Tin Hearts im Test: Mit Spielzeugsoldaten durchs Haus
Bei Tin Hearts handelt es sich nicht etwa um einen medizinischen Unterstützungsapparat oder einen Gegenstand, den ein gewisser Blechmann vermisst, sondern um ein kleines Puzzlespiel des Entwicklers Rogue Sun. In diesem eher ungewöhnlichen Rätselspiel müssen wir eine Reihe von Spielzeugsoldaten durch die Labyrinthe ganz normaler Räume bugsieren. Wie sich das gestaltet, erfahrt ihr im Test.
Wo sind wir und was sind die Tin Hearts?
Das Spiel verschwendet keine Zeit mit Erklärungen über die Geschichte. Diese erfahren wir erst nach und nach durch Kommentare, Schriftstücke und schemenhafte Erinnerungen. Manchmal gibt uns sogar nur das World Building Hinweise und wir müssen selbst etwas rätseln und interpretieren. Recht schnell wird aber klar, dass es sich bei unserer Spielfigur um einen Geist handelt. Und auch, dass wir wahrscheinlich den Herren des Hauses, in dem Tin Hearts spielt, den Spielzeugmacher Albert Butterworth spielen. Das wird durch Dokumente wie Briefe und vertonte Gedanken unserer Spielfigur klar. Der Ton der Erzählung ist von Anfang an eher traurig bis melancholisch. Das Haus, das das Setting darstellt, ist sehr groß, hat viele Zimmer und ist teilweise sehr prunkvoll. Es könnte sich also gut um eine Art Herrenhaus handeln, aber da das komplette Spiel innerhalb der Mauern stattfindet, ist das schwer zu bestimmen. Wir arbeiten uns in den verschiedenen Kapiteln von oben nach unten, also vom Dachboden bis zum Keller, durch das Gemäuer. Die Gefilde werden somit von Natur aus immer düsterer. Und je weiter wir fortschreiten, desto mehr offenbart sich die Geschichte Alberts, seiner Frau und deren Tochter. Und auch die eine oder andere überraschende Sequenz fehlt nicht.
Mit Spielzeug quer durch das ganze Haus
In Tin Hearts dürfen wir das machen, was uns als Kind immer verboten wurde: mit unserem Spielzeug Strecken durch die ganze Wohnung/Haus bauen. Die einzelnen Level innerhalb der Kapitel werden durch Zimmer dargestellt, und davon gibt es wie bereits erwähnt eine ganze Menge. Sie variieren dabei in Größe, Form und Einrichtung sehr stark. Je nach Position im Haus beziehungsweise Kapitel sind diese thematisch gegliedert. Wir rätseln uns von staubigen Dachgeschosszimmern über verspielte Kinderzimmer bis in die düstere Kellerwerkstatt. Alle Räume haben aber gemein, dass wir immer etwas Spielzeugmäßiges finden, was wahrscheinlich daran liegt, dass wir einen ehemaligen Spielzeugmacher spielen. Wenn wir uns in den Räumen umschauen, finden wir immer mindestens eine kleine rote Tür und eine Kiste mit Aufziehsoldaten. Das Ziel jedes Raums ist dadurch schnell klar, wir müssen irgendwie die stur geradeaus marschierenden Soldaten in das Türchen bekommen. Da wir aber recht körperlos sind, können wir nicht direkt interagieren. Bei näherem Umsehen finden wir aber allerhand Gegenstände, von denen wir Besitz ergreifen können, um sie zu platzieren. In den ersten Leveln finden beziehungsweise erinnern wir uns immer wieder an Erfindungen, die unsere Möglichkeiten erweitern.
Beispielsweise eine Greifzange, mit der wir weiter entfernte Objekte greifen können, Schlittschuhe, die uns daran erinnern, wie man läuft, oder eine Uhr, mit der man die Zeit beschleunigen, anhalten oder zurückspulen kann. Die Rätselelemente sind meist ebenfalls Spielzeuge, also Kindertrommeln, kleine Heißluftballons und Erbsenkanonen. Sobald wir es geschafft haben, genug der kleinen Soldaten durch geschicktes Platzieren von Elementen durch die kleine Zieltür zu bugsieren, öffnet sich die Zimmertür und wir können einen neuen Raum betreten. Ein häufiges Element zum Rätsel lösen sind dreieckige Bauklötze. Diese sind anfangs noch mit ausgestanzten Mustern versehen, die nur auf bestimmte Halterungen passen, später können sie frei platziert und gedreht werden. Das Tutorial ist durch solche Kniffe perfekt in den Spielfluss integriert. In den ersten paar Räumen lernt man alles, was notwendig ist, und bekommt nach und nach alle Werkzeuge an die Hand. Spätere Zimmer werden nur dadurch schwerer, dass mehr Elemente kombiniert werden oder die Dimensionen an sich größer werden. Dadurch sind aufeinanderfolgende Räume manchmal etwas eintönig. In den Funktionsräumen des Kellers kommen dann auch noch elektrische Schaltungen oder ähnliches hinzu.
Aus den Augen eines Geistes
Spätestens in der Darstellung wird der einstmalige VR-Ursprung von Tin Hearts deutlich. Wir nehmen alles aus der ersten Perspektive von Albert wahr, und sobald wir nach etwas greifen, ist deutlich eine Hand zu sehen, genau wie man es von modernen VR-Titeln kennt. Die Steuerung ist aber auch mit normaler Peripherie sehr gut nutzbar und eingängig. Das VR würde nur noch einen kleinen Bonus geben. Die ungewöhnliche Perspektive wird mit klaren Auswirkungen beziehungsweise Anzeige der Wege unserer kleinen Schützlinge ausgeglichen. Allgemein sind die Visuals passend zum Setting etwas verspielt und haben zusammen mit dem Soundtrack etwas magisches.
Fazit
Mit Tin Hearts erwartet euch ein Rätselspiel mit erstaunlich tiefgehender beziehungsweise düsterer Story. Ich war von der Erzählweise und davon, wie viel man mit Traumsequenzen, kurzen Kommentaren und Leveldesign erzählen kann, durchaus überrascht. Durch die Möglichkeit, Objekte frei zu platzieren, gibt es durchaus auch mal mehr als einen Lösungsweg, auch, wenn es immer einen klar präferierten gibt. In späteren, größeren Levels ziehen sich die Rätsel leider manchmal etwas. Die Steuerung und Perspektive sind manchmal etwas ungewohnt, aber nie in einem Maße, dass das Spiel behindert wird. Dieses Spiel kann also jedem Puzzle und Rätselliebhaber empfohlen werden, der auch eine etwas düstere Story verträgt.
- Viele Rätselmechaniken
- Einige Level
- Überraschend tiefe Story
- Perspektive manchmal schwierig
- Aufeinanderfolgende Level ähneln teilweise stark
Hat seit dem Gameboy jede Handheld-Generation ausgiebig genutzt. Es stehen vorallem Coop- und Multiplayer-Spiele hoch im Kurs.