Horizon Forbidden West im PC-Test: Der Maschinen-Dino-Jagdsimulator 2.0
Wer den ersten Teil der Reihe, Horizon Zero Dawn, schon kennt, wird sich in Forbidden West direkt wie zu Hause fühlen. Der zweite Teil führt Aloy in ein neues Gebiet mit haarsträubenden Wilden und einer an den Vorgänger anschließenden Story, die nun endlich auch PC-Spieler genießen dürfen. Ob dieser PC-Port gelungen ist, könnt ihr im folgenden Review erfahren.
Die Geschichte geht weiter
Spoilerwarnung: In diesem Abschnitt wird auf die Geschichte des ersten Teils, Horizon Zero Dawn, eingegangen. Wer diesen noch nicht kennt, sollte zur nächsten Überschrift springen.
Nach den Ereignissen in Zero Dawn sollte man doch meinen, dass sich Hauptfigur Aloy mal eine Verschnaufpause gönnen kann. Die künstliche Intelligenz Hades und ihre apokalyptischen Absichten, alles Leben zu vernichten, konnten gestoppt werden und das Sonnenreich mordet dank neu eingesetztem Sonnenkönig nicht mehr fröhlich vor sich hin. Aber zur Freude der Spieler geht es mit dem Maschinen-Monster-Hunter weiter.
Im zweiten Teil, Horizon Forbidden West, wird eine neue, aber doch verknüpfte Problematik zum Vorgänger aufgegriffen: GAIA, die das Ökosystem aktiv reguliert und im Gleichgewicht gehalten hat, ist nicht mehr. Sie hat sich aus Angst vor Missbrauch selbst gelöscht, nachdem ein mysteriöses Signal unbekannten Ursprungs das Subprogramm Hades aktiviert und ihm ein eigenes Bewusstsein gegeben hat. Hades sollte eigentlich, wie wir im ersten Teil erfahren durften, die bisher von GAIA aufgebaute Biosphäre im Falle eines Fehlschlags für einen Neuanfang zurücksetzen. Nach GAIAs Löschung gingen auch all ihre Subroutinen verloren, von denen die meisten die Biosphäre überwacht, reguliert und erhalten haben. Die Maschinen, die die Helfer dieser KIs sind, werden nun teilweise korrumpiert. Umweltkatastrophen häufen sich und werden stärker und eine mysteriöse Pflanzenseuche namens Rotfäule breitet sich aus und vergiftet Pflanzen und Tiere. Der Punkt des unumkehrbaren Zerfalls der Biosphäre steht unmittelbar bevor. Aloys muss also schon wieder die Welt retten und begibt sich, auf der Suche nach einem Backup von GAIA, in den verbotenen Westen, welcher von gewalttätigen und kriegerischen Stämmen beherrscht wird. Die Stämme haben zuvor besonders unter den roten Raubzügen des ehemaligen Sonnenreichs gelitten, wodurch Aloy viel politisches Feingefühl beweisen muss, um ihr Ziel zu erreichen. Außerdem ist noch nicht geklärt, woher das mysteriöse Signal kam, das Hades aktiviert und GAIA zur Selbstlöschung veranlasst hat. Die Spieler können sich also auf ein spannendes Abenteuer mit einigen Überraschungen gefasst machen.
Der DLC Burning Shores führt Aloy noch weiter in Richtung Westen in das postapokalyptische Los Angeles, das zu einem vulkanischen Archipel geworden ist. Die Story ist recht simpel: Jemand aus der Hauptquest hat überlebt und muss zur Strecke gebracht werden. Wer genau, erfahrt ihr am Ende des Hauptspiels.
Was die Welt im Inneren zusammenhält
Die Grafik ist wieder einmal beeindruckend. Man kann eigentlich überall, bei Tag und Nacht, stehen bleiben und befindet sich im Screenshot-Paradies: Atmosphärisch und bildgewaltig — Foto-Modus inklusive. Gleiches gilt für den Sound. Jeder Schlag und jeder Schuss fühlt sich entsprechend wuchtig an und auch die Umwelt wird durch Naturgeräusche treffend hinterlegt. Wenn man nicht darauf achtet, bemerkt man das Ganze zwar nicht, es trägt aber unterschwellig zur wichtigen Gesamtatmosphäre bei und rundet die Welt glaubhaft und stimmig ab.
Die Charaktere sind vielseitig und glaubwürdig gestaltet. Kaum ein Charakter mit Sprachrolle sieht sich ähnlich und jeder hat eine eigene Persönlichkeit. Dabei wird dies durch realistische Mimik und Gestik präsentiert. Auch die Haare wehen bei Wind, Wetter und Kampf in grazilen, anmutigen Bewegungen mit, was den Entwicklern wirklich sehr schön gelungen ist!
Die englische Vertonung ist wieder einmal sehr gut gelungen. Die deutsche Version ist im Vergleich zwar auch sehr schön gesprochen und definitiv angenehm spielbar, aber nicht der englischen Synchronisation vorzuziehen (falls man der englischen Sprache mächtig ist).
Monster Hunter mit Robo-Dinos
Das Gameplay ist, wie schon im ersten Teil, auf die Jagd von mächtigen Maschinen-Monstern fokussiert. Die Kampfmechanik hat viele Parallelen zur Spiele-Reihe Monster Hunter: Schieße Monsterteile ab, um spezielle Ressourcen zu erhalten, lege Fallen, um gegen besonders starke Roboter einen Vorteil zu gewinnen, benutze nach eigenem Belieben verschiedene Waffentypen oder wählen den idealen Waffentyp für die Situation aus. Die Wahl liegt beim Spieler und lässt sich mit sechs Fertigkeitspfaden nach den eigenen Präferenzen gestalten. Zumindest am Anfang, da man gegen Ende des Spiels wohl genügend Fertigkeitspunkte haben wird, um jede Fähigkeit freischalten zu können. Dann heißt es „everything goes“, nur nicht der Gegner. Dem hat man schon die Robo-Beine mit chirurgischer Präzision wegamputiert.
Im Ganzen kann man die Spielmechanik als unglaublich flüssig und süchtig machend beschreiben. Selbst gegen Ende des Spiels wird man dem Kämpfen nicht müde. Schießen, Ausweichen, Sammeln — alles geht flüssig ineinander über, selbst mitten im hektischsten Kampfgetümmel, und bleibt dabei immer sehr einsteigerfreundlich. Wenn man dann einem anstürmenden Ungetüm noch in letzter Sekunde einen Pfeil mit auf die Reise gibt, bevor man dann gerade noch ausweichen kann, fühlt man sich wie die Jagdgöttin höchstpersönlich.
Für den Kampf kann man sich bei einem breiten Waffenarsenal bedienen, das man größtenteils bei Händlern erwerben und dann mit erbeuteten Teilen aufwerten darf. Dabei gibt es bei manchen Waffenvariationen verschiedene Schadenstypen, wie beispielsweise Brand- und Frost-Statuseffekte, die je nach Gegner besonders hilfreich sind.
Die große, im zweiten Horizon-Teil noch gewachsene, Monsterpalette sorgt im Spielverlauf mit ihren eigenen Verhaltensweisen und Schwachpunkten für viel Abwechslung. Egal, ob Nilpferd, Giganto-Kobra oder Tyrannosaurus-Mech mit Artilleriegeschützen und Lasergatling — die Artenvielfalt ist groß. Wenn man dann aber einem süßen, vier Meter langen Robo-Frettchen beim Wühlen zuschaut, fragt man sich manchmal schon, ob man wirklich alles, was einem unter die Augen kommt, für Kleinteile zerlegen muss.
Wohin soll es gehen?
Wieder einmal wehen einige Aktivitäten und Missionen frische Luft durch die Haare der Heldin. So kann man sich in Matrix-Maschinenstadt-ähnlichen Dungeons, sogenannte Kessel, wagen, um die Fähigkeit zu erlangen, einige Maschinen-Arten auf die helle Seite der Macht zu ziehen und einige wenige sogar als Reittiere zu nutzen. Weiterhin fordern auch Wettbewerbe den Spieler heraus, verschiedene Techniken zu erlernen und zu nutzen. Wer sich gut schlägt und schnell genug ist, kann hier einige Preise und Medaillen erschwitzen. Nicht zuletzt werden auch Sammelenthusiasten mit einigen Sammelobjekten zum Erkunden angeregt. Diese müssen durch kurze und auch mal etwas längere Kletter- und/oder Rätsel-Passagen erreicht werden. Um Aktivitäten leichter finden zu können, sind die mobilen Langhals-Vergnügungsklettertürme hilfreich, mit deren Hilfe man einen größeren Kartenteil auf einmal aufdeckt und Orte von Interesse auf der Karte angezeigt bekommt.
Roboter-Jagd in Überlänge
Die Länge des Hauptspiels ist wieder einmal am oberen Ende des aktuellen Marktes und übertrifft knapp den ersten Teil der Reihe. Sprintet man stringent durch die Hauptstory, benötigt man knapp unter 30 Stunden Spielzeit. Mit allen Nebenquests verdoppelt sich die Gesamtspielzeit und mit allen restlichen Aktivitäten verdreifacht sich das Ganze sogar. So wird wohl neben der Hauptquest viel Zeit mit dem Ressourcen Jagen, dem Erkunden der fantastischen Welt und dem Babysitten der örtlichen Bevölkerung verbracht. Egal, wo man hingeht, es wird einem nie langweilig. Hat man mal ein Ende der Karte erkundet, wartet schon in den anderen drei Himmelsrichtungen ein neues Abenteuer. Der DLC Burning Shores bietet zusätzliche acht Spielstunden an Hauptstory und sieben für Nebentätigkeiten und Erkunden.
Update auf neues Betriebssystem erfolgreich
Die hier getestete PC-Version von Horizon Forbidden West ist ein sehr gelungener Port der Konsolenversion. Die Controller-Unterstützung ist makellos. Die Steuerung mit Tastatur und Maus ist etwas gewöhnungsbedürftiger, was wohl hauptsächlich an der Frage liegt: Wo legt man wohl am besten den Ausweich-Button hin? Hier gilt: Wer es mag, der kann, wer die Wahl hat, erlebt wohl die beste Spielerfahrung mit dem Controller.
Vielfältige Einstellungsmöglichkeiten
Hier nun ein ungewöhnliches Thema für ein Review: Die Optionen.
Die Entwickler haben sich Mühe gegeben, das Spielgefühl nach den eigenen Wünschen einstellen zu können. So findet man in den Optionen nicht nur Einstellungen für Barrierefreiheit für Farbenblinde, Menschen mit Angst vor tiefen Gewässern sowie Wackel- und Tinituseffektanfällige, sondern auch Quality-Off-Play-Einstellungen. Hierzu gehören Toggle-or-Hold, eine Automatik für Sprinten und Laufen oder auch die Frage, ob man Ressourcen mit einer Animation aufnehmen will, sie sofort aufnimmt oder gar einige automatisch einsammelt, wenn man in deren Nähe ist.
Außerdem gibt es die einige kosmetische Anpassungsmöglichkeiten. Mittels gesammelter Pflanzen kann man Rüstungen neu einfärben. Wenn einem die Rüstung mit den besseren Werten nicht gefällt, kann man auch einfach bestimmen, dass Aloy rein optisch eine andere Rüstung aus dem Inventar trägt. Und das Beste an dem Ganzen: Keine Micro-Transaktionen weit und breit!
Fazit
Horizon Forbidden West ist einer der Terminatoren unter den derzeitigen AAA-Titeln. Es ballert hart, ist unaufhaltsam und macht Laune auf allen Ebenen, von Story, über Spielmechanik bis zur Atmosphäre. Auch die Spielzeit kann sich mit bis zu 90 Stunden für das Hauptspiel und weiteren 15 Stunden für den DLC mehr als sehen lassen. Mir hat das Spiel durchgehend gut gefallen und ich fühlte mich geradewegs wie in einem Apokalypse-Himmel meiner Legotechnik-Kindheit. Trotz meiner Vorliebe für Tastatur und Maus hatte ich kein Problem mit dem Controller zu steuern — und das nicht einmal beim Zielen, trotz des teils sehr schnellen Spielgeschehens. Der Wiederspielwert hält sich aber in Grenzen, da man die Geschichte, wie bei jedem storybasierten Spiel, beim zweiten Mal schon kennt und der Erkundungsdrang wegfällt. Wenn man aber einfach zurück in die wirklich bezaubernde Welt eintauchen will, bietet diese auch noch beim zweiten Mal noch wunderschöne Landschaften, die man mit dem Foto-Modus wunderbar einfangen kann, und zudem ein unglaublich gutes Kampfsystem mit fetzigen Robo-Dinos als Gegner. Und wer den ersten Teil noch nicht gespielt hat: Horizon Zero Dawn ist technisch und spielerisch genauso gut und ebenfalls eine unbedingte Spieleempfehlung!
- Imposante Roboter-Dinosaurier und -Tiere
- Grafik, Weltaufbau und Atmosphäre sind fantastisch
- Eine der besten und flüssigsten Spielmechaniken auf dem Markt
- Gut gestaltete Charaktere mit überzeugender Mimik und Gestik sowie eigenen Persönlichkeiten
- Kein Clownskostüm/-Skin und keine Micro-Transaktionen: ein Spiel der guten alten Schule
- Für Tierfreunde könnte man anmerken, dass für einige Upgrades auch Tiere gejagt werden müssen — da kann schonmal ein schlechtes Gewissen aufkommen
- Wiederspielwert: Mittelmäßig, da es ein storybasiertes Spiel ist.
Spieleentusiast der sich für keine Herausforderung zu schade ist. Zu den Lieblingsspielen gehören TES: Oblivion, Dark Souls, Subnautica, Phasmophobia, Control und Pokémon Emerald.