Turnip Boy Robs a Bank im Test: Die Gangster-Rübe schlägt zu!
Mit Turnip Boy Robs a Bank hat sich Indie-Entwickler Snoozy Kazoo einen durchaus interessanten Kniff einfallen gelassen. Denn wo der Vorgänger Turnip Boy Commits Tax Evasion noch eher in Richtung eines Action-RPGs tendierte und dementsprechend klassische Adventure-Kost ablieferte, kommt der zweite Teil nun als Twin-Stick-Shooter und Roguelike daher. Obendrein hat man sich noch offensichtlich von Hotline Miami inspirieren lassen. Raubüberfälle statt Steuerhinterziehung, kann das funktionieren? Zeit für uns, das Spiel einem Test zu unterziehen und dabei natürlich, wie sollte es dem Titel nach anders sein, die Bank zu überfallen.
Ba-ba-ba-ba-ba-Banküberfall
Das neue Abenteuer beginnt kurz nach den Ereignissen des Erstlings. Unsere Hauptfigur, eine kleine, putzige Rübe, wird von einer zwielichtigen Gurke namens Gurkini kontaktiert. Dieser ist Anführer der Gemüse-Gang und möchte uns für einen besonders riskanten Job einspannen. Da wir wohl chronisch klamm sind und auch sonst gerade nichts zu tun haben, sind wir natürlich sofort Feuer und Flamme.
Um an schnelles Geld zu kommen, sollen wir zusammen mit Gurkinis Team, bestehend unter anderem aus einer Wissenschaftler-Avocado und einem Cyborg-Radieschen, eine nahe gelegene Bank ausrauben. Doch dabei handelt es sich nicht um irgendein Geldhaus. Nein, unter der Führung eines ebenso undurchsichtigen wie gefährlichen Knoblauchs namens Knobi scheint das Kreditinstitut einiges mehr zu beherbergen als nur Moneten. Es liegt nun an uns, die Bank zu überfallen und alle Geheimnisse aufzudecken, die sich hinter der gewöhnlichen Fassade verbergen.
Doch natürlich können wir nicht einfach ungeschoren in die Räumlichkeiten eindringen und dort so lange bewaffnet herumlaufen, wie wir möchten. Neben dem obligatorischen Wachpersonal und vielen Sicherheitsvorkehrungen läuft auch noch ein gnadenloser Timer herunter, der uns die Ankunft der Polizei voraussagt. Wenn die Verstärkung eintrifft, heißt es definitiv, die Beine in die Hand zu nehmen. Wobei wir als Rübe natürlich keine Hände haben. Aber das ist ein anderes Thema.
Warum denn so ernst?
Ihr seht schon: Wirklich ernst nimmt sich der zweite Teil der Turnip-Boy-Reihe nicht. Es wäre aber auch sicherlich eine außerordentliche Leistung gewesen, mit knuffigen Rüben, fragwürdigen Mafiosi-Gurken und bebrillten Avocados eine absolut bierernste Geschichte zu erzählen. Das ist freilich kein Negativpunkt, denn im Rahmen der Story ist Turnip Boy immer für einen Lacher gut. Der teils absurde Humor ist definitiv eine der großen Stärken im Spiel und hat uns einige Schmunzler auf das Gesicht gezaubert. Und sei es nur durch das Hauptmenü, wo unser Gemüse zu cooler Hip-Hop-Mucke mit dem Flucht-LKW durch die Gegend düst. Da würde sogar das Trio aus GTA V neidisch werden. Allerdings gibt es auch einige Anspielungen auf den Vorgänger, die man ohne dessen Kenntnis schwer verstehen kann. Doch wirklich störend ist dies nicht.
Auf visueller Seite erwartet uns eine schöne Retro-Optik, die stilistisch sehr gut zum Vorgänger passt. Trotz der eher pickles... Entschuldigung, pixeligen Optik strotzen die Levels vor Details, die wir oftmals sogar zerstören können. Auch wenn mal etwas Chaos ausbricht, bleibt Turnip Boy Robs a Bank stets absolut flüssig und somit sehr gut spielbar. Im akustischen Bereich überzeugt das Spiel ebenfalls völlig. Uns beschallen diverse, sehr gut gewählte Musikstücke, die das treibende Spielgefühl unterstreichen. Im Spielverlauf dürfen wir sogar noch weitere Stücke freischalten. Oftmals erinnerte uns die Musik an andere bekannte Top-Down-Vertreter mit Retro-Optik, nämlich die grandiose Hotline-Miami-Reihe. Musikalisch braucht sich die Rübe hier nicht zu verstecken, was sicherlich ein sehr großes Kompliment ist.
Voll auf die Rübe
Auch das grundsätzliche Spielgefühl teilt sich Turnip Boy Robs a Bank durchaus mit Hotline Miami. Im Kern ist der neueste Ausflug unseres Gemüses eben ein Twin-Stick-Shooter. Wir bewegen uns aus Top-Down-Perspektive durch die Räumlichkeiten der Bank und ballern alles über den Haufen, was sich uns in den Weg stellt. Hierzu zählt neben Schnecken oder Hasen, die bereits im Vorgänger unsere Wege kreuzten, auch das bewaffnete Sicherheitspersonal. So ergeben sich recht schnell interessante und spannende Schusswechsel, in denen wir auch die Deckung im Level durchaus miteinbeziehen müssen, um überleben zu können.
Während die ersten Gegner noch moderat daherkommen, erwarten uns später richtig dicke Brocken, die wahre Bullet-Hells auf uns abfeuern. Neben den Standard-Feinden gibt es natürlich auch die obligatorischen Bossgegner, die unterschiedliche Kampfphasen aufweisen und stets etwas andere Taktiken erfordern. Der großartige Humor im Spiel macht auch vor diesen nicht halt, wenn uns beispielsweise im ersten Kampf der Chef des Wachpersonals in Gestalt einer schießwütigen Kartoffel mit dem recht ausdrucksstarken Namen Sergeant Yeehaw in seinem Büro empfängt.
Für Abwechslung ist also definitiv gesorgt. Geht uns während unseres Raubzuges doch mal die Zeit aus, erscheint zudem Verstärkung in Form der Polizei, die im Spiel stets im Gangster-Slang Polente genannt wird. Deren Auftauchen sorgt für zusätzlichen Stress, da die Kerle wirklich überall zahlreich spawnen. Je länger wir gegen diese antreten, desto höher wird unser Fahndungslevel, was schließlich darin mündet, dass der finstere Knobi die Bank einfach mit Giftgas flutet. Ein gemütliches und entspanntes Räubern ist so natürlich nicht mehr möglich.
Die gesamte Spielzeit von Turnip Boy Robs a Bank beläuft sich auf rund acht bis zehn Stunden, natürlich je nachdem, wie man sich bei den Beutezügen so anstellt und ob man absolut jede Ecke erkundet hat. Richtig gut ist dabei, dass uns das Spiel die Wahl zwischen zwei Schwierigkeitsgraden lässt. Gerade für Einsteiger oder Spieler, die generell nicht so viel mit Roguelikes anfangen können, ist Turnip Boy absolut einen Blick wert, da man auf dem leichteren der beiden Stufen schon einige Treffer aushält, bevor unsere Rübe das Zeitliche segnet.
Risk, Reward und Rübe
Natürlich lässt sich so ein großes Gebäude wie Knobis Bank nicht in einem Rutsch überfallen. Da unsere Rübe immer alleine unterwegs ist, starten wir somit mehrere Raubzüge. Dabei ist es durchaus unterhaltsam, wie oft wir immer an der gleichen Stelle in die Bank einbrechen, ohne dass sich die Sicherheitsvorkehrungen im Eingangsbereich irgendwann einmal verbessern würden. Hier kommt so ein bisschen „Täglich grüßt das Murmeltier“ oder „Free Guy“-Feeling auf.
Bei jedem Raubzug sitzt uns wie gesagt ein gnadenloser Timer im Nacken. Während dieser herunter tickt, führen wir Feuergefechte, schnappen uns wertvolle Gegenstände wie Smartphones, Statuen oder Schuhe, schütteln im wahrsten Sinne des Wortes das Geld aus den Zivilisten im Gebäude und lösen sogar Quests für diverse NPCs. Hier gilt es beispielsweise, einer Zitrone Scheidungspapiere abzuluchsen, einer Influencerin an eine offene Rechnung eines Malers zu erinnern oder einem total hippen Dämonen-DJ die Seelen getöteter Feinde zu überreichen. Auf unserem Weg treffen wir auf allerlei Gemüse, tierfilmende Gummibärchen oder satanistische Katzen. Auch hier gilt also: Ernst nimmt sich Turnip Boy Robs a Bank zu absolut keiner Zeit.
Jedoch laufen, das sei nicht unerwähnt, die meisten Nebenquests ziemlich nach dem üblichen „Bringe A von B nach C“-Muster ab. Hier fehlt es dann doch etwas an Abwechslung. Spätestens mit Ablauf des Timers gilt es, den strategischen Rückzug anzutreten, damit wir unsere gesammelte Beute auch sicher nach Hause bringen können. Erwischt es uns nämlich während unseres Raubzuges, verlieren wir einen nicht unerheblichen Teil der gesammelten Knete sowie alle Objekte, die wir geklaut haben. Man muss also stets abwägen, ob man sich noch ein Stück weiter vorantraut, um mehr Beute einsacken zu können, dafür aber auch einen längeren Rückweg und unter Umständen sogar massive Feuergefechte in Kauf nimmt.
Glücklicherweise behalten wir alle fortschrittsrelevanten Items wie Schlüsselkarten oder Gegenstände, die wir eingesammelt haben für unsere nächsten Überfälle. Da wir weiter hinten im Gebäude zudem praktische U-Bahn-Stationen entdecken, können wir gegen einen kleinen Obolus auch direkt dort die Bank verlassen. Dies spart uns im späteren Spielverlauf einiges an den immer gleichen Laufwegen zum Rückzug, auch wenn wir meist in wenigen Sekunden sehr viel Wegstrecke schaffen, wenn wir nicht nach links oder rechts blicken. Für weitere Abwechslung sorgt der Fakt, dass die zahlreichen Fahrstühle im Gebäude ein Eigenleben zu führen scheinen. So betreten wir in jedem Durchgang neue Räumlichkeiten, in denen weitere Rätsel zu lösen sind. Diese wiederholen sich aber von Zeit zu Zeit, sodass wir dort angenommene Quests auch irgendwann später noch lösen können.
Hit me Rübe, one more time
Ganz Roguelike gestaltet sich Turnip Boy Robs a Bank durchaus grindlastig. So lohnt es sich etwa, ab und an einen „normalen“ Raubzug in die bereits bekannten Gebiete zu starten, um einfach nur möglichst viel Geld und Beute einzusammeln. Denn damit lassen sich in unserem Versteck zahlreiche nützliche Upgrades freischalten, die uns bei künftigen Einsätzen weiterhelfen. Neben zusätzlicher Lebensenergie oder verbessertem Schaden finden wir auch mitunter besondere Waffen im Gebäude, die wir natürlich direkt einsetzen können. Während die ersten dauerhaften Upgrades noch recht günstig sind, wird für spätere Stufen schon ordentlich Geld gefordert. Hier ist also, ganz im Sinne der Bank, Sparen angesagt.
Zusätzlich zu den beiden Startwaffen, die wir in jeden Versuch mitnehmen können, erhalten wir natürlich auch noch Knarren von den gefallenen Wachleuten. Auch hiervor macht der Humor des Spiels nicht halt, denn wir feuern beispielsweise Feuerwerksraketen ab oder nutzen einen stacheligen Kaktus als Pumpgun. Retten wir eine solche Waffe nach Hause, können wir diese für Upgrades unserer Standardwaffen nutzen. Haben wir zu Beginn nur ein Schwert und eine Pistole, kommen später auch nützliche Argumentationsverstärker wie Sturmgewehr oder Granatwerfer hinzu, die uns den Einstieg in die Bank natürlich erheblich erleichtern.
Weitere Ausrüstung dürfen wir zudem im Darknet erwerben. Gerade C4 oder auch ein Laser sind durchaus praktisch, wenn es gilt, verschlossene Tresore aufzubrechen. Wer ein richtiger Gangster sein will, der achtet zudem auf sein Äußeres. So lassen sich im Spiel einige zusätzliche Outfits für unseren Rübenkrieger freischalten, die sich jedoch meist auf simple Kopfbedeckungen begrenzen. Dennoch: Dank der Upgrade-Mechanik, der vielen nützlichen Verbesserungen, dem Darknet und den vielen Nebenmissionen ergibt sich ein sehr gelungener Gameplay-Flow. Da jeder Durchgang in der Bank meist nur wenige Minuten dauert, stellt sich sehr schnell das berühmte „Ein Spiel mach ich noch“-Gefühl ein.
Fazit
Auch wenn die Prämisse Banküberfall nicht die originellste Idee ist und man zudem immer in das gleiche Kreditinstitut einsteigt, macht Turnip Boy Robs a Bank schon verdammt viel Spaß. Das liegt zum einen am sehr gelungenen Gameplay, der griffigen Steuerung und dem großartigen Humor, zum anderen aber auch daran, dass die Bank selbst sehr groß ausfällt und viel Abwechslung bietet. Während wir zunächst noch in typischen Büroräumen zwischen Geldautomaten, Schreibtischen und Bankschaltern unser Unwesen treiben, gibt es später im Spiel auch noch deutlich weitläufigere Gebiete, die sich optisch stark unterscheiden.
Sehr schnell stellt sich bei Turnip Boy das „Ein Durchgang noch“-Gefühl ein, was auch daran liegt, dass jeder Raubzug nur wenige Minuten dauert und wir eigentlich immer mit Gewinn rausgehen. Unterstützt wird dies noch durch den absolut gelungenen, treibenden Soundtrack, durch den wir uns mehr als einmal wie in Hotline Miami fühlten.
Dank zweier wählbarer Schwierigkeitsgrade bietet Turnip Boy Robs a Bank zudem auch für Einsteiger und Leute, die um Roguelikes einen großen Bogen machen, ein richtig gutes, unterhaltsames Spiel. Ein wenig Spaß an Grind sollte man allerdings mitbringen, da man selten mehrere Dinge in einem Durchgang erledigen kann und einem auch oft erst einmal das Geld für nötige Upgrades oder Ausrüstung fehlt. Dennoch hatte ich mit Turnip Boy Robs a Bank sehr viel Spaß. Für mich ein sehr frühes Indie-Highlight des Jahres 2024.
- Grandioser Humor im Spiel
- Sehr guter Gameplay-Flow
- Abwechslungsreiche Gebiete, obwohl „nur“ in einer Bank angesiedelt
- Griffiges Kampfsystem
- Stimmungsvolle Optik
- Exzellenter Soundtrack
- Update-Mechaniken motivieren zum Weiterspielen
- Viele Nebenmissionen
- Zwei Schwierigkeitsgrade
- Teilweise durchaus grindlastig
- Nebenmissionen meist Schema „Bringe A von B nach C“
- Einige Anspielungen beziehen sich auf den Vorgänger, die man ohne dessen Kenntnis schwer versteht
- Alternative Kostüme beschränken sich auf Kopfbedeckungen
Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.