Rise of the Ronin im Test: Big in Japan
Im neuesten Werk Rise of the Ronin von Team Ninja geht es in das Japan des 19. Jahrhunderts, einer Epoche, in der sich das Land den Handelsbeziehungen der USA öffnen sollte, um Teil des Welthandels zu werden. Dies stieß in dem Inselstaat nicht nur auf Gegenliebe und so versuchten die letzten Samurai ihren alten Platz in der Gesellschaft mit Waffengewalt zu verteidigen. Das ist zwar nicht schön für die Bewohner, hat aber Vorteile für die Spieler, da wir nicht nur auf Stichwaffen, sondern auch auf Schießgeräte und Pistolen zurückgreifen dürfen. Ob den Entwicklern der Spagat zwischen den Zeitaltern gelingt und ob sich das Spielprinzip hin zu einer Open-World lohnt, klären wir im Test.
Getrennte Wege wider Willen
Als Ronin, also als herrenloser Ninja, kämpfen wir mithilfe unseres Zwillings gegen das schon 300 Jahre bestehende Tokugawa-Shogunat, das damals herrschende System. Als dann die schwarzen Schiffe der Amerikaner an der Küste auftauchen, ist das Chaos perfekt und das Land versinkt in einem Sumpf aus Krieg und Unterdrückung. Die Schergen des Staates und die pro westlich eingestellten Parteien Japans versuchen beide die Oberhand zu gewinnen. Inmitten dieser hochexplosiven Mischung müssen wir unseren verschollenen Zwilling wiederfinden, der bei der Infiltration eines Schiffes der Amerikaner verloren ging. Die Story von Rise of the Ronin hat dabei einige Twists auf Lager und kann auch durch unsere Entscheidungen beeinflusst werden. Allerdings bleibt sie häufig recht flach ohne erzählerische Tiefe und auch die verschiedenen Charaktere, die uns auf dem Weg begegnen, wirken stellenweise eindimensional. Als funktionierender Unterbau taugt die Geschichte dennoch und die wahren Stärken des Third-Person-Action-Spiels sind sowieso woanders zu verorten.
Viel Platz für Einheitsbrei und starke Kämpfe
Gleich vorweg: Die revolutionäre Open World ist es nicht! Allerdings tut sie es der Story gleich und bietet uns ein grundsolides Gerüst und lädt zum längeren Verweilen rund um Yokohama ein. Dabei können die teilweise recht langen Fußwege im Spiel mit allerlei Hilfsmitteln bestritten werden — sei es mit einem Schnellreisesystem, bei dem wir nach und nach Punkte auf der Karte freischalten können, beritten zu Pferde oder mit unserem Gleitschirm — wirkliche Märsche müssen wir daher nur selten einplanen. Auch für Zeitvertreib ist gesorgt. So können wir Sehenswürdigkeiten fotografieren, Stützpunkte erobern oder auch Katzen streicheln, die sich auch in den letzten Winkeln der Karte verstecken. Die einzelnen Aufgaben sind so oder so ähnlich in abgewandelter Form aus anderen Titeln bereits bekannt und gehen dadurch auch recht eingängig von der Hand. Aufgrund der sich wiederholenden Abläufe lässt die Langzeitmotivation leider dann doch schnell nach.
Der Titel bietet zudem noch einen umfangreichen Charaktereditor, bei dem wir nicht nur uns selbst ganz nach unseren Wünschen gestalten dürfen, sondern auch gleich unseren Kampfzwilling individuell aufpeppen können.
Natürlich darf in keinem aktuellen Open-World-Spiel der obligatorische Skilltree fehlen, an dem wir unsere sauer verdienten Fertigkeitspunkte ausgeben können. Dieser verbessert sowohl unser kämpferisches Talent und die Schleichkünste, kann aber auch für Soft Skills wie Lügen und Überzeugen angewandt werden. Insgesamt haben wir die Wahl zwischen fünf verschiedenen Fähigkeitsbäumen, wobei der letzte erst nach Ende der Story freigeschaltet wird.
Loot ist ebenso mit von der Partie und wir werden während unseres Spieldurchlaufs allerlei Zeug in unserem Rucksack mit herumschleppen — seien es neue Mordinstrumente, Kimonos, Hosen, Latschen, Hüte oder sonstiges Craftingmaterial, um Pfeile oder Tränke herzustellen. Größtenteils müllt das viele Geraffel aber unser Inventar zu und dient nur dazu, schnelles Geld bei Händlern zu machen.
Kreuzt die Klingen
Nun aber kommen wir zum großen Pluspunkt von Rise of the Ronin und dieser ist, wie soll es auch anders sein, das Kampfsystem. Die Macher von Nioh oder Ninja Gaiden können in diesem Bereich von ihrer Erfahrung profitieren und legen ein spaßiges, forderndes und flüssiges Gameplay hin, das auch den reibungslosen Wechsel zwischen Odachi und Muskete mit Bravour zulässt, ohne dabei einem der Waffengattungen zu viele Vorteile einzuräumen. Obwohl Schusswaffen starken Schaden austeilen können und auch über große Distanzen den Gegner schwächen, sind sie im Nahkampf kaum brauchbar und auch die Munition ist rar gesät. Daher greift der gewillte Ronin lieber auf ein großes Repertoire an Stichwaffen zurück, das vom klassischen Katana über Säbel bis hin zu mannshohen Stangenwaffen Einiges an Abwechslung zu bieten hat. Dazu gesellen sich bei jeder Waffengattung noch spezielle Kampfhaltungen, die es uns ermöglichen, unseren ganz eigenen Flow zu entwickeln.
Wer es lieber direkt frontal angeht und dabei ohne Rücksicht auf Verluste auf das Gesindel zustürmt, wird sich genauso wiederfinden, wie der stille und akrobatische Ninja, der mit tausend Nadelstichen seine Gegner nach und nach zermürbt. Wenn sich dazu noch eine Kette an Kombos gesellt, wirkt Rise of the Ronin in seinen besten Momenten wie eine Sinfonie des Gemetzels, während unsere Feinde in Blutfontänen zu Boden gehen. Damit auch Einsteiger in den Genuss der feinen Kampfmechaniken kommen und nicht frustriert den Controller durch das Zimmer pfeffern, hat Team Ninja erstmals ein dreistufiges Schwierigkeitssystem eingeführt, das in Morgengrauen (leicht), Abenddämmerung (mittel) und Zwielicht (schwer) unterteilt ist und das gerade für Neulinge des Soulslike-Genres eine willkommene Erleichterung darstellt.
Japanisch für Anfänger
Der Soundtrack von Rise of the Ronin verstärkt die Atmosphäre und passt auch thematisch gut zu der Epoche. Die Kämpfe werden mit treibenden Sounds untermalt, während wir beim Umherstreifen von melodischen Klängen begleitet werden. Eine deutsche Synchronisation gibt es ebenso wie passende Untertitel in deutscher Sprache. Es wird aber dringend dazu geraten, den Titel mit der japanischen Originalvertonung zu genießen, da sie einen wesentlichen Einfluss auf die Immersion des Spiels hat.
Ruckelnd durch Yokohama
Die grafische Inszenierung ist zwar gefällig, wirkt aber auch altbacken und nicht nach Next-Gen. Dafür können aber die schönen Licht- und Schatteneffekte überzeugen. An den grafischen Stil eines Ghost of Tsushima kommt der Titel aber nicht heran. Auf der PlayStation 5 haben wir die Wahl zwischen dem Performance-, dem Qualitäts- und dem Raytracing-Modus. Der Performance-Modus bietet flüssige 60 FPS, die gut zu den schnellen Actionsequenzen passen — zumal kaum ein Unterschied zwischen den beiden Non-Raytracing-Optionen zu sehen ist. Nur in der Stadt und bei hohen Sichtweiten bricht die Framerate spürbar ein und das Spiel entwickelt sich zur Ruckelpartie.
Fazit
Rise of the Ronin kann zwar nicht die spannendste Open-World und auch nicht die packendste Story aufweisen, dafür machen die fordernden Kämpfe umso mehr Laune und können so manchen Schnitzer wieder ausbügeln. Das geschmeidige Gameplay wird auch nach zig Auseinandersetzungen nicht langweilig und durch die verschiedenen Kampfhaltungen und Waffengattungen ist auch für längere Zeit Abwechslung geboten. Durch die auswählbaren Schwierigkeitsgrade ist die Einstiegshürde für ein Soulslike angenehm niedrig gehalten und lädt nun auch genrefremde Ronin dazu ein, in die Welt der letzten Samurai einzutauchen.
- Herausforderndes Kampfsystem
- Spannendes Zeitalter
- Viele Nebentätigkeiten
- 60 FPS
- Große Auswahl an Waffen
- Drei Schwierigkeitsgrade
- Repetitive Nebentätigkeiten
- Viel nutzloser Loot
- Grafik detailarm
- Teilweise Ruckler
- Eindimensionale Story
Passionierter PC und Konsolenspieler. Fokus liegt auf Einzelspielererlebnissen