

Sid Meier’s Civilization VII im Test: Episches Meisterwerk oder Early Access?
Mit Sid Meier’s Civilization VII führt die beliebte Strategiespielreihe ihre lange Tradition fort und möchte erneut den Maßstab im 4X-Genre setzen. Ob sich der siebte Teil neben seinen Konkurrenten behaupten kann oder, ob er sich geschlagen geben muss, ist für viele Spieler reine Geschmackssache. In diesem Review möchten wir euch daher die wichtigsten Neuerungen näherbringen und einige Impressionen mit euch teilen, damit ihr selbst entscheiden könnt, ob das Spiel jetzt schon euer Geld wert ist.
Die wichtigsten Änderungen zu den Vorgängern
Einige wird es überraschen, dass die Ressource Zufriedenheit ihren Weg aus Civilization V zurück ins Spiel gefunden hat. So kriegen wir auch wieder einen Malus auf die Zufriedenheit, wenn wir mehr Städte bauen, als wir sollten. Hierfür wurde ein neues Siedlungslimit eingeführt.
Weitere spannende Änderungen sind die Gemeinden, welche die Städte ergänzen sollen und wie Außenposten in Humankind funktionieren. Es handelt sich hierbei um kleine Dörfer, die man später nach Bedarf zu Städten ausbauen kann. In Gemeinden können daher Gebäude und Einheiten nur mit Gold gekauft und nicht produziert werden. Auch sind manche Baumöglichkeiten gar nicht verfügbar, da diese den Städten vorbehalten sind.
In den Städten selbst gibt es nun keine Bezirke mehr, wie wir sie noch aus Civilization VI kennen. Stattdessen bauen wir nur noch Gebäude, welche jedoch, im Gegensatz zum vorherigen System, jetzt nicht mehr in der Stadt, sondern direkt auf den Geländefeldern platziert werden.
Neue Geländefelder wiederum erhalten die Städte und Gemeinden nicht mehr durch die Menge an Kultur, sondern immer dann, wenn die Stadt um einen Bürger anwächst. Geschieht das, so kann man sich ein Geländefeld aussuchen, auf welches man expandieren möchte. Auf diesem wird dann automatisch eine Modernisierung errichtet, was das System der Handwerker ersetzt. Ähnlich verhält es sich mit Spezialisten. Diese werden auch bei Städtewachstum zugewiesen und stehen in direkter Konkurrenz zur Grenzerweiterung.


Doch das ist nicht alles, es hat sich einiges getan. So gibt es jetzt keine großen Persönlichkeitspunkte mehr. Die Persönlichkeiten werden einfach direkt mit Gold gekauft oder mit Produktion ausgebildet. Das ist ein wenig schade, da es dem Spiel die Tiefe nimmt. Auch die schönen Bilder und Hintergrundgeschichten zu großen Persönlichkeiten gibt es nicht mehr.
Das Regierungssystem ist Civilization VI nachempfunden, aber leicht verändert. So gibt es neue, mit Karten zuweisbare Politik-Slots jetzt nur noch durch Feiern. Eine solche Feier wird ausgelöst, wenn es einen Zufriedenheitsüberschuss gibt und man lange genug Zufriedenheit angesammelt hat. Diese Änderung ermöglicht es, die eigene Strategie dahingehend auszurichten, das Volk möglichst glücklich zu machen.
Ressourcen können Städten und Gemeinden jetzt unabhängig vom Ort des Vorkommens direkt zugewiesen werden, solange diese an das Handelsnetz angeschlossen sind, so zum Beispiel über den Land- oder später auch den Seeweg. Um Ressourcen zu handeln, müssen die Händler bzw. Kaufmänner jetzt in das Gebiet des gewünschten Handelspartners vordringen, damit sie einen Handelsweg abschließen können. Vorbei ist es also mit einer „1-Click-Traderoute“.
Die letzte wichtige Änderung wird einige Spieler freuen, denn Spionage ist von Runde 1 an möglich – allerdings gibt es keine Spione mehr. Diese wurden durch Spionage-Optionen im Beziehungsmenü ersetzt, welches man aufruft, wenn man mit einer anderen Partei verhandeln möchte. So gibt es neben gemeinsamen offenen Grenzen nun von Anfang an die Möglichkeit, Regierungsgeheimnisse zu stehlen.


Humankind war eine große Inspiration
Civilization VII hat sich viel bei seiner Konkurrenz abgeschaut und das verwundert nicht, hat uns Humankind doch einige spannende neue Features gebracht. Eines davon ist das System der Epochen mit jeweils unterschiedlichen Kulturen, aber gleichen Anführern. Trotzdem hat Civilization VII dieses System nicht einfach nur kopiert, sondern in gewohntem Charme seine eigene Version entworfen. So gibt es nur drei Zeitalter und statt generischen Personas, wie in Humankind, echte Anführer aus der ganzen Welt. Diese können dann auch noch im Level aufsteigen, was tatsächliche, auswählbare Ingame-Boni mit sich bringt.
Eine weitere Neuerung, welche sich auf Humankind bezieht, ist die Kriegsunterstützung. Diese kann auf verschiedene Weise erhöht werden, so zum Beispiel mit Einfluss, welcher die frühere Diplomatische Gunst darstellt. Kriegsunterstützung kann dabei positiv wie negativ ausfallen und wird 1:1 zur Angriffsstärke gerechnet.
Auch die narrativen Events, deren Wahlmöglichkeiten unterschiedliche Boni oder Malusse bringen, sind teilweise von Humankind übernommen. Diese wurden dort allerdings noch weiter ausgeführt und auch andere 4X-Spiele haben bereits auf narrative Events gesetzt - so zum Beispiel Old World.
Eigene Innovationen
Kommandanten ersetzen Generäle und können jetzt von Anfang an mehrere Einheiten auf einmal bewegen. Dazu können die Einheiten wie in einen Container ein- und ausgeladen, sowie auf dem Spielfeld platziert werden. Das erleichtert das Bewegen von vielen Einheiten gleichzeitig enorm. Zusätzlich verfügen Kommandanten über einen eigenen Fähigkeitsbaum, mit dem zum Beispiel die Bewegungspunkte der geladenen Einheiten erhöht oder die Angriffspunkte der Einheiten im Umkreis verstärkt werden können. Im Gegenzug gewinnen die Einheiten selbst jedoch keine Erfahrung mehr, sondern nur ihre Kommandanten, wenn sie in der Nähe der Einheiten sind.
Der Fortschritt durch die drei Zeitalter wird mit einem neuen System realisiert, bei dem man spezielle Ziele verfolgen muss, um Zeitalterpunkte zu sammeln und am Ende auch den Sieg zu erringen. Dies hält die Partie immer frisch und gibt eine ungefähre Zielvorstellung, nach der man seine eigene Strategie richten kann.
Bestimmte Gebäude, Wunder und Einheiten sind nicht mehr nur an eine Technologie geknüpft, sondern können über verschiedene Pfade im Technologie- und Ausrichtungsbaum erreicht werden. Das ermöglicht eine weitaus tiefere Spezialisierung in eine Richtung, ohne auf wichtige Technologien oder Ausrichtungen verzichten zu müssen – definitiv eine Verbesserung!
Suchtpotenzial erkannt und bestätigt
Der bekannte Satz „Just one more turn…“ trifft auch auf den neuesten Teil der Spielreihe zu. Gerade durch die kurzen Zeitalter mit verschiedenen nachverfolgbaren Zielen wird man immer am Ball gehalten und möchte weiterspielen. Dazu kommt, dass die Grafik des Spiels wirklich sehr schön anzusehen ist und eine Symbiose aus Civilization V und VI darstellt, was den Geschmack vieler Spieler treffen dürfte. Auch der Soundtrack muss sich nicht verstecken. Seien es die Titel-Hymne oder die Ingame-Musik zu den einzelnen Völkern, hier wurde ganze Arbeit geleistet.


Einige Features machen noch keine gute Figur oder fehlen ganz
So lobend die Kommandanten auch zu erwähnen sind, so nervig können sie aber auch sein. Wenn man mehrere von ihnen in unterschiedliche Richtungen spezialisiert hat und dann die richtigen Einheiten den entsprechenden Kommandanten zuordnen muss, verliert man nämlich sofort den Überblick. Um zu sehen, welcher Kommandant nun auf Fernkämpfer, Bewegung, Kavallerie, Belagerung oder Nahkämpfer spezialisiert ist, muss man diesen erst anklicken und den Fähigkeitsbaum aufrufen. Vergisst man einmal, die Einheiten wieder einzuladen, so findet man sich plötzlich in einem Szenario wieder, wo Einheiten und Kommandanten quer über die Karte verstreut sind und man mehrere Runden braucht, um alle wieder zusammen zu führen.
Leider hat sich am Kampfsystem selbst nicht so viel geändert, wie vielleicht erwartet oder erhofft. Hier konnte Humankind die Spielerschaft damals positiv überraschen, wohingegen Civilization VII zu diesem Zeitpunkt noch kein Wagnis eingeht.
Einige Dinge stören zudem den Spielfluss ungemein. So gibt es keine Pins mehr, um das Spiel voraus zu planen oder wichtige Punkte zu markieren. Das ist zwar teilweise verständlich, da es auch keine Bezirke mehr gibt, trotzdem wäre es schön, wenn es das Feature wieder ins Spiel schaffen würde. Neben den Pins gibt es jetzt auch viel weniger Infolinsen als vorher und so mancher Bug ist noch präsent. Schaltet man das Gitter der Hexfelder aus, so wird dies irgendwann wieder von allein eingeblendet, ohne dass man darauf Einfluss nehmen kann.
Was hingegen wirklich schade ist und einige Fans enttäuschen wird, ist die Tatsache, dass es keine Grafiken mehr für Artefakte, Kunstwerke oder ähnliches gibt. Diese werden jetzt nur noch durch standardisierte Icons dargestellt. Das ist ziemlich langweilig und unkreativ, wo es Civilization bisher doch immer geschafft hatte, große Persönlichkeiten und Kunstwerke in den Vordergrund zu rücken und dem Spieler zu offenbaren. Beides ist jetzt verloren gegangen.
Auch beim Sound merkt man das an jeder Stelle. Es werden von Teil zu Teil immer weniger Texte vertont und die vertonten Texte werden immer kürzer. Das ist schade, da gerade durch audiovisuelle Reize ein großes Maß an Atmosphäre geschaffen wird.
Das Interface ist noch im Early Access
Es gibt zum Start noch so manche Bugs im UI. Einheiten können nicht einfach abgewählt werden und lassen sich manchmal nicht sofort bewegen, sondern müssen mehrmals aufgefordert werden. Das Scrollen in Menüs interferiert mit dem Zoom der Spielkarte, sodass hin und wieder ungewollte Effekte entstehen und mit dem Suchen in der Produktionsliste das Spiel hinaus- und hineingezoomt wird. Das wäre noch zu verkraften, wenn nicht das Interface an sich so schlecht dastehen würde. Es sieht leider aus wie aus einer frühen Phase des Spiels und hätte sich von seinen Vorgängern noch etwas abschauen können. Als einzige Hoffnung bleibt, dass dies in baldigen Updates angegangen wird.
Weiterhin sind Einheiten kaum zu unterscheiden, da die Icons so winzig sind, Städtenamen hingegen sind so riesig dargestellt, dass sie schon fast verpixelt wirken. Dabei kann die Größe des UI oder der einzelnen Elemente auch nicht einfach eingestellt werden. Es gibt auch keine direkte Verlinkung von Schlüsselwörtern in die Zivilopädie des Spiels, sodass man immer manuell klicken und schreiben muss, wenn man etwas nachlesen möchte. Zudem ist die Zivilopädie auch unvollständig und hält zu manch wichtigen Begriffen keine Beschreibung parat.
Viele Dinge werden im Spiel nur angeschnitten und nicht gänzlich erklärt – trotz Turorial – ,wie Details zum Zeitalterfortschritt oder den Siegbedingungen. Insgesamt ist das UI sehr lieblos gestaltet und nicht intuitiv bedienbar, an manchen Stellen gar klobig. Dieser Gesamteindruck nimmt dem Spiel dann leider viel Atmosphäre und wäre ein wichtiger Punkt zum Release gewesen.
Fazit
Sid Meier’s Civilization VII bietet ein großartiges Spielerlebnis und ist in vielen Teilen jetzt schon ein würdiger Nachfolger von Civilization VI. Trotzdem trügt der Schein leicht, da das Spiel in einigen Bereichen noch nicht ganz fertig entwickelt zu sein scheint. Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial und wahrscheinlich wird es auch hier wie bei den Vorgängern oder vielen anderen heutigen Spielen so sein, dass es erst mit einem großen DLC wirklich so wird, wie es sein sollte. Man muss den Entwicklern zwar zugute halten, dass sie bereits jetzt in sehr kurzen Abständen regelmäßige Updates veröffentlichen, gleichzeitig aber auch schon die ersten bezahlten DLCs. Dass England dazu gehört, hat viele Fans zurecht aufgeregt. Auch bleibt fraglich, ob es Dinge wie Kunstwerke und Musikstücke wieder in das Spiel schaffen werden, wenn man sie einmal entfernt hat.
Ich würde mir Civilization VII kaufen, da viele neue Gameplay-Features wirklich Spaß machen und das Spiel einen doch recht guten Gesamteindruck hinterlässt. Auf der anderen Seite finde ich, mindestens 100 Euro auszugeben, damit man auch alle verfügbaren Inhalte bekommt, ziemlich viel Geld dafür, dass es in manchen Teilen noch nicht fertig ist.
- Viele Neuheiten
- Spannende Mechaniken
- Schöne Grafik
- Gute Performance
- Ästhetik wurde wegoptimiert
- Fehlende Atmosphäre
- Sehr teuer

Leidenschaftlicher Gamer mit Vorliebe für gute Soundtracks. World of Warcraft Veteran seit 2007 und großer Fan von Simulatoren, 4X- und Strategiespielen. Mit über 1200 Stunden Spielzeit ist Civilization der Vorreiter meiner Steambibliothek. Außerdem interessieren mich gute Rollenspiele und Shooter wie Assasin's Creed und Far Cry, bei denen ich kaum einen Teil der beiden Reihen ausgelassen habe.