Haven im Test: Ein romantisches Abenteuer
Nach dem 2016 erschienenen Shooter Furi folgt nun mit dem Action-Rollenspiel Haven der nächste Streich des französischen Entwicklerstudios The Game Bakers. Dabei bedient man sich munter bei so manchen Spielgrößen wie Journey oder Persona. Wir haben uns für euch auf der PlayStation 4 in die fremde Welt von Source gestürzt und klären, ob die romantische Geschichte von Haven rund um Yu und Kay nur ein kurzer Flirt ist oder doch etwas Ernsteres.
Gemeinsam ist vieles besser
So wirklich einfach ist die Situation für unsere jungen Hauptfiguren, den Wissenschaftler Kay und die technikbegabte Yu, nicht. Zunächst einmal befinden sie sich auf der Flucht aus ihrer Heimat, schlicht Korb genannt. Ihr Ziel ist der eigentlich verlassene Planet Source, auf dem sie eine Zuflucht finden und sich vor ihren Verfolgern aus dem Korb verstecken wollen. Doch kaum dort angekommen und einigermaßen akklimatisiert, beschädigt ein Erdbeben das Nest, wie die beiden liebevoll ihr Raumschiff nennen. Doch Yu und Kay lassen sich nicht unterkriegen und machen sich auf, den Planeten weiter zu erkunden und mit den dort auffindbaren Mitteln ihr Raumschiff zu reparieren. Denn so verlassen und unzivilisiert, wie Source in den Sternenkarten aufgeführt ist, ist der Planet gar nicht. Überall finden sich Reste einer ehemaligen Kolonie des Korbs. Wohngebäude, technische Einrichtungen, das alles wartet darauf, von den beiden erforscht zu werden. Und zu allem Überfluss ist die Planetenkruste auch noch in ihre Einzelteile zerbrochen, so dass unzählige fliegende Inseln zu einer Entdeckungsreise einladen.
Zur Fortbewegung dient den Flüchtlingen dabei eine Energieart namens Flut. Dank dieser können sie ihr Raumschiff mit Strom versorgen. Sogar interstellare Reisen sind auf dem Flutstrom möglich. Zum Glück befinden sich auf Source mehr als genügend dieser Flutströme, die genutzt werden können. Doch leider gibt es auch hier Probleme. So sind Teile des Planeten von einer mysteriösen roten Masse bedeckt, die Rost getauft wird. Diese sorgt auch dafür, dass die eigentlich friedliche Fauna von Source unseren Helden nach dem Leben trachtet.
Warum Yu und Kay auf der Flucht sind, was es mit dem zerstörten Planeten und der ehemaligen Kolonie auf sich hat, und vor allem, was genau der Rost ist, das alles wird in dem rund 16-stündigen Abenteuer geklärt. Die Geschichte ist dabei der große Kernaspekt des Spiels, so dass wir hier auch nicht zu viel verraten wollen. Nur so viel: Die Erkundung der Welt und die Klärung der offenen Fragen sind durchweg spannend gestaltet und unterhalten über die komplette Spielzeit, auch wenn sie teilweise etwas vorhersehbar ist. Zudem verfügt Haven über unterschiedliche Enden, welche für Wiederspielwert sorgen. Diese hängen, ähnlich wie bei The Witcher 3, davon ab, welche Antworten wir in bestimmten Dialogen gegeben haben.
Was sich liebt, das neckt sich
Was aber wirklich unterhält, ist das Zusammenspiel zwischen Yu und Kay. Die Dialoge und Handlungen der beiden tragen nahezu die gesamte Geschichte. Und das ist durchweg gelungen. Denn Yu und Kay sind keine Superhelden mit speziellen Fähigkeiten, sondern letztlich nur ein ganz normales Paar in einer zugegebenermaßen außergewöhnlichen Situation. So dreht sich ein Großteil der Dialoge um eigentlich banale Themen. Natürlich wird darüber auch die Haupthandlung weitergetrieben. Die beiden beschäftigt ihre Situation genauso wie sich auftuende Probleme, die Beschädigungen am Nest oder die Sorgen rund um ihre Flucht. Man erhält im Laufe der Spielzeit auch einige Hintergrundinfos über die Welt, in der Yu und Kay leben, sowie den Grund für ihr selbstgewähltes Exil. Vieles davon wird aber nur angedeutet, so dass es dem Spieler überlassen bleibt, sich andere Planeten, Personen oder Abläufe selbst vorzustellen. Ein bisschen wie in einem guten Buch, und das ist toll.
Wirklich stark wird Haven aber bei den Alltags-Dialogen. Da wird sich beispielsweise beschwert, wer zuletzt die Dusche nicht gesäubert hat. Oder man freut sich über ein leckeres gemeinsames Essen. All dies lässt Yu und Kay herrlich menschlich erscheinen. Dank der vielen eigentlich banalen Situationen gewinnen beide dermaßen an Profil, dass sie uns im Laufe der Spielzeit richtig ans Herz gewachsen sind. Ein paar Mal ertappten wir uns sogar dabei, dass wir Antworten der beiden vorwegnahmen, weil wir selbst in der gleichen Situation genauso antworten würden. Klasse gemacht!
Da Yu und Kay innig ineinander verliebt sind, fällt es ihnen natürlich schwer, die Finger voneinander zu lassen. Das ist aber nie wirklich plump dargestellt, so dass das Prädikat „Sex sells“ hier nicht ausgestellt werden muss. Natürlich kann man als Negativpunkt anführen, dass manche Szenen doch etwas arg kitschig ausfallen. Auf der anderen Seite: Warum eigentlich nicht? Ein wenig Kitsch hat schließlich noch nie jemandem geschadet. Ein weiteres schönes Detail ist, dass Yu und Kay auch in der Spielwelt selbst die Nähe zueinander suchen. Beide sind immer zusammen unterwegs, und legt man den Controller einen Moment zur Seite, dann umarmen sie sich innig. Die zwei sind halt einfach schwer verliebt, und das ist schön. Wem das alles zu viel ist, der kann die Dialoge natürlich auch wegdrücken. So verpasst man aber einen Großteil dessen, was Haven eigentlich ausmacht.
Ein Nest im Kornfeld
Ausgangspunkt für alle Erkundungen des Duos ist wie gesagt das Nest, ihr zu Beginn des Spiels schwer beschädigtes Raumschiff. Ähnlich wie in Mass Effect ist es dabei nicht nur ein Transportmittel, sondern ein Zuhause. Neben einem Schlafzimmer und Hygienebereich gibt es auch eine Küche und einen Ort, um einfach nur abzuhängen. Das Nest ist wirklich schön gestaltet und versprüht von der ersten Minute an das Gefühl, ein Zuhause zu haben. Im Laufe der Geschichte finden wir allerhand Teile, mit denen wir unser Schiff reparieren können. Doch auch neue Ausrüstungsgegenstände für Yu und Kay fallen uns in die Hände, was unsere Aktionsmöglichkeiten deutlich erweitert. So erhalten wir Verbesserungen für unseren Anzug. Aber auch Alltagsgegenstände wie ein Brettspiel oder einen zurückgelassenen Teddybär können wir finden. Alles, was wir aufgestöbert haben, wird im Nest aufgestellt und eröffnet neue Dialoge, die uns ein ums andere Mal zum Schmunzeln bringen.
Getreu der Paarthematik des Spiels machen Yu und Kay auch im Nest nahezu alles gemeinsam. Darunter fällt natürlich auch das Kochen, bei dem wir verschiedene Zutaten zusammenwürfeln können, die wir in der Spielwelt finden. Dabei hat jedes Gericht unterschiedliche Wirkungen. Zum einen können wir unseren Levelfortschritt steigern, damit wir mehr aushalten oder unsere Attacken mächtiger werden. Zum anderen stillt es den Hunger von Yu und Kay. Sind die beiden nämlich hungrig, so kämpfen sie deutlich gemächlicher. Immer im Blick haben müssen wir natürlich auch die Lebensenergie unserer Helden. Zwar können wir uns auch auf Reisen heilen oder an fixen Rastpunkten ausruhen, doch wirklich erholsam ist nur ein Aufenthalt im Nest. Daher empfiehlt sich manchmal auch eher ein taktischer Rückzug, bevor man irgendwo im nirgendwo hungrig und angeschlagen gegen einen fiesen Bossgegner antreten muss. Diese Mischung aus Erkundung und regelmäßiger Rückkehr zum Nest zieht sich durch das gesamte Spiel und erinnert etwas an den Überlebensmodus aus Minecraft. Glücklicherweise erhalten wir recht schnell im Spiel ein praktisches Radar, über das wir eine rudimentäre Karte aufrufen können. Und ein flugfähiges Tier, welches wir mit Essen anlocken, dient uns von manchen Orten aus als Schnellreisesystem.
Zwei Herzen auf Reisen
Neben den vielen Dialogen, die in ihrer Aufmachung stark an die Alltagsszenen aus der Persona-Reihe erinnern, und dem Ausbau des Nests, macht einen großen Teil der Spielerfahrung die Erkundung der Spielwelt aus. Dadurch, dass der Planet zerbrochen ist, unterteilt dieser sich in viele kleine Inseln, zwischen denen wir per Flutstrom reisen. Sämtliche Plattformen, die Yu und Kay besuchen, werden dabei im Logbuch mit nützlichen Beschreibungen versehen. Diese Einträge sind durchaus mit Humor geschrieben und tragen zur lockeren Atmosphäre bei.
Unsere Helden bewegen sich dank einer speziellen Technik fort, die es ihnen erlaubt, über die Landschaft zu fliegen und den vielen Energieströmen zu folgen. Dank dieser können sogar höher liegende Abschnitte erschlossen werden, die sonst nicht erreichbar wären. Das Fortbewegungssystem ist eingängig und leicht zu meistern. Müssen unsere Helden sich einmal zu Fuß weiterbewegen, so fällt die extrem langsame Schrittgeschwindigkeit auf. Haven ist definitiv darauf ausgelegt, sich im Flugmodus treiben zu lassen. Das hat auch noch einen weiteren netten Nebeneffekt. Dank der Flutströme können wir auch Energie aufladen. Diese erlaubt es uns, schneller zu fliegen oder eine Art Schockwelle zu zünden, mit der sich verschlossene Gebäude reaktivieren lassen. Zudem können wir im Flugmodus den überall verstreuten Rost auflösen und so Schritt für Schritt die Spielwelt wieder befreien. Das vermittelt ein durchaus befriedigendes Spielgefühl und erinnert etwas an die Befreiung der Welt in Okami.
Die einzelnen, zerbrochenen Plattformen bestehen alle größtenteils aus einer Graslandschaft, durchzogen von Felsen. Auch der eine oder andere Wasserlauf ist zu finden. Grafisch erinnert die Welt unter anderem an No Man‘s Sky. Trotz der recht ähnlichen Aufmachung aller Inseln gibt es aber dennoch Unterschiede in der Farbgebung der Landschaft, die für Abwechslung sorgen. Unterstützt wird dies von einem dynamischen Tag- / Nachtwechsel, der für zusätzliche Atmosphäre sorgt und teilweise richtig schöne Panoramen auf den Bildschirm zaubert. Und auch die Sounduntermalung des Spiels weiß zu überzeugen. Die englischen Sprecher machen ihre Sache hierbei außerordentlich gut. Getragen wird das Spiel von einem tollen, eingängigen Elektro-Soundtrack des französischen Musikers Danger, der auch nach Spielende noch lange im Ohr bleibt.
Ein kleiner Wermutstropfen sind allerdings die häufigen Ladezeiten zwischen den einzelnen Inseln, zumindest in der PS4-Version. Immerhin können wir dann stimmige Artworks aus dem Alltagsleben von Yu und Kay bewundern.
Haven Tag Tournament
Kommt es zum Gefecht, so wechseln wir in das durchaus innovative Kampfsystem von Haven. Dadurch, dass Yu und Kay sich nie von der Seite weichen, kämpfen sie natürlich auch Seite an Seite. Jedem der beiden stehen dabei vier Grundmöglichkeiten offen. Man kann einen schützenden Schild aktivieren, seinen Gegner im Fernkampf beschießen oder eine Nahkampfattacke nutzen.
Ist einer der Gegner KO gegangen, können wir ihn vom Rost befreien, der ihn befallen hat. Schön ist hier der pazifistische Grundgedanke, denn Yu und Kay wollen eigentlich nur das Beste für die Fauna des Planeten. Dementsprechend werden die Gegner auch konsequent vom Rost befreit und nicht gekillt, egal wie übel sie unsere Helden zugerichtet haben.
Führen beide Charaktere die gleiche Aktion aus, so lässt sich diese zu einer mächtigeren Doppelattacke aufladen. Das Kampfsystem basiert auf Timing, so dass wir im richtigen Moment die gleiche Aktion ausführen müssen. Hier steht übrigens je eine Hälfte des Controllers für einen der beiden Charaktere. Klingt umständlich, aber mit etwas Eingewöhnungszeit geht das Kampfsystem gut von der Hand.
Für Abwechslung ist gesorgt, da es einige verschiedene Arten von Gegnern gibt, die immer ein anderes Vorgehen erfordern. So sind beispielsweise manche Gegner nahezu immun gegen Beschuss, während andere uns sogar Schaden zufügen, wenn wir sie im Nahkampf angehen. Kommt man nicht von selbst auf die richtige Herangehensweise, so helfen uns die beiden Charaktere mit kurzen Tipps, wie wir die Gegner am effektivsten bekämpfen können. Später werden noch ein paar weitere Kampfoptionen ergänzt. Wirklich viel Tiefgang im Stile eines herkömmlichen Rollenspiels bietet das System aber nicht. So werden Gegner beispielsweise automatisch anvisiert, wir können also bei mehreren Angreifern nicht wählen, wen wir uns als nächstes vorknöpfen wollen.
Immerhin können wir den Gegnern aber in der offenen Welt ausweichen oder ihnen in den Rücken fallen, was uns dann etwas mehr Zeit gibt, bis die ersten Gegneraktionen auf uns herein prasseln.
Gut zum allgemeinen Grundton des Spiels passt auch die Schildoption. So reicht es, wenn einer der beiden in Verteidigungshaltung geht. Kassiert die ungeschützte Yu dann beispielsweise einen Angriff, wirft sich Kay todesmutig vor sie, um den Treffer einzustecken.
In seinen guten Momenten macht das Kampfsystem wirklich Spaß. Verpasst man aber regelmäßig das richtige Timing, kann es auch schnell etwas frustrieren. Zumal die Gegner unsere Aktionen unterbrechen können. Umgekehrt geht dies allerdings nicht. Wer gar keine Lust auf die Kämpfe hat, der kann in einen Autokampf-Modus wechseln, bei dem alle Aktionen im Zeitraffer automatisch ausgeführt werden.
Es könnte so schön sein
Aufgrund seiner Paarthematik bietet sich ein Coop-Modus bei Haven ja geradezu an. Und es gab in der Vergangenheit ja schon einige gelungene Beispiele für solch eine Mechanik, wie zum Beispiel in Degrees of Separation. Doch leider ist gerade der lokale Coop-Modus die größte Schwäche von Haven. Zum einen liegt das daran, dass in der Fortbewegung die Kamera immer an Spieler 1 dranbleibt. So passiert es öfters, dass Spieler 2 einfach aus dem Bild gerät und man nicht weiß, wo er gerade ist. Natürlich ist es im Rahmen der Story so, dass Yu und Kay nie weit voneinander getrennt sein möchten, doch für das Spielgefühl im Coop-Modus ist dieser Umstand nicht gut gelöst.
Das andere Problem ergibt sich im Kampf. Hier übernimmt dann jeder Spieler einen der beiden Charaktere. Da das Kampfsystem aber auf Timing basiert, kann es hier öfters zu Missverständnissen oder dem Abbruch von Aktionen kommen. Klar, auch in einem echten Kampf müsste man sich untereinander absprechen. Dennoch wird das System im Coop-Modus unnötig verkompliziert. Dieser ist somit leider nur eingeschränkt zu empfehlen, was wirklich sehr schade ist. Denn eigentlich wäre Haven das perfekte Spiel, um es zusammen mit der Partnerin oder dem Partner zu erleben.
Fazit
Haven bedient sich munter bei diversen Spielen. Die exotische Spielwelt könnte aus No Man’s Sky sein, die vielen privaten Szenen des Alltags aus Persona. Dazu eine Prise Erkundung aus Journey und die Charaktermodelle aus Gravity Rush. Und wir befreien die Spielwelt wie in Okami. Alle genannten Vertreter haben eins gemeinsam: Sie sind großartig! Das trifft auch auf Haven zu, allerdings nicht uneingeschränkt. Man muss einfach wissen, auf was man sich bei Haven einlässt. Wer beispielsweise Dialoge eher wegdrückt und sich nur auf das Gameplay fokussiert, der wird mit Haven nicht glücklich werden. Hat man allerdings ein Faible für Indie-Games mit Innovation und sympathischen Charakteren, so ist Haven definitiv einen Blick wert. Wenn doch nur der Coop-Modus besser gelungen wäre.
- Sympathische Charaktere
- Stimmungsvolle Spielwelt
- Gelungener Soundtrack
- Interessante Handlung
- Innovatives Kampfsystem
- Tag- / Nachtwechsel sorgt für Postkarten-Panoramen
- Lange Ladezeiten (PS4-Version)
- Coop-Modus nicht gut umgesetzt
- Teilweise etwas kitschig
- Auf Dauer etwas monotones Gameplay
Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.