

Let Them Trade im Test: Mittelalter-Aufbau im Brettspiel-Look, mit Fokus auf Handel und Liebe zum Detail
Wir haben uns Let Them Trade für euch genauer angeschaut und etliche Stunden in die mittelalterliche Händlerwelt investiert. Das Spiel will uns in die Rolle eines königlichen Beraters stecken, der Städte errichtet, ihre Bedürfnisse erfüllt, den Handel fördert und nebenbei Banditen fernhält. Auf dem Papier klingt das nach einem entspannten Aufbauspiel. Doch wie viel Spieltiefe steckt wirklich drin und wie lange kann es uns fesseln?
Wandel durch Handel
Im Spiel starten wir am Bergfried. Von hier aus bauen wir Städte, entdecken Ressourcen und breiten uns immer weiter auf der Karte aus. Die Ressourcen sind dabei über die Karte verteilt und durch geschickte Stadtgründung erschließen wir neue Waren. Die Städte verwalten sich weitgehend selbst – sie kaufen und verkaufen Ressourcen eigenständig, haben ein eigenes Budget und passen sich an die Bedürfnisse ihrer Bürger an.
Als Spieler haben wir nur wenige Möglichkeiten in die Stadtverwaltung einzugreifen. Wir können beispielsweise Geld von der Stadt einziehen, um das Kapital des Schlosses aufzustocken oder etwas spenden, um der Stadt zu helfen. Außerdem haben wir durch die strategische Platzierung von Städten und Gebäuden indirekt Einfluss auf den Reichtum dieser. Die Steuereinnahmen fallen umso höher aus, je zufriedener die Bevölkerung ist. Glückliche Bürger zahlen mehr, arme Städte sind knauserig.
Gleichzeitig zieht der Reichtum auch Banditen an, die unsere Handelswege unsicher machen. Diese sorgen weniger für Spannung als für Frust. Sie tauchen so häufig auf, dass man kaum in Ruhe erkunden kann. Zwar lassen sie sich im Menü deaktivieren, doch damit nimmt man dem Spiel ein eigentlich zentrales Element. Zumindest könnte es das sein, denn aktuell ist es das nicht, sondern eher nebensächlich. Hat man seine Ritter nämlich erst einmal hochgerüstet, stellen die Banditen dann ohnehin keine Herausforderung mehr dar. Das wirkt unausgereift und bremst eher, statt die Spielmechanik zu bereichern.


Umfangreiche Kampagne, Kartenvielfalt und Map-Editor
Eine epische Story gibt es in Let Them Trade nicht. Das ist jedoch auch nicht so schlimm, da es mehr um das Gameplay an sich geht. Das Tutorial bereitet uns gut auf das Spielerlebnis vor und die Kampagne scheint umfangreiche Herausforderungen bereit zu halten. Zusätzlich bringen die verschiedenen Karten jeweils eigene Knackpunkte mit sich, sei es durch Ressourcenknappheit, begrenzten Bauplatz oder eine hohe Banditenaktivität.
Besonders hervorzuheben ist der Karteneditor. Damit lassen sich eigene Szenarien entwerfen, die das Spiel deutlich langlebiger machen. So können wir nicht nur die Standardkarten durchspielen, sondern auch experimentieren, unsere eigenen Ideen einbauen und die Herausforderung nach Belieben variieren. Wer Spaß an kreativen Aufbauspielen hat, bekommt hier einen ordentlichen Wiederspielwert geboten.


Von Bedürfnispyramiden und nervigen Wegen
Das Herzstück von Let Them Trade ist ganz klar das Bedürfnis- und Händlersystem, das stark an Anno erinnert und uns von Anfang an motiviert, immer weiter auszubauen. Bürger wollen mit Ressourcen versorgt werden und mit jeder Stufe steigen ihre Ansprüche, sodass wir nach und nach neue Städte gründen und die Bedürfnispyramide Stück für Stück abarbeiten. Hier kommt auch das Forschungssystem ins Spiel, dass man zunächst im Schloss freischaltet und dann weiter ausbauen kann. Jede Bevölkerungsstufe bringt neue Gebäude oder Verbesserungen mit sich. Auf der höchsten Stufe sind die Adeligen, mit denen dann alles erreicht ist. Von dort aus geht es nicht mehr weiter.


Mit dem Ausbau von Städten in höhere Stufen erhalten diese mehr Händler und gleichzeitig erhöht sich das Gebäudelimit, was weiteres Wachstum ermöglicht. Allerdings muss man beim Platzieren aufpassen, denn zwischen den Städten sollte genügend Raum bleiben – die Karten sind zwar groß, aber die Ressourcen liegen verteilt und Gebäude dürfen nicht gleichzeitig im Einflussbereich zweier Städte stehen. Wer also zu eng baut, stößt schnell an Grenzen, obwohl theoretisch noch Platz vorhanden wäre.
Die Händlerwagen in Aktion zu sehen, wenn die Städte gedeihen und aufblühen, ist ein atmosphärischer Pluspunkt, doch nicht alle Gameplay-Mechaniken sind gleich gelungen. Besonders das Bauen von Wegen wirkt eher wie ein notwendiges Übel: Für optimale Effizienz muss man fast jedes Gebäude miteinander verbinden, wodurch die Karte schnell zugepflastert wird. Da diese Mechanik dem Spielfluss wenig Mehrwert bringt, wäre es hier sinnvoll, einen Weg zu finden, wie man das Bauen von Wegen entweder automatisiert oder relevanter für den Spielfluss gestaltet. Brücken bauen macht nämlich viel Spaß!
Ein Durchgang bis zur höchsten Bevölkerungsstufe dauert etwa zehn Stunden, wobei erfahrene Spieler auch deutlich schneller ans Ziel kommen können. Das zeigt gleichzeitig, dass das Endgame recht überschaubar ist. Sobald man einmal alles erkundet hat, bleibt wenig Abwechslung, und der Spielfokus verlagert sich auf das Abarbeiten mit Soldaten und Banditen und das Erreichen der Adligen.


Fazit
Ich hatte mit Let Them Trade eine unterhaltsame Zeit, auch wenn das Spiel aktuell noch seine Grenzen hat. Das Endgame ist schnell erreicht und die Motivation, weiterzuspielen, lässt spürbar nach. Die Kampagne spielt man in der Regel nur einmal und auch wenn verschiedene Karten sowie der Karteneditor für Abwechslung sorgen, fehlt dem Gameplay langfristig die nötige Tiefe. Besonders ein Mehrspielermodus könnte hier enormen Mehrwert bringen, indem Spieler gemeinsam handeln, sich gegenseitig unterstützen oder um Punkte konkurrieren.
Trotzdem überzeugt Let Them Trade mit einigen charmanten Details: Der Soundtrack ist abwechslungsreich und malerisch, auch wenn er nicht orchestriert scheint und die Idee, dass der Soundtrack beim Herauszoomen aus dem Radio auf der Fensterbank schallt, ist einfach großartig und zeigt die Liebe zum Detail.
Ein wenig mehr mittelalterliche Sprache hätte dem Flair sicher gutgetan, doch dafür entschädigen Kleinigkeiten wie die Katze, die man sogar streicheln kann. Insgesamt bleibt Let Them Trade ein solides Aufbau- und Handelsspiel mit großem Potenzial, das noch Raum für Weiterentwicklung hat.
- Befriedigendes Bedürfnis- und Handelssystem
- Kartenvielfalt und Karteneditor sorgen für Abwechslung
- Abwechslungsreicher, stimmungsvoller Soundtrack
- Endgame schnell erreicht, wenig Langzeitmotivation
- Banditen nerven mehr, als dass sie für Spannung sorgen

Leidenschaftlicher Gamer mit Vorliebe für gute Soundtracks. World of Warcraft Veteran seit 2007 und großer Fan von Simulatoren, 4X- und Strategiespielen. Mit über 1200 Stunden Spielzeit ist Civilization der Vorreiter meiner Steambibliothek. Außerdem interessieren mich gute Rollenspiele und Shooter wie Assasin's Creed und Far Cry, bei denen ich kaum einen Teil der beiden Reihen ausgelassen habe.