Life is Strange: Double Exposure im Test: Zwei Realitäten, doppelter Spaß?
In Life is Strange: Double Exposure schlüpfen wir erneut in die Rolle von Max Caulfield. Ob das Sequel ein würdiger Nachfolger des besonderen Adventures ist, klären wir im Test.
Ein Neuanfang
In Life is Strange: Double Exposure treffen wir eine ältere Max, die nach den dramatischen Ereignissen in Arcadia Bay ein neues Leben begonnen hat und um einiges lockerer und rebellischer wirkt. Gleich zu Beginn stellt Max gemeinsam mit ihrer Freundin Safi ihre kriminelle Energie unter Beweis und bricht in eine verlassene Bowlingbahn ein, um dort eine spezielle Fotostrecke zu schießen. Als Fotografiedozentin hat Max ihre Leidenschaft nämlich zum Beruf gemacht. Mit dem besonderen Setting des verfallenen Gebäudes schafft es der neuste Life-is-Strange-Ableger sofort wieder, seine großen Stärken auszuspielen. Neben dem gefühlvollen Indie-Soundtrack dürfen wir uns auf viele atmosphärische Bilder und Schauplätze freuen, die in ihrer Stimmung typisch für die Reihe sind. Wunderschöne Lichteinfälle und intensive Farben sowie interessante Kameraeinstellungen mit vielen Nahaufnahmen sorgen ab der ersten Minute für das typische Life-is-Strange-Gefühl. Dabei hat die grafische Präsentation einen enormen Schritt gemacht, auch wenn die Lippensynchronität und die Performance mit der ansprechenden Comicgrafik nicht mithalten können.
Während wir mit Max das alte Gebäude erkunden, dürfen wir uns mit dem Gameplay vertraut machen. Wir lösen kleine aber recht simple Aufgaben und können viele Details entdecken, wenn wir unsere Umgebung untersuchen. Wie gewohnt sorgen Zeitungsausschnitte, Gegenstände und die Gedanken sowie Kommentare von Max dafür, dass die Schauplätze lebendig werden. Immer mit dabei ist unsere Kamera, mit der wir hier und da Schnappschüsse von festgelegten Motiven machen können. Diese können wir im Anschluss an unsere Fototour posten oder speichern. Neben der heruntergekommenen Bowlingbahn führt uns unser Weg unter anderem in die Bar „Snapping Turtle“, auf den winterlichen Campus der Caledon-Universität oder in Max' gemütliches Holzhäuschen. Dabei lernen wir Schritt für Schritt die Freunde und Rivalen von Max kennen und auch, wenn es zunächst scheint, als hätte sich das Leben von Max wieder normalisiert, merken wir schnell, dass die Dämonen geblieben sind. So haben die Entscheidungen, die Max in der Vergangenheit treffen musste, einen direkten Einfluss auf ihr Gefühlsleben und die Gespräche. Früh im Spiel können wir festlegen, ob wir uns am Ende des ersten Teils von Life is Strange für Chloe entschieden haben oder nicht und diese Entscheidung hat, genau wie andere Wege, die wir im Laufe der Story einschlagen, Folgen. Die Vergangenheit lässt Max also nie wirklich los und das ist an alle Ecken und Enden zu sehen. Erinnerungsstücke, Tagebuchseiten und Fotos lassen die Gedanken immer wieder zu Max' früherem Leben zurückschweifen. Außerdem dürfen wir an manchen Orten innehalten und Max dabei begleiten, wie sie ihren Gedanken nachhängt, was uns recht tief in die Geschichte eintauchen lässt. Zusätzlich bieten uns Nachrichten und Chatverläufe, auf die wir auch hin und wieder antworten können, viele Infos zu den unterschiedlichen Figuren und ihren Beziehungen.
Ein neuer Schicksalsschlag, eine neue Kraft
Die anfänglich lockere Stimmung, in der wir mit Max flirten und ihre Freunde kennenlernen können, kippt schon früh, denn sie muss miterleben, wie ihre Freundin Safi vor ihren Augen erschossen wird. Zunächst ist die Trauer groß, aber schon bald spürt Max, dass sie eine neue Kraft besitzt. Konnte sie in Teil 1 die Zeit zurückspulen, um vergangene Entscheidungen rückgängig zu machen, besitzt Max in Life is Strange: Double Exposure die Fähigkeit, eine parallele Zeitlinie zu betreten, in der Safi noch lebt. Max setzt es sich also zum Ziel, herauszufinden, wer Safi getötet hat und ob sich ihr Schicksal vielleicht verhindern lässt.
Diese Kraft können wir auf unterschiedliche Arten nutzen. So haben wir beispielsweise die Möglichkeit, mit einem Scan einen Blick auf die andere Seite zu erhaschen und dabei auch Charaktere ungesehen zu belauschen oder Räume zu betreten, die in der anderen Realität verschlossen sind. An bestimmten Punkten können wir die Zeitlinie aber auch komplett wechseln und uns Gegenstände und Informationen beschaffen. Außerdem können wir mit den gleichen Personen in den unterschiedlichen Zeitlinien andere Gespräche führen und uns vielleicht auch ein anderes Bild von ihnen machen.
Auch, wenn der Einsatz der unterschiedlichen Zeitlinien ein interessanter Ansatz ist, hat die Umsetzung für uns nicht so recht gezündet. Es ist zwar spannend, gleiche Räumlichkeiten zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu erkunden, bei uns hat sich aber doch schnell eine gewisse Ungeduld eingestellt. Man hält sich mit dieser Mechanik zu lange an einem Schauplatz auf und ist dabei einfach nicht flexibel genug, weil man die Zeitspur nur an bestimmten Stellen in der Spielwelt wechseln kann. Hinzu kommt, dass man leicht den Überblick verliert, in welcher Zeitlinie man sich gerade befindet, und dass man sich nicht immer sofort daran erinnern kann, welche Dialoge man schon geführt hat. Die große Anzahl an Chatverläufen und Nachrichten sorgt dabei zusätzlich für Verwirrung und auch die Tatsache, das Max an wiederkehrenden Orten immer wieder die gleichen Sätze sagt, führt zu Abnutzungserscheinungen beim Erkunden. Eine weitere übersinnliche Fähigkeit und mehrere unglaubliche Schicksalsschläge sind dann auch irgendwie etwas zu viel des Guten, wodurch man den Bezug zu Max ein Stück weit verliert.
Licht und Schatten
Die neue Kraft bringt zwar einen Twist ins Gameplay, darüber hinaus bleibt aber vieles beim Alten. Wir haben die Möglichkeit, mit einigen Gegenständen zu interagieren, aber unsere Untersuchungen verlangen von uns meist nur ein schlichtes Anklicken von Objekten, wohingegen die kleinen Rätsel eine Seltenheit sind. Hier hätten wir uns etwas mehr Herausforderung bei unserer Detektivarbeit gewünscht. Natürlich dürfen wir wieder viele kleine Dinge entdecken und beispielsweise durstige Pflanzen gießen, einem traurigen Freund einen Kakao spendieren oder über das Suppenmenü in der Bar abstimmen. Außerdem können wir Max immer wieder mit neuen Outfits herausputzen. All diese Dinge sorgen für viel Stimmung, haben aber nicht wirklich eine Bedeutung.
Im Gegensatz dazu stehen natürlich wieder die großen Entscheidungen im Spiel, die unter anderem einen Einfluss darauf haben, wie unsere Beziehung zu den Figuren im Spiel verläuft. Diese erhalten übrigens nicht nur durch die Entscheidungsmöglichkeiten, sondern auch durch den Wechsel der Zeitebenen mehr Tiefgang. Die Motive vieler Figuren bleiben an einigen Stellen undurchsichtig und wo manche Personen in der einen Zeitlinie sympathisch wirken, können sie auf der anderen Seite genau das Gegenteil ausstrahlen. Auch, wenn nicht alle NPCs durchweg komplex gestaltet sind, will man auf jeden Fall herausfinden, welche Motive hinter ihren Handlungen stecken und welche Rolle beispielsweise der Geheimbund Abraxas für die Entwicklungen der Story spielt. Insgesamt agieren die NPCs sehr natürlich miteinander, wodurch alle Schauplätze angenehm belebt wirken. Zudem sind die Dialoge gut gestaltet und transportieren viel Gefühl.
Fazit:
Ich bin ein sehr großer Fan der Reihe, aber leider konnte mich Life is Strange: Double Exposure nicht auf ganzer Linie abholen. Zum einen hat sich für mich in Sachen Gameplay zu wenig getan. Zum anderen wirken die Kräfte von Max und ihre Entwicklung zu gezwungen und übertrieben. Die parallelen Zeitlinien sind ein guter Ansatz, aber die repetitiven Muster sorgen schnell für Ungeduld und Verwirrung. Auf der anderen Seite überzeugt mich das Sequel wieder mit vielem, was ich an Life is Strange liebe: Einem tollen Soundtrack, intensiver Stimmung, wunderschönen Schauplätzen und einer ganz bestimmten Melancholie. Wegen diesem Life-is-Strange-Gefühl kann ich über die Schwächen hinwegsehen, auch wenn es meiner Meinung nach in jüngster Zeit stärkere Ableger gab.
- Intensive Atmosphäre
- Toller Soundtrack
- Wunderschöne Schauplätze
- Viel Liebe zum Detail
- Zu wenige Neuerungen in Sachen Gameplay
- Die Kraft von Max zündet nicht richtig
- Repetitive Muster beim Wechsel der Zeitlinien
Leidenschaftliche Fantasy-Farmerin mit einem Faible für Japan-Rollenspiele der Marke Final Fantasy oder Persona. Als Sims-Fan gehören bei ihr aber auch nahezu alle Hauptspiele und Erweiterungen von EAs Personensimulation zum Standardrepertoire. Das Interessengebiet wird erweitert durch Shooter und Rollenspiele aus dem Star-Wars-Universum sowie durch Rätselspiele und Point-and-Clicks im Stile von Gray Matter oder Black Mirror.