitel, die die wichtigsten Details verständlich machen.

Optisch ist Hell is Us kein Grafik-Benchmark, aber die Präsentation erfüllt ihren Zweck. Die halboffenen Areale sind kunstvoll gestaltet, mit viel Liebe zum Detail – gerade kleine Elemente wie Schriftzeichen, Textfragmente oder die bewusst gesetzten Farbkontraste sorgen für Stimmung. Technisch wirkt das Spiel solide: auf der Xbox Series X laufen die Gebiete flüssig, die Bildschärfe ist ordentlich.

Technik und Performance

Technisch präsentiert sich Hell is Us solide, auch wenn klar wird, dass hier kein riesiges AAA-Budget im Hintergrund stand. Auf der Xbox Series X läuft das Spiel stabil, mit flüssigen Framerates und ordentlicher Bildschärfe. Gelegentlich wirken Texturen etwas detailarm, und auch bei den Animationen merkt man, dass nicht jede Bewegung perfekt geschliffen ist.

Dennoch: Die halboffenen Areale sind ohne störende Ladezeiten begehbar, Pop-ins halten sich in Grenzen, und selbst in Kämpfen mit mehreren Gegnern bleibt die Performance zuverlässig. Kleinere Grafikmacken wie unsaubere Kanten oder inkonsistente Lichtquellen fallen auf, beeinträchtigen den Spielfluss aber nicht gravierend.

Fazit

Hell is Us ist ein Spiel, das sich nicht jedem anbiedert. Keine Karte, keine Quest-Marker, keine Hilfssysteme – wer hier unterwegs ist, muss bereit sein, sich einzulassen. Und genau darin liegt der Reiz: Wir stolpern, irren umher, zweifeln an unseren Entscheidungen und fühlen uns dadurch stärker in diese mysteriöse, zerrissene Welt hineingezogen.

Die Story setzt auf Andeutungen statt auf klare Antworten, manchmal wirkt sie fast spröde, doch gerade das macht neugierig. Ich muss aber auch sagen: Die ersten Spielstunden waren für mich erzählerisch schwierig. Bis ungefähr zur zweiten Stunde hatte ich Probleme, mich wirklich in die Story einzufühlen, weil mir der Rahmen fehlte. Erst nach und nach hat das Spiel mich gepackt, als die Fragmente klarer ineinandergreifen.

Das Gameplay wiederum überzeugt mit einem wuchtigen Kampfsystem, das uns zwingt, Waffen gezielt einzusetzen, Ressourcen klug zu managen und das Lymbic-System mit seinen Glyphen zu verstehen. Wer sich darauf einlässt, entdeckt Tiefe und taktische Vielfalt, auch wenn das Ganze zu Beginn überfordernd wirken kann.

Atmosphärisch spielt das Spiel seine größte Stärke aus: Die Mischung aus Stille, Fremdartigkeit und subtiler Bedrohung sorgt für eine Stimmung, die man so schnell nicht vergisst. Ob wir nun einem Babygeschrei in einen bedrohlichen Keller folgen oder einfach nur durch verlassene Landschaften streifen – Hell is Us weiß, wie es Gänsehaut erzeugt.

Natürlich gibt es auch Schwächen: Technisch ist das Spiel solide, aber nicht überragend. Texturen, Animationen und Detailtiefe können nicht mit den ganz Großen mithalten. Auch die erzählerische Zurückhaltung wird nicht jeden Spieler überzeugen – wer eine klare Geschichte mit vielen Zwischensequenzen erwartet, wird eher enttäuscht.

Am Ende bleibt Hell is Us ein mutiges Experiment: ein Abenteuer, das bewusst auf Konventionen verzichtet und uns zwingt, wirklich hinzusehen, zuzuhören und zu hinterfragen. Für Spieler, die sich auf diese Reise einlassen, wartet eine intensive Erfahrung, die man nicht so schnell vergisst.

Pro:
  • Mutiges Konzept ohne Karten und Marker
  • Wuchtiges, taktisches Kampfsystem
  • Verschiedene Waffenklassen mit eigenem Spielstil
  • Lymbic-System & Glyphen bringen echte Tiefe
  • Drohne als vielseitiges Werkzeug (Erkundung & Kampf)
  • Dichte Atmosphäre mit starkem Sounddesign
  • Optionale Mysteries & Gefallen erweitern die Welt
Contra:
  • Einstieg sehr kryptisch, wenig Erklärungen
  • Texturen und Animationen teils unsauber
  • Fehlende deutsche Sprachausgabe (nur Englisch/Französisch)
  • Orientierungslosigkeit kann frustrierend sein
  • Erzählerische Zurückhaltung nicht jedermanns Sache
Story:
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Gameplay:
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Grafik:
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Sound:
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Atmosphäre:
5 von 5 BuddiesBuddyBuddyBuddyBuddyBuddy
Unsere Wertung: 8.5 / 10
Spiel getestet auf: Xbox Series S/X
Dominik Probst

Dominik Probst

Webentwickler, Technik-Nerd und Gamer aus Leidenschaft seit der Kindheit, mit einem Faible für die komplette The Legend of Zelda- und Halo-Reihe. Dazu fast keine Konsolengeneration ausgelassen und auch sehr interessiert an Indie-Games.

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