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Review

Weird West - das etwas andere Cowboy-RPG im Test

Von Daniel Walter am 14. April 2022. Getestet auf PS4. Zum Spiel hier klicken.

Der Wilde Westen gehört spätestens seit der Red-Dead- und der Call-of-Juarez-Reihe fest zum Videospiel-Universum. Dass es dabei nicht immer nur um staubige Saloons, Schießereien und Banküberfälle gehen muss, sondern auch Zombies und andere übernatürliche Geschöpfe in der Welt der Cowboys und Banditen alles andere als Fehl am Platz sind, beweist das Iso-Rollenspiel Weird West. Wie sich der Mix aus Red Dead Redemption, Fallout und Desperados im Test geschlagen hat, erfahrt ihr hier.

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Willkommen im Wunderlichen Westen

Anfangs mutet die Geschichte des Western noch völlig normal an. In der ersten von fünf unterschiedlichen Handlungen schlüpfen wir in die Rolle der ehemaligen Kopfgeldjägerin Jane Bell, die ihre Karriere beendet und sich mit Mann und Kind auf eine Farm zurückgezogen hat, um dort einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Wie so oft im Wilden Westen werden wir allerdings von unserer Vergangenheit eingeholt und eines schönen Tages von einer Gruppe von Banditen, den Stillwaters, heimgesucht, die nicht nur unseren Jungen töten, sondern uns auch aus unserer friedlichen Scheinwelt reißen. Nach einem Treffen mit dem Sherrif ist klar, dass seit dem Angriff auch von Janes Mann jede Spur fehlt. Umgehend befördern wir unseren vergrabenen Revolver wieder ans Tageslicht und machen uns auf den Weg ins nahegelegene Grackle, wo ein Verbündeter der Bande im Gefängnis sitzt, in der Hoffnung, mehr über den Aufenthaltsort des entführten Ehemannes zu erfahren. In der Stadt angekommen, offenbart sich uns ein Ort des Grauens, denn überall auf der Straße liegen Leichen und getötete Tiere – offenkundig hat die Bande auch hier schon Angst und Schrecken verbreitet. Bei der Befragung des Gefangenen, die wir übrigens sowohl freundlich als auch mit leichter Gewalteinwirkung führen können, erfahren wir, dass die Bande auf Befehl des berüchtigten Shelby Cross unterwegs ist. Im weiteren Verlauf folgen wir den Spuren des Verbrechers und sind spätestens nach dem Aufeinandertreffen mit einer mysteriösen jungen Frau vollkommen sicher, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Ihr leerer Blick und ihr seltsames Verhalten sind dabei nur die ersten Indizien für die übersinnlichen Kräfte, die sich im Wunderlichen Westen ausgebreitet haben. Als wir in der darauf folgenden Sequenz beobachten können, wie sich Shelby Cross in eine riesige Sirene verwandelt und daraufhin einen seiner Gefolgsmänner verspeist, verstehen wir aber endgültig den Titel des Rollenspiels. Wie bereits erwähnt dürfen wir im Laufe unseres Abenteuers noch weitere Charaktere steuern und die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Infolgedessen werden auch wir selbst noch zur Obskurität und erleben diese etwas andere Version des Wilden Westens unter anderem aus der Sicht eines Schweinsmenschen. Auf diese Weise ist nicht nur für Abwechslung gesorgt, sondern auch für ein außergewöhnliches Spielerlebnis, das wir so definitiv noch nicht gesehen haben.

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Gelungenes Echtzeit-Kampfsystem

Auch, wenn Weird West optisch stark an die Desperados-Reihe erinnert, unterscheidet es sich bei den Kämpfen doch stark von der Konkurrenz. Hier setzt das Rollenspiel nämlich auf ein unterbrechungsfreies Echtzeit-System, bei dem wir mit Fernwaffen wie Revolvern und Gewehren oder auch mit Wurfgeschossen wie Dynamit frei zielen und unsere menschlichen und tierischen Feinde nach Belieben ausschalten können. Die Steuerung der Zielmarkierung über den rechten Stick geht hierbei allerdings nicht immer leicht von der Hand und ist gerade in brenzligen Situationen auch gerne einmal ein Frustfaktor. Ein leises Vorgehen mittels Anschleichen und Stealth-Kill ist übrigens ebenfalls möglich und erspart uns die eine oder andere Schießerei. Um unsere Spuren zu verwischen, können die Leichen der Feinde auch im hohen Gras versteckt oder sogar im Sand vergraben werden. Darüber hinaus haben wir auch die Chance, unsere Umgebung taktisch zu nutzen, indem wir beispielsweise Öllampen und Sprengstofffässer anvisieren, um einen verheerenden Flächenbrand oder eine Explosion auszulösen. Damit wir sämtliche Winkel der Spielwelt untersuchen und alle taktischen Möglichkeiten zu unserem Vorteil nutzen können, verfügt das Spiel über eine frei bewegliche Kamera, die in Verbindung mit der isometrischen Perspektive für eine gute Übersicht sorgt. Je nach Situation und persönlichem Geschmack kann hier übrigens die Entfernung zur Spielfigur variiert werden, um entweder einen besseren Überblick oder eine eindringlichere Atmosphäre zu erreichen. Ergänzend zu unseren regulären Waffen verfügen wir außerdem über spezielle Talente, die Aktionspunkte verbrauchen und in der Regel auch eine Abklingzeit besitzen. Je nach Charakter reichen diese von magischen Fähigkeiten bis hin zu besonderen Schusswaffen- und Nahkampfangriffen oder statusverändernden Aktionen, mit denen Gegner zum Beispiel kurzzeitig verlangsamt oder zu Verbündeten transformiert werden. Neben aktiven Talenten können mithilfe von im Spiel gesammelten Relikten aber auch passive Fertigkeiten erworben werden, die beispielsweise die Chance auf kritische Treffer erhöhen oder für einen kurzen Zeitraum das Nachladen aussetzen.

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Clevere Gegner und ein interessantes Konzept

Unsere Gegner agieren in den Auseinandersetzungen übrigens alles andere als stupide und machen die Kämpfe auch auf der einfachsten von insgesamt vier Schwierigkeitsstufen anspruchsvoll und fordernd. So weichen sie unseren Schüssen gekonnt aus, nutzen vorhandene Deckungsmöglichkeiten oder verfolgen uns über längere Strecken, bis sie sich schließlich wieder zum Ausgangsort zurückziehen. Ein einfaches Losstürmen und Um-sich-Schießen ist daher in den meisten Fällen eher weniger empfehlenswert und endet nicht selten mit unserem Ableben. Wir selbst sind aber ebenfalls in der Lage, uns gegen die Angriffe zur Wehr zu setzen, indem wir uns mit eleganten Sprüngen aus der Schussbahn bringen oder hinter Felsen oder Häusern verstecken, bis die Feinde unsere Spur verloren haben. Da Weird West auch darauf ausgelegt ist, verschiedene Vorgehensweisen auszuprobieren, ist es mit einer praktischen Schnellspeicher-Funktion ausgestattet, die uns an jedem Punkt nach Belieben einen Checkpoint setzen lässt. Es gibt übrigens neben gewöhnlichen Cowboys, Kreaturen und Tieren auch stärkere Gegner, die mit einem entsprechenden Abzeichen gekennzeichnet sind. An dieser Stelle ist auch interessant zu erwähnen, dass nicht nur Feinde, sondern im Prinzip jeder getötet werden kann, auch Schlüsselfiguren der Geschichte. Das Spiels ist allerdings so konzipiert, dass das Abenteuer auch beim Eintreten eines solchen Falls fortgesetzt werden kann, nur eben ohne den entsprechenden Handlungsstrang.

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Großartige Wild-West-Atmosphäre, die noch besser hätte sein können

In Sachen Atmosphäre spielt Weird West ab der ersten Spielminute die ganz große Geige. Von detailliert gestalteten Western-Städtchen und staubigen Canyons, über denen die Geier ihre Kreise ziehen, bis hin zum improvisierten Banditenlager oder der obligatorischen Ranch werden hier alle Klischees bedient und wirklich rundum überzeugend umgesetzt. Dabei ist es nicht nur das grundlegende Umgebungsdesign mit seinen authentischen Holzhäusern, Kutschen, Bäumen und Felsformationen, das den Charme des Wilden Westens perfekt einfängt. Es sind gerade auch die kleineren Elemente wie Kakteen und Sträucher, die sich im Wind bewegen, gestapelte Kisten und Fässer, auf denen Öllampen oder Flaschen platziert wurden, oder auch die typischen aufgespießten Büffelschädel und anderen Tierskelette, die die Kulisse glaubhaft wirken lassen. Hinzu kommen stimmungsvolle Lagerfeuer, an denen rohe Lebensmittel zu heilenden Mahlzeiten verarbeitet sowie verschlossene Truhen, die mit einem Dietrich geöffnet werden können, um in Besitz ihres wertvollen Inhalts zu gelangen. Aber auch im Weirden Westen ist nicht alles Gold, was glänzt. So fanden wir es beispielsweise schade, dass das Öffnen von Schlössern mit dem Dietrich automatisch vonstatten geht, ohne dass wir hier ein Minirätsel oder wenigstens eine Art Quick-Time-Event lösen müssen. Auch die Aufteilung der Spielwelt lässt leider einiges an Potenzial liegen. Die einzelnen Areale können zwar komplett frei erkundet werden, allerdings sind diese räumlich doch recht stark begrenzt, sodass wir keine zusammenhängende offene Welt vorfinden. Stattdessen müssen wir mithilfe der Weltkarte von einem zum anderen Ort reisen und sehen dabei lediglich unser Spielersymbol über die Karte wandern. Diese Vorgehensweise steht dem cowboytypischen Freiheitsgefühl leider etwas im Weg, da wir eben nicht einfach mit unserem Pferd durch weitläufige Steppen reiten können. Natürlich muss nicht jedes Rollenspiel mit einer Open-World daherkommen, bei diesem Setting hätte sich eine größere Spielwelt aber in jedem Fall angeboten. Um das etwas unspektakuläre Reisen ein wenig aufregender zu gestalten, haben sich die Entwickler entschieden, diese regelmäßig zu unterbrechen, zum Beispiel, wenn uns unterwegs wilde Kojoten angreifen oder reisende Händler mit interessanten Waren begegnen.

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Fazit:

Wer auf der Suche nach einem klassischen Wild-West-Abenteuer ist, dürfte sich bei Weird West hin und wieder verwundert die Augen reiben, wenn plötzlich Schweinsmenschen, Zombies oder gefräßige Sirenen über den Bildschirm huschen. Diese einzig- und auch etwas eigenartige Interpretation eines Western hat aber definitiv ihren Reiz. Sowohl das gelungene Echtzeit-Kampfsystem als auch die zahlreichen Gegnertypen und Spielmechaniken, bei denen beispielsweise auch die Umgebung miteinbezogen werden kann, sorgen für ein abwechslungsreiches und auch forderndes Rollenspielerlebnis. Auch die außergewöhnliche Geschichte mit ihren skurrilen Charakteren und ihren unterschiedlichen Perspektiven hat mich wirklich überzeugt, ebenso wie die wirklich großartig inszenierte Spielwelt, die kein Wild-West-Klischee außen vor lässt. Einige Entscheidungen der Entwickler konnte ich dann aber doch nicht ganz nachvollziehen, wie zum Beispiel den Verzicht auf eine offenere Spielwelt, die dem Setting und der Cowboy-Thematik ohne Zweifel gut getan hätte. Auch das automatisierte Knacken von Schlössern, der selbst auf dem niedrigsten von vier wählbaren Stufen äußerst knackige Schwierigkeitsgrad oder auch die gerade in hektischen Situationen nicht einfach zu meisternde Zielmechanik trüben den ansonsten wirklich sehr guten Gesamteindruck ein wenig. Nichtsdestotrotz kann Weird West allen Cowboy-Fans, die einmal einen Blick über den Tellerrand werfen wollen, ohne Bedenken empfohlen werden.

Pro:
  • Interessante Interpretation des Wilden Westens
  • Gelungenes Kampfsystem mit zahlreichen Angriffsoptionen und taktischen Möglichkeiten
  • Authentische Cowboy-Atmosphäre mit allen Klischees
  • Außergewöhnlicher Grafikstil
  • Clevere Gegner
Contra:
  • Keine offene Welt, auch wenn sich diese angeboten hätte
  • Reisen zwischen den unterschiedlichen Orten nur per Karte dargestellt
  • Steuerung beim Zielen hier und da etwas hakelig
  • Auch auf niedrigster Stufe ein knackiger Schwierigkeitsgrad
  • Automatisiertes Schlösserknacken
Story:
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Gameplay:
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Grafik:
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Atmosphäre:
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Unsere Wertung: 8.0 / 10
Spiel getestet auf: PS4
Daniel Walter

Daniel Walter

Ein begeisterter Konsolenspieler mit einem breit gefächerten Interessengebiet. Neben Shooter-Serien wie Battlefield oder Call of Duty gehören auch Action-Adventures wie klassische Assassin's Creeds, die Batman-Arkham-Reihe oder The Last of Us Part 1/2 zu den bevorzugten Titeln. Hinzu kommen Survival-Games wie ARK, Horror-Klassiker a la Resident Evil sowie Open-World-Abenteuer im Stile von Far Cry oder Red Dead Redemption. Sport-Franchises wie FIFA oder Tour de France erweitern das Interessenfeld, ebenso wie sämtliche Titel aus dem Star-Wars-Universum.

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