RIDE 5 im Test: Hat da jemand Gran Turismo gesagt?
Mit RIDE 5 zeigt die italienische Rennspielschmiede Milestone einmal mehr ihre Affinität zu schnellen, motorisierten Zweirädern. Während man mit Lizenzreihen wie MotoGP, Supercross und MX GP die offiziellen Spiele zu den jeweiligen Meisterschaften abliefert, konnte man sich bei der RIDE-Reihe seit jeher etwas freier austoben. Nicht umsonst gilt RIDE seit dem Debütteil im Jahr 2015 als designiertes Gran Turismo für Motorräder, sprich als extrem umfangreiches Paket, welches uns die freie Auswahl zwischen herkömmlichen Alltagsmaschinen und hochgezüchteten Renn-Superbikes lässt.
Doch gänzlich frei von Kritik war die Ride-Reihe nie, seien es die ultralangen Ladezeiten der ersten Teile oder das teils richtig miese Balancing und dem damit einhergehenden Schwierigkeitsgrad aus den letzten Ablegern. Dadurch wurde RIDE auch teilweise als Dark Souls mit Motorrädern bezeichnet.
Mit dem nun veröffentlichten RIDE 5 möchte Milestone die Reihe nun endgültig als Gran Turismo für Motorräder etablieren. Natürlich haben wir fleißig unsere Runden gedreht und klären die Frage, ob RIDE 5 mit Sonys Vierrad-Flaggschiff mithalten kann.
Der lange Weg zur Spitze
Nach einem kurzen, stimmungsvollen Intro und dem direkt folgenden Tutorial werden wir recht schnell in die Welt von RIDE 5 entlassen. Im aufgeräumt gestalteten Hauptmenü wird uns auch umgehend gezeigt, wer die eigentlichen Stars des Spiels sind. Damit sind natürlich die Motorräder gemeint, welche stets sehr hübsch von ihrer Schokoladenseite präsentiert werden.
Im Tutorial führt man uns dann auch bereits an das Kernelement von RIDE 5 heran, nämlich den Karrieremodus. Hier gilt es, zugegebenermaßen wenig innovativ, aber irgendwie auch in bester Serientradition, uns durch Rennerfolge in der Weltrangliste zu verbessern. Stehen wir anfangs noch irgendwo jenseits Platz 200, arbeiten wir uns mit Siegen beständig nach oben. Auf unserem Weg zur Spitze begegnen uns immer wieder besondere Fahrer, die mit einer kurzen, recht trocken gestalteten Einführung persönlich vorgestellt werden und gegen die wir in Kopf-an-Kopf-Rennen bestehen müssen. Wir erhalten hier vorab ein paar Infos zu dem jeweiligen Charakter, die allerdings letztlich völlig belanglos sind. Ob Fahrer XY also bereits mit dem Auto in Daytona gewonnen hat, eine spanische Rennlegende ist oder seine Gummibärchen am liebsten tiefgekühlt als Bonbon lutscht, hat in Summe einfach keine Auswirkung auf das anstehende Duell. Trotzdem ist es natürlich ein nettes Detail, das etwas auflockern soll.
Ansonsten erwarten uns in der Karriere vier große Themenblöcke, in denen wir eine ganze Menge unterschiedlicher Cups bestehen müssen. Diese Cups unterteilen sich wiederum in mehrere Einzelevents, beispielsweise klassische Rennen gegen Gegner oder Zeitfahren, wo wir eine bestimmte Bestzeit knacken müssen. Haben wir alle Rennen eines Cups gewonnen, erhalten wir als Preis ein neues Motorrad, welches wir natürlich später in weiteren Herausforderungen einsetzen dürfen.
Zusätzlich zu den vier großen Blöcken gibt es noch vier weitere Bereiche, deren Rennen jedoch nicht unserem Fortschritt in der Weltrangliste dienen. Doch auch dort verdienen wir Credits und erhalten Motorräder als Preis. Sind wir einige unterschiedliche Cups gefahren, fällt recht schnell auf, dass die Preisgelder hier teilweise etwas willkürlich ausfallen. So erhielten wir für ein kurzes Sprintrennen über drei Runden mehr Credits als für eines über fünf Runden. In Summe fallen die Belohnungen jedoch gut aus und sorgen dafür, dass uns recht schnell genug Geld zur Verfügung steht, um ein weiteres Motorrad erwerben zu können. Und das Sammeln von Motorrädern steht bei Spielen wie RIDE 5 natürlich im Vordergrund.
Arbeitsplatz Motorrad
Insgesamt stehen uns in der Karriere über 110 Cups zur Verfügung, welche sich wie gesagt noch weiter unterteilen. Die Anzahl an Rennen in der Karriere geht somit weit in die Hunderte und sorgt so für einen enormen Umfang. Man hat also eine ganze Menge zu tun. Der Motivation etwas im Weg steht hier jedoch der sehr lineare Aufbau der Karriere, der sich immer im entsprechenden Menü von links nach rechts fortsetzt. So schalten wir den nächsthöheren Cup meist erst dann frei, wenn wir ein paar Erfolge in der bisherigen Herausforderung geschafft haben. Jedoch beschränkt sich dieser Fortschritt fast immer auf den nächstgelegenen Cup. Das Überspringen von Challenges ist kaum möglich.
Ziehen wir hier den Vergleich zu Gran Turismo, so lässt uns Polyphony Digitals Werk etwas mehr Freiraum bei der Wahl unseres nächsten Rennens. Auf der anderen Seite müssen wir aber auch bereits absolvierte Cups nicht zwingend wiederholen, da es immer noch andere Rennen zu bestreiten gilt.
Absolut positiv ist jedoch hervorzuheben, dass wir die dringend benötigten Credits zum Kauf von Motorrädern oder dem Tuning nicht ausschließlich in der Karriere sammeln müssen. Denn auch, wenn wir einfach nur ein Einzelrennen abseits der Karriere starten, erhalten wir Belohnungen dafür. Das ist absolut vorbildlich und wertet den bei Rennspielen meist stiefmütterlich behandelten Einzelrennen-Modus ganz klar auf. Wer also gerade keine Lust hat, die vorgegebenen Rennen zu absolvieren, dreht einfach ein paar Runden auf seiner Lieblingsstrecke und wird dennoch dafür belohnt.
Die freie Auswahl
RIDE 5 geizt auf jeden Fall nicht mit einem: Mit Motorrädern. Über 230 Bikes stehen zum Release des Spiels zur Verfügung. Weitere sollen teils über kostenlose, teils über kostenpflichtige DLCs nachgeschoben werden. Zwar zählen in die Anzahl der Motorräder die Rennversionen der Serien-Maschinen mit in die Aufzählung, wenig Auswahl hat man aber dennoch nicht. So sind fast alle namhaften Hersteller wie Kawasaki, Honda, Ducati, BMW oder Yamaha vorhanden und bieten neben älteren Maschinen der 80er, 90er oder frühen 2000er auch aktuelle Superbikes wie das Coverbike BMW M 1000 RR des Jahrgangs 2023 an.
Nicht nur bei den Motorrädern glänzt Milestone mit Umfang, auch die verfügbaren Rennstrecken bieten ordentlich Abwechslung. Unterteilt in die Regionen Amerika, Europa sowie Asien-Afrika stehen uns namhafte Kurse wie die berühmte Nürburgring-Nordschleife, Laguna Seca, Suzuka, Sugo oder Kyalami in Südafrika zur Verfügung. Auf der britischen Insel finden sich zudem die Road-Racing-Kurse Northwest 200, UlsterGP und Southwest 100, die aufgrund ihrer enormen Durchschnittsgeschwindigkeit für ordentlich Schweißperlen auf der Stirn sorgen. Und natürlich dürfen auch die Eigenkreationen von Milestone nicht fehlen, wie der malerische Straßenkurs an der französischen Riveira oder Kanto in Japan. Komplett neu hinzugekommen ist der Blue-Wave-Kurs, welcher zwischen Bergen und Strand pendelt und sehr schöne Kurven bietet — ein echter Zugewinn im Portfolio. Vor jedem Rennen wird das jeweilige Land, in dem es stattfindet, mit einem kurzen Einspieler vorgestellt. Die Clips sind hierbei wirklich schön gestaltet und sorgen für ein gutes Plus an Atmosphäre.
Gib mir Geld
Neben den Credits, die wir zum Kaufen benötigen, erhalten wir auch noch Erfahrungs- und Affinitätspunkte. Letztere hat man sich dabei ein Stück weit von den älteren Forza-Motorsport-Teilen abgeschaut, denn je öfter wir für einen Hersteller antreten, desto mehr Rabatt gewährt uns dieser beim Kauf seiner Vehikel. Markentreue wird also durchaus wertgeschätzt. Da dies zudem immer unabhängig von unserem Tun parallel mitläuft, müssen wir hier nicht zwingend darauf achten, werden aber trotzdem für das Fahren belohnt.
Wie in einer umfangreichen Karriere meist üblich, benötigen wir für bestimmte Cups auch unterschiedliche Motorräder. Die Auswahl reicht dabei von Naked-Bikes über Sportler bis hin zu den Renn-Pendants der jeweiligen Serien-Version. Alle Motorräder sind dabei mit einem Parameter versehen, der ihre ungefähre Stärke wiedergibt. Wer also mit einer 600er Suzuki mit rund 650 Leistungspunkten gegen ein Superbike mit weit über 850 antritt, der wird ordentlich zu tun haben, um überhaupt dranzubleiben.
Die Klassifizierung funktioniert soweit gut und zeigt auch Laien schnell auf, was das jeweilige Motorrad zu leisten imstande ist. Natürlich erfordern die Cups dann auch ein Bike der entsprechenden Klasse, beispielsweise ein Sportmotorrad mit maximal 750 Leistungspunkten. Ist unser aktuelles Motorrad nicht stark genug, können wir mit Tuning nachhelfen, wobei die Optionen hier relativ rudimentär ausfallen. Neben Motor, Getriebe, Federung und Auspuff können wir lediglich noch die Felgen und die Kette verändern und natürlich Rennreifen diverser etablierter Marken aufziehen. Ins Detail geht das Tuning jedoch nicht, da hat beispielsweise Gran Turismo klar die Nase vorne. Hier gilt also: Neulinge werden nicht überfordert, aber Experten bietet das Tuning zu wenige Optionen. Hier hatten die Ride-Spiele der Vergangenheit noch einige Möglichkeiten mehr in petto.
Hast du dich etwa verskillt?
Nun führte ein System mit gewissen Anforderungen in der Karriere bezüglich Leistungspunkten und Motorradart in der Vergangenheit der Ride-Reihe durchaus zu Problemen, speziell zu Beginn der Karriere. So kauften wir uns im dritten Teil der Spielereihe ein Motorrad, welches aufgrund des eher schlechten Balancings den gegnerischen Bikes vom Start weg klar unterlegen war. Also steckten wir unser gesamtes Geld in Tuningteile oder ein neues Motorrad, dafür fehlten uns diese Credits wiederum im nächsten Cup, da wir erneut ein neues Bike benötigten. Und wählten wir hier das Falsche, fuhren wir wieder gnadenlos hinterher.
Auch in RIDE 5 ist das grundlegende Balancing des Schwierigkeitsgrades ein Thema, wenn auch in deutlich abgeschwächter Form. Prinzipiell fahren wir in manchen Rennen schnell zehn Sekunden Vorsprung heraus, während uns an anderer Stelle die Gegner bis zum letzten Meter im Nacken sitzen. Auch fallen ein paar kleinere Anomalien auf. Während wir beispielsweise im Qualifying vor einem Rennen mit Mühe und Not einen Platz in den Top 10 herausfahren, sind die Kontrahenten im Rennen plötzlich mehrere Sekunden langsamer. Dies ist jedoch nicht ganz so gravierend wie in alten Teilen der Reihe.
Mit dem falschen Motorrad an den Start zu gehen, ist in RIDE 5 eigentlich auch nicht mehr möglich, denn das Spiel hebelt diese Mechanik nun fast komplett aus. Haben wir gerade nicht das passende Motorrad für einen Cup parat, so können wir uns auch bequem ein Bike leihen. Tatsächlich haben wir dadurch sogar keine Nachteile, bis auf den Umstand, dass das zur Verfügung gestellte Motorrad natürlich absolute Serie ist. Hauptsächlich bei den Zeitfahr-Challenges, wo es auf eine einzige, gezeitete Runde ankommt, haben wir mit unseren eigenen, getunten Maschinen einen nicht unerheblichen Vorteil. Manche der dort geforderten Zeiten sind jedoch schon sehr hoch gegriffen, selbst für ein voll modifiziertes Bike.
Dennoch ist die Leih-Option ein nettes Feature. Die meisten Motorräder sind zwar vom Preis her eher moderat in der Anschaffung, doch wenn wir für einen simplen Cup mit einem Preisgeld von rund 8.000 Credits ein Bike benötigen würden, das mehrere 10.000 Credits kostet (schöner Gruß an Ducati), wäre der Kosten-Nutzen-Faktor doch ziemlich ausgehebelt.
My own creation
Eine weitere Option, die neu hinzugekommen ist, ist der Race Creator. Dahinter verbirgt sich ein extrem cooler und mächtiger Modus, der so ähnlich auch in Gran Turismo 7 oder Assetto Corsa zu finden ist und der es uns ermöglicht, Einzelrennen oder ganze Meisterschaften mit eigenen Parametern zu erstellen. Natürlich können wir auch im herkömmlichen Einzelrennen-Modus mit unserem Motorrad einige Dinge festlegen, doch im Race-Creator-Modus dürfen wir uns so richtig austoben.
Zunächst einmal wählen wir hier Name, Logo und Typ der Veranstaltung, also Einzelrennen oder Meisterschaft. Danach regeln wir weitere Einstellungen, etwa die Anzahl der Runden, ob ein Qualifying stattfindet, die Fahrhilfen, KI-Schwierigkeitsgrad und vieles mehr. Dann gilt es natürlich auch, das Feld aufzufüllen. Hierfür können wir vorbestimmte Kl-Gegner generieren, diese dann aber fast komplett nach unseren Wünschen gestalten. Dabei selektieren wir aus den ganzen Zubehörteilen wie Helmen, Handschuhen und Rennanzügen, die uns auch selbst zur Verfügung stehen und legen sogar die Nationalität des Fahrers fest.
Standardmäßig generiert kommen die Kontrahenten mit einem vorausgewählten Bike daher, welches ungefähr den Leistungsparametern unseres Motorrads entspricht. Wir können hier jedoch jederzeit die Maschinen wechseln und sogar auf unseren eigenen Fuhrpark zugreifen, inklusive der von uns im Lackierungs-Editor selbst designten Maschinen. Auf diese Weise lässt sich ein komplettes Starterfeld ganz nach unseren Wünschen erstellen und wir fahren Rennen gegen unsere eigenen Bikes. Speziell im Replay kann dies für richtig schöne Bilder sorgen.
Leider lassen sich jedoch die Namen der Kontrahenten nicht ändern. Wer also beispielsweise nationale Rennserien wie die populäre, britische BSB, die US-amerikanische AMA-Superbike oder die deutsche IDM nachbauen möchte, der muss trotz vielleicht akkurat gestalteter Bikes auf die Kl-Namen zurückgreifen. Schön wäre es, wenn Milestone diese Option noch ergänzt.
Der Lackierungs-Editor selbst lässt wenige Wünsche offen, denn hier können wir neben dem Motorrad auch Helme, Anzüge und Aufkleber selbst gestalten. Bei Bedienbarkeit und Komfort hat die Konkurrenz in Form von Gran Turismo 7 oder der Forza-Reihe jedoch etwas die Nase vorne.
Zwischen Simulation und Arcade
Kommen wir zum generellen Fahrgefühl und den Änderungsoptionen, die uns bei der Anpassung zur Verfügung stehen. Prinzipiell tendiert RIDE 5 eher in den Bereich einer Simulation. Schalten wir alle elektronischen Helferlein aus, so ist das Beherrschen der Maschinen durchaus eine ordentliche Herausforderung. Doch dank vieler Hilfsoptionen, wie der Zusammenlegung von Vorder- und Hinterradbremse, Traktionskontrolle oder sogar einer Einlenkhilfe vor Kurven, kann das Fahrgefühl schrittweise bis hin zu einem sehr zugänglichen Arcade-Gameplay geändert werden. Und legen wir uns dennoch mal auf die Nase, hilft uns die obligatorische Rückspulfunktion, das Geschehen rückgängig zu machen. Hier ist also für jeden etwas dabei, was wirklich sehr löblich ist.
Auch der Schwierigkeitsgrad der KI-Gegner lässt sich stufenlos verändern, zudem dürfen wir festlegen, ob die Kontrahenten eher ausgeglichen oder aggressiv zu Werke gehen. Prinzipiell liefern sich die Jungs und Mädels auch abseits unseres Zutuns gute Positionskämpfe oder machen Fehler. Auffällig sind ein paar Aussetzer, die wir so beispielsweise auch aus der MotoGP-Reihe kennen, bei denen die Kollegen kollektiv den ersten Bremspunkt verpassen oder in Kurven einfach direkt durch uns hindurch fahren wollen. Doch auch hier helfen die Optionen nach, denn theoretisch können die Kollisionen mit Gegnern deaktiviert werden. RIDE 5 bietet also extrem umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten, die eigentlich keine Wünsche offen lassen.
Willkommen in Marathon
Ein weiteres, neues Feature, welches nun Einzug in die Ride-Reihe gehalten hat, sind Langstrecken-Rennen. Zwar verfügt man nicht über die offizielle Lizenz der FIM Endurance World Championship, dennoch können Rennen mit bis zu vollen 24 Stunden Länge absolviert werden. Ist uns das alles zu lang, hilft ein Zeitraffer für das korrekte Feeling von Tag- und Nachtwechsel. Dank der Langstreckenrennen sind nun auch abbauende Reifen und ein sich leerender Tank ein Thema, welches wir berücksichtigen müssen.
Zudem sorgt ein dynamisches Wettersystem dafür, dass wir unter Umständen auch bei widrigen Bedingungen weiterfahren müssen. Geschickt geplante Boxenstopps zum Wechsel der Reifen sind hier dann natürlich der Schlüssel zum Erfolg. Ein nett gemachtes Detail sind die sogenannten Le-Mans-Starts vor den Endurance-Rennen, bei denen die Fahrer zu den auf der gegenüberliegenden Streckenseite geparkten Motorrädern sprinten müssen. Und auch die Boxencrew wurde vollständig animiert und bietet somit optische Kurzweil während der Wartezeit beim Boxenstopp.
Kenn ich euch nicht?
So gut die Motorradmodelle auch aussehen und so stimmungsvoll Wetterumschwung und Tag- / Nachtwechsel auch dargestellt sind, so regelrecht altbacken präsentieren sich wiederum die Piloten im Spiel. Milestone verwendet die gleichen Charaktermodelle, die man so schon aus etlichen anderen Spielen des Entwicklers kennt. Einen individuellen Charaktereditor oder zumindest andere Frisuren oder Haarfarben suchen wir vergebens. Dies ist bei einem Spiel, bei dem die Protagonisten permanent einen Helm aufhaben, eigentlich nicht extrem störend. Doch nach jedem Rennen wird uns unser Charakter mit einem Bild im Parc fermé gezeigt, wie er oder sie den erreichten Erfolg feiert. Und dort fallen die Klonsoldaten dann eben doch negativ auf.
Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben sollten die nach wie vor seltsamen Sturzanimationen, wenn es uns oder die Gegner doch mal auf den Asphalt haut. Das sieht sehr oft unfreiwillig komisch aus, stört aber dennoch, sofern man schon ältere Titel des Entwicklers gespielt hat. Hier sieht man einfach keinen Fortschritt. Dies wäre also ein Thema, das Milestone wirklich einmal in Zukunft angehen sollte.
Ansonsten präsentiert sich RIDE 5 auf der technischen Seite soweit sauber. Kleinere Bugs wie beispielsweise Aufkleber im Lackierungs-Editor, die an anderer Stelle durchscheinen, und der eine oder andere komplette Absturz begleiteten uns durch die erste Phase des Reviews. Dies sollte jedoch nichts sein, was ein Patch nicht beheben könnte. Auf der akustischen Seite kann RIDE 5 dann durchaus überzeugen, denn die Motorräder klingen in Summe sehr gut und kernig. Der Unterschied zwischen einem japanischen Zweitakter oder einer Ducati Panigale V2 ist immer klar zu hören, auch wenn man im Pulk mit mehreren Gegnern unterwegs ist. Und auch die Musik, die in den Menüs eingespielt wird, ist schön dezent, untermalt das Gesamtbild und wird nie nervig.
Fazit
Milestone möchte mit RIDE 5 die Reihe nun endlich als richtiges Gran Turismo für Motorräder etablieren. In unserem Review zeigt sich: Das ist durchaus gelungen! Da wäre zunächst einmal die sehr große Auswahl an über 230 Motorrädern, aus denen wir wählen dürfen. Bei den Strecken lässt man sich ebenfalls nicht lumpen und stellt neben klassischen Rennstrecken wie der Nordschleife, Suzuka oder Laguna Seca auch eigens designte Pisten zur Verfügung. Hier ist wirklich für jeden was dabei. Der große Umfang macht auch vor dem eigentlichen Karriere-Modus nicht halt, der mit einigen hundert Rennen aufwarten kann und für Langzeitmotivation sorgt. Leider ist die Karriere jedoch etwas zu linear gestaltet und erweckt recht schnell das Gefühl, einfach nur ein Rennen nach dem anderen abzuarbeiten.
Glücklicherweise bietet RIDE 5 hier aber einige Möglichkeiten, die diesen Effekt aushebeln. Haben wir gerade nicht das passende Motorrad für den nächsten Cup in der Garage, so dürfen wir auch mit geliehenen Bikes an den Start gehen, was uns aber fast keinen Nachteil beschert. Und für den allgemeinen Spielfortschritt sind wir ohnehin nie gezwungen, uns lediglich auf die Karriere zu fokussieren. Wir fahren lieber viele Einzelrennen auf unserer Lieblingspiste oder wir erstellen uns im umfangreichen und absolut gelungenen Race Creator eine eigene Meisterschaft, mit eigenem Kalender und im Editor selbst designten Motorrädern? Alles kein Problem, denn wir erhalten trotzdem Credits, die uns das Sammeln weiterer Motorräder erlauben, mit denen wir dann wieder schöne Meisterschaften basteln können. Gerade der Race Creator entpuppt sich im Review als mächtiges Tool, das fast genau so gerne in vielen anderen Rennspielen Einzug halten darf.
Einige weitere Pluspunkte sammeln die neuen Endurance-Rennen, durch die wir dynamisches Wetter sowie Tag- und Nachtwechsel erleben und auch auf Reifen und Treibstoff achten müssen. Als nette Details sind hier der Le-Mans-Start oder die animierte Boxencrew zu nennen. Dank Zeitraffer-Funktion können wir auch kurze Events so gestalten, als würden wir gerade ein 24-Stunden-Rennen in Angriff nehmen.
Sehr angenehm gestalten sich die umfangreichen Einstellungsmöglichkeiten im Gameplay. Man kann an sehr vielen Stellschrauben drehen und so das Fahrgefühl entweder primär simulationslastig oder aber eher arcadig ausrichten. Hier ist eigentlich für jeden Zockertyp was dabei und auch, wer bisher noch kein Motorradrennspiel gespielt hat, wird sich recht schnell zurechtfinden. Auf der grafischen Seite kann RIDE 5 jedoch nicht ganz überzeugen. So sehen zwar die Modelle der Motorräder gewohnt schön und detailreich aus, demgegenüber stehen jedoch die altbackenen Sturzanimationen der Fahrer und die immer gleichen Charaktermodelle, die man so auch schon in vielen anderen Milestone-Spielen gesehen hat.
Die Negativpunkte ändern jedoch wenig daran, dass RIDE 5 meiner Meinung nach der bisher mit Abstand beste Teil der Reihe ist. Sogar mit dem legendären Tourist Trophy, welches von den Gran-Turismo-Entwicklern Polyphony Digital für die PlayStation 2 herausgegeben wurde, kann sich RIDE 5 messen. Somit hat es sich seinen Titel als Gran Turismo für Motorräder nun definitiv verdient.
- Sehr großer Umfang an Strecken und Motorrädern
- Neue Langstreckenrennen
- Dynamisches Wetter sowie Tag-/Nachtwechsel
- Grafisch hübsche Motorräder
- Extrem viele Einstellungsmöglichkeiten zwischen Simulation und Arcade
- Credits und Erfahrungspunkte auch abseits der Karriere
- Hersteller-Affinität sorgt für Rabatte beim Kauf von neuen Motorrädern
- Leihmöglichkeit von Motorrädern in der Karriere
- Race-Creator-Modus echter Mehrwert
- Tuning und Lackierungs-Editor für Bike und Accessoires
- Details wie Le-Mans-Start und animierte Boxencrew
- KI fährt nicht nur stur hintereinander her
- Sehr schön gestaltete Intro-Videos vor den Rennen
- Multiplayer lokal per Splitscreen und online
- Karriere fühlt sich im grundlegenden Aufbau recht schnell nach Arbeit an
- Besondere Gegner in der Karriere letztlich belanglos
- Kleinere Bugs sowie komplette Abstürze vor den ersten Patches
- Belohnungen nach Rennen teilweise willkürlich
- Tuning-Optionen könnten noch umfangreicher sein
- Charaktermodelle und Sturzanimationen aus der PS3-Ära
- Grafisch wäre noch etwas mehr drin gewesen
- Balancing manchmal nicht optimal
- Editoren nicht ganz auf dem Niveau von Gran Turismo 7 oder der Forza-Reihe
- Namen der KI-Gegner im Race Creator nicht editierbar
- KI manchmal nicht auf der Höhe, beispielsweise beim kollektiven Verbremsen in Kurve 1
Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.