Marauders im Preview: Im Weltraum hört dich keiner looten
Mit Marauders möchte sich das kleine britische Drei-Mann-Team Small Impact Games eine eigene Nische im mittlerweile recht geselligen Subgenre der Extraction-Shooter erschließen. Dass Escape from Tarkov momentan unter einer Content-Dürre leidet, könnte da genau der richtige Umstand sein, um ein paar eingefleischte Fans zu bekehren.
Wie sich Marauders dabei schlägt, erfahrt ihr in unserem Test der Early-Access-Version.
Alte Probleme, neue Resultate
Wir beginnen im Jahr 1992. Um genauer zu sein, einer alternativen Version des Jahres 1992, in der der 1. Weltkrieg nie wirklich aufgehört hat, im Gegenteil. Der Konflikt eskalierte so weit, dass die verfeindeten Fraktionen praktisch alle Ressourcen der Erde aufgebraucht haben und jetzt im Weltraum nach den notwendigen Materialien suchen, um ihren erbitterten Konflikt fortzusetzen.
Ihr seid ein Marauder, ein Söldner, der sich nicht wirklich für irgendwelche Kriege, aber umso mehr für die umstrittenen Ressourcen interessiert. Zu diesem Zweck überfallt und plündert ihr alles, was bei drei nicht die interstellaren Flaggen gehisst hat, völlig egal, ob es Schiffe des Zentral Imperiums, der vereinigten Alliierten, der Königlichen Allianz, eine Gefängniskolonie oder andere Marauder sind.
Angstschweiß am Ende der Galaxis
Das Weltall ist ein kalter, gnadenloser Ort und wer den nächsten Tag erleben möchte, sollte besser immer auf der Hut sein.
Die kargen Stahlbetonstrukturen, durch die man sich in Marauders kämpft, strahlen eine unheilvolle und bedrohliche Atmosphäre aus, die das anspruchsvolle und erbarmungslose Gameplay noch nervenzerreißender gestaltet.
Das langsame Grundtempo, das die eigene Spielfigur an den Tag legt, sowie die langen Nachladezeiten der meisten Waffen bedeuten, dass jeder Schritt und jeder Angriff gut überlegt sein will. Einen niedergestreckten Gegner im falschen Moment zu looten, kann bereits ein Todesurteil sein, denn ihr seid nie zu 100 % in Sicherheit.
Diese Aspekte ergeben in Kombination eine Spielerfahrung, die dem Spieler ein extrem hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Kreativität abverlangt. Denn eine brenzlige Situation ist nur halb so bedrohlich, wenn ihr vorbereitet seid und euch euren Umständen schnell anpasst.
Der Alltag eines Weltraumpiraten
Frei nach dem Motto „Loot – Kill – Escape“ sind eure Primärziele in Marauders klar. Ihr betretet ein Match mit einem selbst zusammengestellten Ausrüstungskit, das euch auf möglichst viele Eventualitäten vorbereitet, obendrein könnt ihr bis zu drei eurer Freunde mit einpacken.
Ihr spawnt in eurem Raumschiff und sucht euch ein Ziel. Das kann einer der sogenannten Raids sein, bei denen es sich um große Raumstationen in der Mitte des Asteroidenfelds handelt. Alternativ können es aber auch kleinere Schiffe und Fregatten anderer Marauder sein.
Ihr entert euer Ziel und navigiert es anhand eurer Umgebung, es gibt keine Minikarte und keine Questmarker, nur euren Orientierungssinn und den Lärm entfernter Feuergefechte, der euch leitet. Auf der Suche nach zufällig generierter Beute und Ausrüstung bekämpft ihr jeden, der Widerstand leistet und vielleicht etwas brauchbares dabei hat. Falls die Lage zu heikel wird, könnt ihr auch die Beine in die Hand nehmen und fliehen.
Wenn ihr genug Beute habt oder das Risiko zu hoch wird, ist es an der Zeit, das Weite zu suchen und sich zurück zu ziehen. Falls euch der letzte Teil nicht gelingen sollte oder ihr von einem anderen Marauder vorher erwischt werdet, ist euer mitgebrachtes Equipment und euer gefundener Loot für immer verloren.
Euer Sekundärziel ist das Erfüllen von Quests, wofür ihr mit Erfahrungspunkten, Geld, Ausrüstung und einem höheren Händlerlevel bei einer der vier Fraktionen belohnt werdet. Mit einem höheren Händlerlevel bekommt ihr bereits im Hauptmenü Zugriff auf bessere Ausrüstung, welche ihr aber natürlich kaufen müsst.
Falls ihr Mal kein Geld auf dem Konto liegen habt, ist das kein Beinbruch.
In diesem Fall gibt euch Marauders die Möglichkeit, mit steigendem Spielerlevel Waffen, Munition, Rationen und Rüstungen im Hauptmenü selbst zu craften. Des Weiteren findet ihr im „Rustbucket“, dem ersten Schiff, das euch zur Verfügung steht, immer eine Pistole, eine Weste und etwas Munition, mit der ihr euch an den KI-Gegnern hochlooten könnt.
Hier zeichnet sich eine weitere Stärke von Marauders ab: Zugänglichkeit.
Wo andere Extraction-Shooter mit einer für Anfänger überwältigenden Anzahl an Statuseffekten, Munitionstypen, Waffenmodifikationen und komplexen Steuerungseingaben daher kommen, die dutzende Spielstunden voraussetzten, um gemeistert zu werden, ist der zugrunde liegende Gameplayloop von Marauders verblüffend simpel, womit Spieler mehr Zeit für das eigentliche Spielgeschehen und weniger für ihre Tastatur haben.
Durch das Spielerinventar navigieren sowie eine Waffe finden, ausrüsten und deren Vor- und Nachteile abwägen ging selten so schnell wie hier. Das hilft dem Spielfluss ungemein.
Ein holpriger Start
Trotzdem ist nicht alles rosig in der Weltraumdystopie.
Einige der Probleme, die uns in unserer Zeit mit Marauders aufgefallen sind, könnten ein Teil der anfangs erwähnten Early Access Phase sein und sich deshalb zu einem späteren Zeitpunkt ändern.
Damit sind vorallem Probleme wie das öde Sounddesign, die altbackenen First-Person-Animationen, der gelegentliche Micro-Ruckler oder auch die eine oder andere fragwürdige Hitbox gemeint.
Wieder andere Probleme sind hingegen Teil des Kerndesigns und werden damit zu einer Geschmacks- und Glaubensfrage.
Die fünf aktuell zur Verfügung stehenden Raids sind sich optisch so ähnlich, das es zeitweise schwierig ist, sich in ihnen zurecht zu finden. Hier hoffen wir darauf, dass sich in Zukunft die Areale visuell noch stärker voneinander unterscheiden.
Langzeitspieler haben des weiteren leichteren Zugang zu besserer Ausrüstung, was gepaart mit der zufälligen Natur des Gameplays das Spiel besonders für Neuanfänger zu einer Herausforderung macht.
Wer viel Zeit investiert, bekommt per Level-Up Zugang zu besserer Ausrüstung, was die eigenen Überlebenschancen erhöht, was wiederum das Kapital verdient, mit dem man bessere Ausrüstung kaufen kann. Mit dieser Art von umgekehrter Schwierigkeitskurve haben die meisten Extraction-Shooter zu kämpfen, weshalb wir diese Marauders nicht im Speziellen vorhalten wollen.
Denn was Small Impact Games hier versucht auf die Beine stellen, besitzt eine klare kreative Vision, ein starkes Gameplay-Fundament und genau den Nervenkitzel, den auch schon andere Spiele im gleichen Subgenre zu Kultklassikern gemacht hat.
Leider teilt es sich trotz des gestreamlineten Spielablaufs einige weniger schöne Eigenschaften mit seinen Mitbewerbern sowie den einen oder anderen groben Schnitzer, der hoffentlich mit etwas mehr Entwicklungszeit noch ausgebügelt wird.
Fazit
Marauders möchten wir all denen empfehlen, die dieses Subgenre ihr Zuhause nennen und vielleicht noch dem einen oder anderen, der sich für Feuergefechte mit hohem Anspruch und ebenso hohem Risiko begeistern kann.
Trotz vereinzelter Startschwierigkeiten gibt es hier genug Materie, um problemlos dutzende Stunden in den Tiefen des Weltalls zu verlieren, während man erstaunlich gut unterhalten ist. Und mit etwas Glück wird das, was im Early Access schon ziemlich gut ist, zum Full-release vielleicht sogar großartig.
- Intensives Gameplay
- Frisches Setting
- Eigenständige Optik
- Motivierender Gameplayloop
- Dichte Atmosphäre
- Zugängliche Mechaniken
- Übersichtliche Menüführung
- Verwirrendes Leveldesign
- Treffererkennung
- Hoher Schwierigkeitsgrad für Anfänger
- Zweckmäßiges Sounddesign
Nic wurde in seiner frühen Jugend auf den Dopaminkick gefixt, den eine neue mediale Erfahrung mit sich bringt. Um diese Sucht zu befriedigen, sucht er im Bereich der Videospiele das Ungewöhnliche, Exzentrische und Abgehobene. Zu seinen Lieblingen zählen die Metal Gear Solid - Serie, Max Payne 3, Mirrors Edge, Hunt: Showdown und Hotline Miami.