Ghostwire: Tokyo im Test: Wie spielt sich die Geisterjagd?
Mit der The-Evil-Within-Reihe konnte sich Tango Gameworks, das Entwicklerstudio von Resident-Evil-Erfinder Shinji Mikami, einen Namen unter Horrorfans machen. Mit Ghostwire: Tokyo will man nun gänzlich neue Wege gehen, den Horror-Wurzeln aber treu bleiben. Schon die ersten Trailer sahen sehr vielversprechend aus. Aber wie schlägt sich das Spiel im Test?
Mit Fingern gegen Geister
Ghostwire: Toyko ist ein First-Person-Shooter mit Open-World-Horrorsetting. Dabei ist die Spielwelt zwar frei erkundbar, aber abgesehen von ein paar Nebenaufgaben sehr geradlinig.
Der Spieler wird nach einem Autounfall unmittelbar in ein von den Einwohnern verlassenes Tokio geworfen. Durch die Straßen der einst so belebten Metropole wandern nun geisterartige Wesen, sogenannte Visitors, gegen die es sich zu verteidigen gilt. Nach einer kurzen Videosequenz schlüpft der Spieler in die Rolle von Akito, der sich nicht nur den Visitors gegenüber sieht, sondern auch mit einer mysteriösen Stimme im Kopf zu kämpfen hat. Diese scheint ihm jedoch wohlgesonnen zu sein, denn die Stimme, die sich bald als KK vorstellt, verleiht Akito von nun an übernatürliche Fähigkeiten.
Mit den Fingern kann der Protagonist fortan Gesten formen, die als eine Art Schusswaffe gegen jegliche Gegner eingesetzt werden können. Schnell trifft Akito auf eine Gruppe Hannya-Masken tragender Kämpfer, die nicht nur mit den mysteriösen Vorfällen in Tokio, sondern auch mit dem Verschwinden von Akitos Schwester in Verbindung zu stehen scheinen. Wie gehören also all diese Dinge zusammen? Genau das gilt es im Spielverlauf herauszufinden.
Offene Welt, geradlinige Story
Auch, wenn Ghostwire: Tokyo eine offene Welt zum Erkunden bietet, ist die Kerngeschichte in rund 15 Stunden abgeschlossen. Einige Sidequests erzählen kleinere, mal mehr, mal weniger interessante Geschichten. Alle anderen Aktivitäten der Open-World sind inhaltlich wenig motivierend. Es gibt Schreine zu reinigen, um die Stadt von einem mysteriösen Nebel zu befreien, und Seelen aufzusammeln, die über die ganze Map verteilt sind. Leider wurde hier auf stumpfes Abarbeiten statt auf spannendes Erkunden gesetzt.
Tokio ist dabei stets schön anzusehen und wirkt lebendig. Die schillernden Neonreklamen, die detailliert gestaltete Umgebung und die tolle Atmosphäre machen über den kompletten Spielverlauf Eindruck und können rundum gefallen. Trotzdem wirkt die Entscheidung, das Spiel als Open-World anzulegen, etwas undurchdacht. Um eine offene Welt auch wirklich erkunden zu wollen, braucht es für uns mehr als schöne Optik und ein paar einfache Sammelaufgaben. Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen. Denn als geradlinige Story kann Ghostwire: Tokyo überzeugen.
Neue Wege
Auch wenn es optisch erst mal sehr cool aussieht, die Gegner allein mit den stylishen Gesten zur Strecke zu bringen, wird hier spielerisch leider kaum Tiefgang geboten. So eigenständig das Design des Spiels auch ist, so flach ist leider auch das Gameplay. Zwar werden im Spielverlauf verschiedene Gesten erlernt, die man in typische Waffengattungen “übersetzen” könnte – so gibt es beispielsweise ein “Schrotflinten-Äquivalent”, etc. – allerdings verpasst man hier die Chance, auch spielerisch neue Wege zu gehen.
Ghostwire: Tokyo spielt sich wie ein typischer Shooter, allerdings ohne große Abwechslung. Das haptische Feedback des PlayStation-5-Controllers wurde hier allerdings sehr gut eingebunden. Dies verleiht den Kämpfen etwas mehr Immersion und fühlt sich über die gesamte Dauer des Spiels überraschend gut an. Upgrades können durch ein XP-Äquivalent erkauft werden und auch hier gibt es nur Altbekanntes. Motivation kommt dabei kaum auf.
Aber was macht dann Ghostwire: Tokyo aus, wenn die Open-World nicht zum Erkunden einlädt und das Gameplay keinen Tiefgang bietet? Die Antwort ist schnell gefunden: Das Spiel bietet eine wirklich herausragende Atmosphäre und ein unfassbar spannendes Artdesign. Gegner, Videosequenzen und Leveldesign “entschädigen” für alles, was an spielerischer Tiefe vermisst wird. Sieht man Ghostwire: Toyko als geradliniges Story-Spiel alter Schule, bekommt man hier eine einzigartige Erfahrung, die vor allem durch Kreativität punktet.
Wow!
Die Story mag an einigen Stellen etwas dünn sein, großartig erzählt ist sie allemal. Tango Gameworks wissen eben, wie man interessante Settings baut. Schon The Evil Within 2 hat damals in Sachen Worldbuilding und Leveldesign wirklich rundum begeistert. Hier kann auch Ghostwire: Tokyo ganz klar mithalten.
Schon früh kommt der Spieler in den Genuss einiger sehr interessant gestalteter Levelabschnitte, die atmosphärisch nicht besser umgesetzt werden könnten. Hier bietet das Spiel durchweg eine sehr coole Spielerfahrung. Unterstützt wird die sehr gelungene Präsentation vor allem durch die sehr gute Einbindung des DualSense-Controllers. Das tolle haptische Feedback und KKs Stimme, die aus dem Controller-Lautsprecher dröhnt, sind hier besonders erwähnenswerte Highlights.
Optisch kann sich das Spiel über große Strecken wirklich sehen lassen. Ein paar Ecken des virtuellen Tokio wirken uninspiriert und hier und da fallen weniger schön gestaltete Objekte auf, alles in allem bietet Ghostwire: Tokyo aber eine sehr ordentliche Grafik. Spielt man mit Kopfhörern, bekommt man auch audiotechnisch ein sehr solides Spiel geboten. Gerade in den Videosequenzen kann hier durch Surround-Sound gepunktet werden.
Fazit
Wer über eine uninspirierte Open-World und fehlenden spielerischen Tiefgang hinwegsehen kann, bekommt eine atmosphärische und optisch herausragend umgesetzte Geschichte geboten, die vor allem durch eine kurzweilige und geradlinige Erzählweise punktet. Langweilige Fetch-Quests lässt man am besten links liegen und legt stattdessen den Fokus auf das tolle Leveldesign, die mitunter sehr schöne Optik und die vielen coolen kleinen Details im Artdesign. Hier hat sich der Mut zur Eigenständigkeit wirklich ausgezahlt.
Ghostwire: Tokyo hat trotz offenkundiger Schwächen seine Daseinsberechtigung, kann kurzweilig überzeugen und durch eine unglaublich gute Präsentation sogar streckenweise erstaunen. Warum es auf Biegen und Brechen ein Open-World-Spiel sein musste, ist mir unverständlich, denn gerade in der Geradlinigkeit und Kurzweiligkeit hat das Spiel für mich seinen Reiz.
- Atmosphärisch einzigartig und dicht
- Schöne Optik
- Unverbrauchtes Setting
- Spielprinzip ohne Tiefgang
- Viele Open-World-Aufgaben wirken uninspiriert
Leidenschaftlicher Zocker, der irgendwo zwischen Shootern, Plattformern, Action-Adventures und arcadigen Sportspielen zuhause ist. Zu den Lieblingsreihen gehören Resident Evil, The Last Of Us, Call Of Duty und GTA.