Tour de France 2023 im Test: Die Jagd auf das gelbe Trikot geht weiter
Tour de France 2023 leitet die diesjährige virtuelle Radsportsaison ein, und zwar knapp einen Monat vor dem Start des wichtigsten Radrennens der Welt am 1. Juli. Wie sich der diesjährige Ableger der Sportsimulation auf der PS5 geschlagen hat, zeigt euch unser Test.
Wir starten in die Saison
Der schlichte Menüaufbau der Reihe bleibt auch im Jahr 2023 quasi gleich und bietet uns ausschließlich Altbekanntes. So empfiehlt es sich nach längerer Pause einen Blick in das Training zu werfen, um die grundlegende Steuerung und auch die verschiedenen Feinheiten im Gameplay der Fahrradsimulation aufzufrischen oder auch erstmalig kennenzulernen. Wer die Reihe seit Jahren verfolgt, stellt hier fest, dass die Trainingssession im Prinzip komplett übernommen wurde und die gleichen Abschnitte behandelt. Hierzu gehören neben der Steuerung unseres Fahrrads auf der Straße, vom Beschleunigen und Bremsen bis hin zum Attackieren, auch das Energiemanagement mitsamt Verpflegung. Aber auch der Teamfunk, der es uns erlaubt, unseren Teammitgliedern während des Rennens Befehle zu erteilen, den aktiven Fahrer zu wechseln oder das Rennen vorzuspulen sowie das im vergangenen Jahr deutlich aufpolierte Zeitfahren werden hier kurz und bündig vorgestellt. Hierbei präsentiert sich Tour de France 2023 gewohnt griffig und eingängig, aber eben auch ohne jegliche Veränderung im Vergleich zum Vorjahr.
Viel Ebbe bei den Lizenzen
Dies gilt im Übrigen auch fast gänzlich für die spielbaren Rundfahrten und Klassiker. Natürlich wurden die einzelnen Etappen an die Profile des aktuellen Radsportjahres angepasst, dennoch sind mit der vollständigen Tour de France, dem Critériun du Dauphiné und Paris Nizza nach wie vor lediglich drei lizenzierte Mehrtagesfahrten mit dabei. Hinzu kommen Eintages-Klassiker wie Lüttich-Bastogne-Lüttich, Paris Roubaix und die Vlaanderen Classic, die alle schon seit längerem Teil der Spielereihe sind. Auch bei den fiktiven Rundfahrten (Euro Tour und Open Tour) sowie den an ein bekanntes Rennen angelehnten Ereignissen (Les 3 Jours de Provence, Breizh Cup) gibt es keine Neuzugänge zu vermelden. Die Eintagesrennen ohne Lizenz, wie die im vergangenen Jahr eingeführte Primavera Classica, die an Mailand – San Remo erinnert, die Meisterschaftskurse von Düsseldorf, Imola, Como und Innsbruck sowie der Giro di Como erhalten ebenfalls keinen Neuzugang. Alles in allem ist es leider wieder recht enttäuschend, dass sich in Sachen Lizenzen nichts getan hat und man nicht wenigstens fiktive Pendants zu den anderen beiden großen Rundfahrten in Italien und Spanien geschaffen hat, um eine halbwegs realistische Saison absolvieren zu können.
Viel Bekanntes bei den Spielmodi
Die zugegebenermaßen dieses Jahr sehr überschaubaren Neuerungen beziehen sich diesmal fast gänzlich auf das Gameplay, denn auch bei den Spielmodi hat sich fast nichts verändert. So können wir über den Reiter “Rennen” nach wie vor einzelne Touren oder Eintagesrennen ohne weitere Teamfunktionen bestreiten und dabei die Kontrolle über die bekannten Profiteams übernehmen. Hier sind wie gehabt alle zum jeweiligen Rennen zugelassenen Teams mit Originaltrikot und Name vertreten und auch bei den Fahrern ist die Lizenzdichte sehr hoch. Einige schwarze Schafe, die nur mit einem entfremdeten Namen und ohne echtes Porträt mit dabei sind, gibt es aber auch diesmal wieder – leider auch bei den ranghöchsten Sportlern wie dem aktuellen Weltmeister Remco Evenepoel. Mit Cofidis, Soudal Quick-Step und TotalEnergies sind es dieses Mal ganze drei bekannte Teams, die gänzlich ohne Porträts und zu großen Teilen auch ohne echte Fahrernamen auskommen müssen, ebenso wie das kleinere Team Blanders Folaise, was natürlich im Gesamtbild schon stört. Glücklicherweise können wir wenigstens bei den Namen nachhelfen und diese im Editor händisch korrigieren. Neu ist, dass wir im Rennen-Modus nun direkt alle zur Verfügung stehenden Strecken absolvieren können und diese nicht erst freischalten müssen.
Im größten Modus mit Namen “Profiteam” stürzen wir uns dagegen wie immer in eine oder mehrere Seasons mit einer von uns erstellten Mannschaft, um hier durch unsere Erfolge nach und nach im Ranking nach oben zu klettern und dadurch auch zusätzliche Rennen freizuschalten und bessere Fahrer zu erhalten. Bis auf das jährliche Austauschen der Fahrer bleiben die Management-Funktionen aber auch im größten Modus wie gewohnt außen vor, sodass wir uns wie jedes Jahr von Rennen zu Rennen hangeln, auch ohne wirkliches Rahmenprogramm, bis auf den einen oder anderen akustischen Kommentar unseres Teamchefs. Hier wäre es schön gewesen, wenn man nach all den Jahren mal ein wenig mehr drumherum zu bieten hätte, wie es mittlerweile in vielen anderen Sportsimulationen Standard ist. Auch der Pro Kapitän Modus, der vor nicht allzu langer Zeit komplett überarbeitet wurde, hat sich seitdem nicht mehr wirklich verändert, sondern bietet uns die Chance, einen eigenen Fahrer zu erstellen und durch das Erreichen bestimmter Ziele seine Fähigkeiten zu verbessern und ihn in verschiedenen Kategorien zu spezialisieren. So verbessern wir seine Bergfertigkeiten beispielsweise durch Siege bei Bergetappen oder optimieren seinen Antritt durch Erfolge bei Zwischensprints oder Flachetappen. Auch, wenn der Modus in der aktuellen Form immer noch richtig gut gemacht ist, wären auch hier einige Fortschritte wünschenswert gewesen, zum Beispiel im Hinblick auf eine etwas spektakulärer Präsentation abseits der Strecken, zum Beispiel mit Zeitungsausschnitten, Pressekonferenzen oder Ähnlichem.
Nachdem die Online-Funktion vor zwei Jahren gänzlich gestrichen wurde, entschied man sich im vergangenen Jahr, mit den “Rennen des Augenblicks” einen neuen Onlinemodus einzuführen. Dieser ermöglichte es uns, durch Erfolge bei zeitlich begrenzten Rennen Punkte zu sammeln und uns auf diesem Weg im Rahmen von Bestenlisten mit anderen Spielern zu messen. Dieser Spielmodus ist auch 2023 wieder mit an Bord und wurde, zusätzlich zu den klassischen Rennen, um Abfahrtsherausforderungen ergänzt. Hier messen wir uns, wieder über Online-Ranglisten, mit den Ergebnissen anderer Spieler und haben dadurch eine zusätzliche Motivation, an unserer Taktik auf den speziell gestalteten reinen Abfahrtsstrecken zu arbeiten. Auch, wenn die beiden Online-Modi überschaubar sind, sorgen sie dennoch dafür, dass wir etwas länger am Ball bleiben, auch nachdem wir die Rundfahrten und Eintagesrennen schon mehrfach beendet haben.
Neuerungen in erster Linie beim Gameplay
Die wenigen Neuerungen der aktuellen Ausgabe sind in erster Linie im Gameplay zu finden. Im vergangenen Jahr durften wir uns ja unter anderem auf verbesserte Rennvorfälle wie Stürze oder Erkrankungen oder auch auf simulierte Trainings zwischen den Renntagen freuen, die die Leistungsfähigkeit unserer Fahrer positiv oder negativ beeinflusst haben. Diese Verbesserungen sind natürlich auch dieses Mal wieder mit dabei, aber es wurden auch einige weitere Optimierungen vorgenommen. So wurden mit den Attributen Mittelgebirge und Beweglichkeit zwei zusätzliche Kriterien eingeführt, anhand derer sich die Fähigkeiten der Fahrer und auch deren Verhalten auf der Strecke noch realistischer abbilden lassen. Gerade das Mittelgebirge als Unterscheidung zu Hügeln und den großen Bergen ist hier definitiv eine gute Sache, denn nicht jeder Berg ist gleich und erfordert die gleichen Fertigkeiten, wie man auch am echten Profiradsport sieht. Eine weitere Verbesserung betrifft den Pro Kapitän Modus, denn hier haben wir im Vorfeld nun die Möglichkeit, Teamkameraden zu rekrutieren. Dabei stehen uns vor Beginn der Karriere auch unterschiedliche Optionen in Bezug auf deren Fähigkeiten zu Verfügung, sodass wir beispielsweise ausschließlich mit Kameraden auf niedrigem Niveau, mit erfahrenen Veteranen oder mit Anführern, die um die Siege mitkämpfen, in unsere erste Saison starten dürfen. Auch können wir uns dazu entscheiden, lediglich zusammen mit Nachwuchsfahrern an den Start zu gehen, die jünger als 25 sind und damit noch an der Jungfahrer-Wertung teilnehmen. Um gezielt Mitfahrer zu rekrutieren, was im Übrigen erst ab der zweiten Saison möglich ist, steht uns, wie im Proteam Modus, ein Budget zur Verfügung, dessen Höhe wir vor Spielbeginn beeinflussen können, sodass es knapp, komfortabel oder reichlich vorhanden sein kann. Dieses können wir dann nutzen, um freie Plätze in unserem Team mit geeigneten Fahrern aufzufüllen oder, um von uns verkaufte Teammitglieder zu ersetzen.
Eine zusätzliche Optimierung betrifft die Bildung von Grupettos hinter dem Feld, in denen sich abgehängte Fahrer zusammenfinden können, um den Schaden zu minimieren. Früher waren die zurückgefallenen Fahrer meistens alleine unterwegs und haben dadurch viel Zeit verloren, sodass hier an der richtigen Schraube gedreht wurde, um das Spielgeschehen realistischer zu machen. Schön ist auch, dass man auf der Strecke nun deutlich mehr Widerstand spürt, wenn man im Feld auf einen anderen Fahrer auffährt. Durch das verbesserte Kollisionsverhalten ist es gleichzeitig aber auch einfacher, sich im Feld nach vorne zu arbeiten, da die Widerstände einfach sehr viel natürlicher wirken als in älteren Ablegern. Weiterhin wurde auch die Darstellung der Minimap im Zielbereich überarbeitet, ähnlich wie vor einigen Jahren bei den Abfahrten. Dadurch sehen wir die Kurven und auch wichtige Punkte wie die 1-Kilometer-Marke auch auf der Karte sehr viel deutlicher und können dadurch präziser steuern und unsere Kraft besser einteilen. Eine weitere optische Verbesserung ist die Einführung von speziellen Startnummern für das aktuell beste Team sowie für den kämpferischsten Fahrer einer Rundfahrt. Diese gliedern sich gut in die übrigen Wertungstrikots sowie die Welt- und Europameisterjerseys im Peloton ein und sorgen so für ein noch realistischeres Gesamtbild.
Grafisch gewohnt gut mit alten Macken
Optisch muss sich Tour de France 2023 keinesfalls verstecken und bietet uns wieder glaubhafte und abwechslungsreiche Streckendesigns, bei denen nicht nur zahlreiche Zuschauer am Streckenrand stehen, teilweise in Gruppen, alleine, oder auch mit ihrem Auto, und uns anfeuern, winken und zurufen. Auch erkennen wir im Vorbeifahren neben der authentisch gestalteten Natur auch immer wieder Ortschaften, Städte und Sehenswürdigkeiten, sodass es während der Fahrt nicht langweilig wird. Ein mittlerweile altehrwürdiges Problem des Spiels ist hingegen die Tatsache, dass es sich bei den Fahrern offenbar um Klone handelt, denn jedes Gesicht, das uns am Start der Etappen entgegenblickt, sieht, wie jedes Jahr, komplett identisch aus. Warum es bei den Zuschauern am Wegesrand gelingt, Abwechslung in deren Erscheinungsbild zu bringen, bei den Fahrern des Pelotons aber nicht, wird wohl auf ewig das Geheimnis der Entwickler bleiben. Nachvollziehbar ist es in jedem Fall nicht und es verpasst der ansonsten wirklich sehr gut geratenen Optik immer wieder aufs Neue einen spürbaren Dämpfer. Gerade bei der Siegerehrung, wenn nacheinander mehrere eineiige Zwillinge das Podest betreten und die Arme in die Luft werfen, sieht das Ganze schon etwas affig aus. Auch in Hinblick auf den Sound müssen wir dem Spiel leider merklichen Stillstand bescheinigen, sodass uns die bekannten Songs und auch fast ausschließlich bekannte Sätze des Kommentators erwarten, die Fans der Reihe inzwischen auswendig können sollten. Auch an dieser Stelle müsste dringend mal ein wenig gearbeitet werden, um die Sportsimulation wieder etwas frischer wirken zu lassen.
Fazit:
Ich verfolge die Radsport-Reihe jetzt wirklich schon viele viele Jahre und in all der Zeit war von großen und kleinen Fortschritten bis hin zu komplett austauschbaren Ablegern ohne wirkliche Weiterentwicklung und auch schmerzlichen Rückschritten wirklich alles dabei. Letztere bleiben uns in Tour de France 2023 glücklicherweise erspart, so richtig voran geht es mit der Simulation aber auch nicht. Besonders schmerzt der Stillstand natürlich bei den verfügbaren Strecken und auch bei den Lizenzen, die noch immer einige große Lücken aufweisen, die vermutlich auch nie geschlossen werden. Gleiches gilt für die nach wie vor vollkommen unverständliche komplett identische Optik der Fahrer im Feld, die mich jedes Jahr aufs Neue mit dem Kopf schütteln lässt. Ja, die Gameplay-Optimierungen wie die zwei neuen Attribute für die Fahrer, die rekrutierbaren Mitstreiter im Pro Kapitän Modus oder auch die Einführung der zusätzlichen Rückennummern sind gut und notwendig – richtig spektakulär sind sie aber auch nicht. Auch der weitere Online-Modus mit Fokus auf den Abfahrten ist eine nette Ergänzung, eine zusätzliche Rundfahrt oder eine umfangreichere Karriere-Präsentation, zum Beispiel mit Pressekonferenzen oder ähnlichem, hätten aber deutlich mehr Eindruck gemacht. Alles in allem ist die 2023er Ausgabe insgesamt gewohnt solide, baut dabei aber vor allem auf das Fundament der Vorgänger ohne selbst sehr viel dazu beizutragen. Wer die aktuellen Etappen der Tour de France fahren will und unbedingt den frischen Trikotsatz benötigt, kommt um die neue Simulation natürlich nicht herum, alle anderen sollten sich genau überlegen, ob die neuen Funktionen ausreichend sind.
- Gewohnt gute Steuerung
- Wertige Optik und Etappengestaltung, u.a. mit aktuellen Tour-Etappen
- Alle Originaltrikots und Teamnamen mit dabei
- Neue Rückennummern für Team- und Kampfgeistwertung
- Zwei zusätzliche Attribute für mehr Dynamik
- Verbesserte Kollisionen
- Im Pro Kapitän Modus haben wir nun Einfluss auf Teamkameraden
- Eine neue Online-Ranglisten-Herausforderung
- Kein einziges neues Rennen
- Immer noch große Lücken bei den Lizenzen
- Identische Gesichter im Peloton
- Keinerlei Umrahmung bei der Karriere
- Viel zu viele altbekannte Kommentare
Ein begeisterter Konsolenspieler mit einem breit gefächerten Interessengebiet. Neben Shooter-Serien wie Battlefield oder Call of Duty gehören auch Action-Adventures wie klassische Assassin's Creeds, die Batman-Arkham-Reihe oder The Last of Us Part 1/2 zu den bevorzugten Titeln. Hinzu kommen Survival-Games wie ARK, Horror-Klassiker a la Resident Evil sowie Open-World-Abenteuer im Stile von Far Cry oder Red Dead Redemption. Sport-Franchises wie FIFA oder Tour de France erweitern das Interessenfeld, ebenso wie sämtliche Titel aus dem Star-Wars-Universum.