

Sensei! I Like You So Much! im Test: Fandom-Liebe, Fanzines und der Rausch des Shippings
Wir kennen das: Ein Name wie ein Seufzer, ein Ausrufezeichen zu viel, und zack – wir klicken. Sensei! I Like You So Much! ist genau dieses Spiel, das uns mit Zuckerwatte-Optik an die Hand nimmt und dann erstaunlich viele Systeme auf den Tisch knallt: Fanfiction schreiben (bzw. kuratieren), Zines drucken, Con-Booths bespielen, Merch basteln, Itabags füllen, ein Atelier aufziehen und zwischendurch Beziehungen im Fandom knüpfen. Entwickelt von LaoO Studio, veröffentlicht von Erabit und Infini Fun, ist der Titel am 5. August 2025 aus dem Early Access zur Vollversion geworden und das spürt man an der Feature-Dichte sofort.
Was hinter dem Namen steckt
Offiziell nennt sich das Ganze „Fandom-Business-Simulation“, praktisch ist es ein Mix aus Visual Novel, Lebensverwaltung und leichtem Management. Unsere Protagonistin (festgelegt, aber visuell anpassbar) arbeitet tagsüber an Inspiration, erledigt Nebenjobs, trifft Mitfans – abends stellt sie aus Genre-Tags und gesammelten Ideen ihre Geschichten zusammen und veröffentlicht sie als Fanzines. Das Schreiben ist dabei weniger Tastaturakrobatik, mehr kuratierte Komposition – ein System, das die Fantasie befeuert, ohne uns mit Texteditoren zu erschlagen. Dabei überwiegt klar der Visual-Novel-Anteil, während die Management-Elemente für Abwechslung und Spieltiefe sorgen.
Kleines Glossar, damit wir dieselbe Sprache sprechen: Oshi ist der persönliche Favorit (aus Idol-/Fankultur), Blorbo ist Fandom-Slang für „mein liebster fiktiver Schatz“, und Itabag bezeichnet diese transparenten Taschen, die wir mit Pins und Charms vollballern, bis der Träger ächzt. Ja, all das ist hier drin und zwar mit liebevollen Details.
Vom Plot zum Print: Unser Alltag als Fangirl
Der Loop fühlt sich an wie eine To-do-Liste, die wir tatsächlich gern abhaken: Draußen Ideen sammeln, drinnen Stories „bauen“, Fanzines veröffentlichen, Follower gewinnen, Aufträge annehmen. Jede Aktivität kostet Energie, bringt Ressourcen oder neue Tag-Kombinationen für die nächste Kurzgeschichte. So entsteht ein stetiger Rhythmus aus Planen, Produzieren und Präsentieren – am Ende des Tages blinkt das nächste Kapitel. Externe Eindrücke bestätigen genau diese Mischung aus Stamina-Haushalt, Tagesplanung und Story-Verzweigungen.
Das clevere Detail: Statt ewig lange Texte zu tippen, wählen wir Bausteine, die unsere Genres abbilden – von fluffig bis dramatisch. Das sorgt für Tempo, lässt aber genug Raum fürs Kopfkino. Wer konkrete Schreibarbeit erwartet, könnte sich einen Editor wünschen; wer lieber Systemsuppe löffelt, freut sich über die Leichtigkeit.
Management statt Micromanagement?
Mit Version 1.0 hat LaoO Studio das „Seaside Atelier“ nachgelegt, eine kleine Produktionskette, in der wir Material (z. B. Bleche, Glas, Papier) verarbeiten und limitiertes Merch herstellen. Dazu kommen ein In-Game-Gacha-Automat (mit Raritätsstufen) und ein Second-hand-Markt für seltene Drops. Das klingt nach „viel Spielerei“, und ja, es ist Spielerei. Aber jene, die Management lieben, finden hier genau das: ein kompaktes, aber motivierendes Progress-Karussell.
Parallel pimpen wir mit Sammelkram unser Zimmer, sammeln Ita-Bags und freischaltbare Deko. Die Krönung: Unser Oshi lässt sich als Desktop-Pet über den Monitor scheuchen – niedlich, unnötig, herrlich meta. Wir nennen das Feature „Ablenkungs-Produktivität 2.0“.
Zwischen Basteltisch und Booth
Der große Jahresabschluss ist die Con: Wir füllen den Tisch, dekorieren den Stand, reagieren auf Käuferströme, drucken nach, kassieren, routen später selbst als Besucher zu begehrten Ständen – ein stressig-schöner Mikrokosmos, der Con-Gefühl erstaunlich gut destilliert. Die Minispiele sind simpel, aber sie geben dem Tagewerk Gewicht: Hier materialisiert sich, was wir vorher nur in Menüs geplant haben.
UI, Look & Sound
Optisch gibt’s pastellige 2D-Illustrationen, klare UI-Karten und viele, viele Icons. Stilistisch ist das näher an Webtoon-Ästhetik als an klassischem Anime-Cel-Shading. Musikalisch liefert der Score das erwartete Wohlfühl-Portfolio zwischen Lo-Fi-Vibes und beschwingten Convention-Beats – unaufdringlich, aber passend. Praktisch: Steam-Workshop-Support lädt eigene Stories/Anpassungen, Cloud und Erfolge sind an Bord; die Vollversion listet außerdem Englisch, Japanisch, Chinesisch (vereinfacht) und Koreanisch mit Interface und Vollvertonung.
Inhalt mit Haltung
Schön: Sensei! I Like You So Much! erklärt viele Fandom-Begriffe per Pop-up, damit auch Nicht-Insider an Bord kommen. Gleichzeitig bleibt es ehrlich zu seiner DNA und lässt uns in Nischen versinken, ohne ständig mit dem Zaunpfahl zu winken. Genau diese Gratwanderung – offen für Neugierige, komfortabel für Eingeweihte – ist eine seiner Stärken.
Kleine, aber wichtige Stolpersteine
Die englische Übersetzung fällt teils holprig aus – merkwürdige Zeilenumbrüche, Tippfehler und unglückliche Wortwahl bremsen den Lesefluss in den VN-Passagen und kosten Atmosphäre, gerade wenn man eigentlich „nur schnell weiter“ managen möchte. Zudem kann sich der Visual-Novel-Anteil für Spieler, die hauptsächlich wegen der Management-Schleifen einsteigen, manchmal zu langatmig anfühlen. Beides ist nicht spielentscheidend, aber spürbar.
Für wen ist das was?
Wenn wir Visual Novels „manchmal“ mögen, aber Management lieben, landen wir hier in einer ungewohnt süßen Mitte: genug Systeme zum Tüfteln, genügend Herz für Story-Fans. Wer allerdings rein wirtschaften, min-maxen und Excel füttern möchte, bekommt eher einen leichten Sim-Überzug als eine harte Tycoon-Kost – dafür aber eine konsequente Liebeserklärung an Fandom-Kultur, bei der man sich verstanden fühlt.
Fazit
Sensei! I Like You So Much! ist ein kleiner Liebesbrief an die Fankultur – bunt, verspielt und erstaunlich detailverliebt. Wer sich auf den dominanten Visual-Novel-Teil einlässt, bekommt eine charmante Mischung aus Storytelling, kreativer Selbstverwirklichung und leichtem Management. Die Mechaniken rund um Fanzines, Conventions und Merch sind motivierend, auch wenn sie eher als Würze dienen und nicht die Tiefe klassischer Wirtschaftssimulationen erreichen.
Technisch gibt’s wenig zu meckern: Der Look ist stimmig, die Musik unterstreicht das Wohlfühl-Setting, und die unzähligen Sammel- und Deko-Elemente laden zum Experimentieren ein. Schwächen wie die holprige Übersetzung und die teils langatmigen VN-Passagen sollte man einkalkulieren, doch sie nehmen dem Spiel nicht seine Seele.
Am Ende bleibt ein Titel, der sich vor allem an Spieler richtet, die Spaß daran haben, in Fandom-Welten einzutauchen, kreativ zu sein und ihre kleine virtuelle Fan-Existenz auszubauen. Wer harte Zahlen schubsen und Excel-Tabellen füllen will, ist hier fehl am Platz. Wer aber Lust hat, mit Pins, Fanzines und Blorbos den digitalen Alltag zu versüßen, dürfte sich bestens aufgehoben fühlen.
- Liebevolle Darstellung von Fankultur mit vielen Details
- Charmante Mischung aus Visual Novel und Management
- Kreatives System zum Erstellen von Fanzines
- Conventions als atmosphärische Highlights
- Seaside Atelier & Merch-Herstellung sorgen für Abwechslung
- Niedliche Extras wie Itabags und Desktop-Pet
- Angenehmer, stimmiger Soundtrack
- Zahlreiche Sammel- und Deko-Optionen für Individualisten
- Übersetzung teilweise holprig und fehleranfällig
- Visual-Novel-Passagen können langatmig wirken
- Management-Elemente bleiben eher oberflächlich
- Wenig spielerische Herausforderung für Tycoon-Fans
- Gacha-Mechaniken können repetitiv wirken
- Story-Fokus lässt wenig Raum für freie Entscheidungen
- Auf Dauer begrenzte Langzeitmotivation
- Kein deutscher Text verfügbar

Webentwickler, Technik-Nerd und Gamer aus Leidenschaft seit der Kindheit, mit einem Faible für die komplette The Legend of Zelda- und Halo-Reihe. Dazu fast keine Konsolengeneration ausgelassen und auch sehr interessiert an Indie-Games.