Persona 3 Reload im Test: Von Schülern, Persona und der Dark Hour
Mit Persona 3 Reload veröffentlichte das japanische Entwicklerstudio Atlus jüngst einen neuen Ableger seiner beliebten und überaus hochwertigen Persona-Rollenspiel-Reihe. Wobei Neuveröffentlichung hier tatsächlich nicht ganz korrekt ist, handelt es sich doch schließlich um ein waschechtes Remake von Persona 3, welches ursprünglich bereits im Jahr 2006 in Japan erschien. Spätestens mit dem ebenso grandiosen wie stylischen Persona 5 sowie seinem direkten Vorgänger, Persona 4 Golden, konnte Atlus auch im Westen für ordentlich Aufsehen sorgen. Da die Persona-Hauptteile bisher stets ein jeweils eigenständiges Setting aufwiesen und sich nur einige Kernelemente teilten, kommt Persona 3 Reload also trotz des hohen Alters seiner Vorlage sehr frisch daher. Wir haben es uns natürlich nicht nehmen lassen, dem Titel auf den Zahn zu fühlen und klären im Test, ob es das Remake sogar mit den Nachfolgern aufnehmen kann.
Die dunkelste Stunde
Persona-typisch ist unsere Hauptfigur ein junger Schüler, welcher aus uns unbekannten, jedoch definitiv gewichtigen Gründen in eine ihm fremde Stadt wechseln muss. Dies trifft natürlich auch in Persona 3 Reload zu, in dem unser zunächst noch namenloser Protagonist spät abends per Bahn eintrifft und sich umgehend auf den Weg in sein neues Domizil macht. Denn mitten in der Stadt steht ein als Schüler-Wohnheim umfunktioniertes Hotel, welches unserem Neuling als Unterkunft dient.
Auf dem Weg dorthin passieren plötzlich jedoch sehr seltsame Dinge. Pünktlich zur Geisterstunde um Mitternacht färbt sich der Himmel unnatürlich Grün und es breitet sich eine gespenstische Stille aus. Doch als wäre dies nicht genug, schweben nun überall rotglühende Särge an den Stellen, an denen die Einwohner vorher noch ihrem Tagesablauf nachgegangen sind. Direkt die Flucht ergreifen kommt für unseren Protagonisten aber natürlich nicht in Frage, schließlich ist er ja ohnehin schon spät dran. Also ab zum Wohnheim, wo er tatsächlich auf ein paar Leute trifft, die sich nicht in Särgen befinden und noch wach sind. Hier erfahren wir dann auch, was es mit diesem seltsamen Phänomen auf sich hat.
Die sogenannte Dark Hour findet immer um Mitternacht statt. Während die meisten Leute diese überhaupt nicht wahrnehmen, bleiben ein paar wenige Auserwählte innerhalb dieser merkwürdigen Stunde wach. Doch neben gruseliger Stimmung bietet die Dark Hour auch noch andere Gefahren. Denn zu dieser Zeit manifestieren sich groteske Wesen, Schatten genannt, welche überaus gefährlich sind. Zudem greifen die Ereignisse der Dark Hour immer mehr auf die normale Welt über, als sich beispielsweise Fälle von Leuten mehren, die plötzlich aus unerklärlichen Gründen ihren kompletten Lebenswillen verlieren und in eine tiefe Apathie sinken.
Und so ist es einmal mehr an uns zusammen mit weiteren Leuten, die wach geblieben sind, das Geheimnis der Dark Hour und der Schatten zu ergründen. Glücklicherweise sind wir im Kampf gegen die Schatten nicht wehrlos. Denn neben traditionellen Waffen stehen uns auch noch Persona zur Verfügung. Dabei handelt es sich um mysteriöse Geisterwesen, welche im Innern der Hauptfiguren schlummern und über mächtige Kräfte verfügen. Doch natürlich können wir nicht einfach hauptberuflich zum Geisterjäger mutieren, auch unser Schulalltag will ja schließlich nicht vernachlässigt werden. Dabei stellt sich schnell heraus, dass das Schulgebäude selbst wohl etwas mit der Dark Hour zu tun hat...
Du bist doch bestimmt müde
Sämtliche beschriebenen Ereignisse finden direkt zu Beginn von Persona 3 Reload statt. Hier darf man mit der Erklärung auch nicht viel weiter in die Tiefe gehen, denn Persona 3 Reload lebt wie alle anderen Persona-Teile auch von seiner umfangreichen Story von insgesamt rund 100 Stunden Spielzeit. Hier sollte man Spoiler also tunlichst vermeiden. Was aber definitiv zu erwähnen ist: So bunt die Persona-Spiele auf den ersten Blick sind, so ernst sind die Themen, die sie beinhalten. Hatten wir es beispielsweise in Persona 5 viel mit gewalttätigem Unterbewusstsein und der dunklen Seite der Menschen zu tun, so ist in Persona 3 Reload der Tod allgegenwärtig. Dies zeigt sich bereits sehr früh im Spiel am Beispiel der schwebenden Särge, die gespenstische Grusel-Atmosphäre verbreiten.
Auch vor unserer Hauptfigur und den Begleitern macht die Thematik nicht halt. Serientypisch ist unser Charakter zwar eher blass unterwegs und dient hauptsächlich als Vehikel für den Spieler, dafür glänzen die Nebenfiguren mit Tiefe. So hat jeder der oberflächlich fröhlichen Protagonisten etwas, woran der- oder diejenige zu knabbern hat. Motive wie Mobbing, zerrüttete Elternhäuser, Aufopferung oder sogar Selbstmord werden aufgegriffen und verlangen uns als Spieler durchaus ein gewisses Spielbewusstsein ab. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, wie unsere Charaktere im Kampf agieren, doch dazu später mehr.
Doch bei all der Düsternis der Themen kommt natürlich trotzdem der Humor nicht zu kurz. Und auch lockere Momente finden sich immer wieder angenehm eingestreut. So ist es beispielsweise gerade zu Beginn des Spiels außerordentlich unterhaltsam, ja geradezu unfreiwillig komisch, wie oft unser Charakter am Abend den Hinweis bekommt, dass er doch sicherlich sehr müde sei und nun definitiv schlafen gehen soll. Da fühlt man sich doch direkt wieder an die Zeit als Kindergartenkind zurückerinnert. Auch sorgt natürlich die Gruppendynamik unter unseren Begleitern im zunehmenden Spielverlauf für unterhaltsame Situationen je besser wir die Charaktere kennengelernt haben.
Der Tag hat nur 24… äh... 25 Stunden
Typisch für Persona unterteilt sich das Spiel in zwei unterschiedliche Abschnitte, die jedoch beide eng miteinander verwoben sind. Tagsüber sind wir der brave Schüler und Neuling an der Highschool. Wir besuchen den Unterricht, interagieren mit unseren Mitschülern oder treten Schulclubs wie dem Leichtathletik-Team oder dem Schülerrat bei. Ist die Schule zu Ende, steht uns meistens noch etwas Freizeit zur Verfügung, die wir unterschiedlich verbringen können. So ziehen wir mit einem der Nebenfiguren um die Häuser, besuchen verschiedene Einkaufszentren, suchen Zerstreuung in der örtlichen Arcade, gehen zur Karaoke-Bar oder lernen fleißig, weil wir natürlich ein absoluter Musterschüler sind. Auch wenn es dunkel wird, haben wir noch etwas Zeit übrig, die wir beispielsweise mit Nebenjobs oder Lernsoftware verplanen können.
Alles, was wir dabei im Spiel tun, kommt unserer Entwicklung zugute. Gute Noten in der Schule steigern unser Wissen, während der Nebenjob im Café unseren Charme ansteigen lässt. Beschließen wir, während des Unterrichts ein kleines Schläfchen zu halten, können wir unseren Mut steigern. Das geht aber natürlich auch, wenn wir im Karaoke-Club vor wildfremden Leuten ein paar Liedchen schmettern. All die Aktivitäten haben aber ihren Preis, denn jede Aktion kostet uns Zeit. So können wir abends eben nur mit einem Begleiter essen gehen oder lernen. Beides zusammen ist nicht möglich. Auf diese Art und Weise gilt es stets, seine Tage gut zu planen, um sich möglichst sinnvoll weiterzuentwickeln. Oft genug gibt uns das Spiel in Form von belauschten Gesprächen oder SMS auf dem Handy auch einen mehr oder weniger subtilen Hinweis, was wir als nächsten Zeitvertreib angehen könnten.
The Social Network
Zusätzlich zur Verbesserung unserer eigenen Statuswerte gehen wir auch noch sogenannte Social Links ein. Darunter verstehen sich besondere Verbindungen zu Leuten, beispielsweise unserer Mitstreiterin Yukari Takeba, Leuten aus der Sportmannschaft oder einem alten Ehepaar. Diese Social Links entwickeln sich im Laufe der Zeit, je besser wir eine Person kennenlernen, und können bis zu zehn Stufen aufgewertet werden. Das ganze System erinnert ein wenig an Nebenquests, die aber nur teilweise optional sind und uns weitreichende Verbesserungen für das Spiel bringen. Auch hier gilt jedoch, dass unsere Zeit begrenzt ist. Typisch Persona wird es uns zum Spielende kaum möglich gewesen sein, alle Social Links auf 100 Prozent gebracht zu haben.
Daher gilt es stets abzuwägen, mit wem wir unsere kostbare Zeit verbringen wollen und wessen Geschichte uns als interessant erscheint. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass sich vieles erst im Laufe der Zeit enthüllt. Ein vermeintlich langweiliges, gemeinsames Abendessen kann im weiteren Spielverlauf zu einer überaus spannenden Questreihe mutieren, in der wir unser Gegenüber aus völlig neuen Blickwinkeln kennenlernen.
Mehr als es den Anschein hat
Dies gilt natürlich ebenso für unsere direkten Mitbewohner im Wohnheim, welche quasi unser Team darstellen. Da hätten wir wie gesagt Mitschülerin Yukari, den ebenfalls in unserer Klasse sitzenden Junpei oder den unfreiwilligen Frauenschwarm Akihiko Sanada, der nebenher noch eine totale Sportskanone ist. Jede dieser Nebenfiguren hat zunächst eine bestimmende Charaktereigenschaft, aber eben auch einiges, was wir im Spielverlauf über den Charakter erfahren können. Vergleichen wir Persona 3 Reload mit dem 4. und 5. Teil der Reihe, so fallen ein paar Parallelen auf. Immer sind es Schüler unterschiedlicher Altersklassen, die den Kern unseres Teams bilden und immer findet sich eine etwas unsichere Begleiterin oder ein Spaßvogel, der zum besten Freund mutiert, aber gleichzeitig auch einige Sticheleien einstecken muss. Insgesamt greift die Persona-Reihe hier schon auf stets ähnliche Stereotypen zurück. Teil 3 stellt also keine Ausnahme dar. Dies ändert jedoch in Summe nichts daran, dass auch die Besetzung von Persona 3 Reload sympathisch und interessant ist.
Die Teilzeit-Schattenjäger
Der Alltag ist also der erste Abschnitt des Spiels. Der zweite Teil ist natürlich die Dark Hour. Diese findet immer um Mitternacht statt, wir sind jedoch in der Regel nicht gezwungen, daran auch in jeder Nacht teilzunehmen. In dieser Zeit wechselt das Spiel von einer Life-Sim zum klassischen, rundenbasierten Rollenspiel. Wir infiltrieren dabei mit unserem Team den Tartarus, einen geheimnisvollen Turm, der sich nur in der Dark Hour manifestiert und wohl der Grund allen Übels ist. Der Tartarus ist prinzipiell ein in Teilen zufallsgenerierter Dungeon, denn bei jedem Ausflug dorthin ist der grundsätzliche Levelaufbau etwas anders gestaltet.
So kämpfen wir uns dann Stockwerk für Stockwerk nach oben, was recht schnell ein angenehmes Entdecker-Gefühl aufkommen lässt. Glücklicherweise müssen wir jedoch nicht immer wieder von vorne anfangen. In einigermaßen regelmäßigen Abständen schalten wir Teleportstationen frei, die uns künftig als praktische Schnellreisepunkte dienen. Starten wir also einen neuen Versuch im Tartarus, können wir direkt in eine höhere Etage springen und vermeiden damit allzu lange Laufwege.
Falls man Persona 5 gespielt hat, so ist der Tartarus am ehesten mit Mementos zu vergleichen, jener U-Bahn-Station, die sich immer weiter in die Tiefe erstreckt. In Persona 3 Reload bleibt der Turm jedoch mit wenigen Ausnahmen unser einziger, begehbarer Dungeon. Die stimmungsvoll gestalteten Paläste aus dem 5. Teil besitzen in Persona 3 Reload keinen Gegenpart. Zwar bietet der Tartarus verschiedene Umgebungen, je höher wir kommen, jedoch wird die Fokussierung auf einen einzigen echten Dungeon mit der Zeit auch grafisch etwas eintönig. Wir spazieren über viele Etagen letztlich durch immer gleiche Gänge, was auf Dauer ein klein wenig ermüdend sein kann.
Und noch eine Runde
Treffen wir im Tartarus auf Feinde, so wechselt das Spiel in eine festdefinierte Arena und läuft nun rundenbasiert ab. Nacheinander kommen also sowohl unsere Charaktere als auch der oder die Gegner zum Zug. Das Kampfsystem ist dabei zunächst simpel aufgebaut, bietet aber einiges an taktischer Tiefe. Wir greifen unsere Gegner mit Schlägen an oder nutzen die Kräfte unserer Persona, um magische Angriffe wie Feuerattacken oder Windzauber zu entfesseln. Sowohl wir als auch jeder Gegnertyp hat dabei individuelle Stärken und Schwächen, die es nach und nach zu ergründen gilt. Während also bei den Standardgegnern simples draufhauen noch hilfreich ist, verlangen uns die zahlreichen Bosse einiges mehr ab. Die Feinde können dabei besonders anfällig gegen bestimmte Angriffstypen wie Blitze oder Windmagie sein, aber auch im Gegenzug weitestgehend immun gegen Feuer oder Licht. Im schlimmsten Fall reflektieren die Gegner sogar unsere Angriffe oder heilen sich damit. Daraus entspinnen sich oftmals durchaus spannende Gefechte gegen die zahlreichen, unterschiedlichen Kontrahenten.
Haben wir einen Feind mit einer Attacke niedergestreckt, gegen die er besonders anfällig ist, können wir direkt im Anschluss einen weiteren Angriff starten. Oder wir überlassen diese Option einem unserer Mitstreiter, falls dieser eine noch besser passende Attacke besitzt. Und sind sämtliche Kontrahenten am Boden, dürfen wir sie gemeinsam zusammenknüppeln und einen Großangriff starten. Das Kampfsystem bietet also durchaus viele Optionen, um die Kämpfe ansprechend, spannend und abwechslungsreich zu gestalten. Dies gilt natürlich auch für die Feinde, die uns ebenfalls mit bestimmten Aktionen schwächen können. Glücklicherweise stehen uns fünf unterschiedliche Schwierigkeitsgrade zur Verfügung, womit für jeden Spielertyp etwas dabei sein sollte.
Serientypisch können wir auch in Persona 3 Reload nicht frei speichern. Diese Option steht uns nur im normalen Alltag oder im Eingangsbereich des Tartarus zur Verfügung. Während den zahlreichen Dialogen, Zwischensequenzen und beim Ausflug im Tartarus selbst darf nicht gespeichert werden. Dies wäre an sich nicht so störend, wären die Abschnitte nicht teilweise doch recht lang. Wenn man sich also manchmal entschließt, bloß noch einen weiteren Ingame-Tag zu starten und dann Feierabend zu machen, so muss man stets damit rechnen, nun ein wichtiges Story-Event zu triggern und dann erst einmal eine ganze Weile beschäftigt zu sein. Dies sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man einmal mit etwas Zeitdruck spielt. Spätestens für den nächsten Hauptteil der Reihe würden wir uns daher ein etwas flexibleres Speichersystem wie beispielsweise in Tales of Arise wünschen.
Persona...lagentur
Apropos Persona: Das System hinter den Geisterwesen ist seit jeher fixer Bestandteil und Aushängeschild der Persona-Reihe. Während unsere Begleiter im Spiel stets nur auf eine Persona zugreifen können, die sich aber immerhin mit der Zeit weiterentwickelt, besitzt unser Charakter von Haus aus eine besondere Fähigkeit. Ihm ist es nämlich möglich, völlig unterschiedliche Persona zu nutzen und auch neue Wesen an sich zu binden. Ein wenig erinnert das System dabei an Pokémon. Wir sammeln im Laufe des Spiels immer stärkere Kreaturen ein, die durch Levelaufstiege wiederum neue Fähigkeiten erlernen. Natürlich dürfen wir von außen nachhelfen und beispielsweise einer Persona mit Eis-Fokus auch Feuerzauber beibringen.
Im Spielverlauf legen wir somit eine Art Deck mit unterschiedlichen Persona an, um auf jeden Gegnertyp eine Antwort zu haben. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass das Persona-System in diesem Ableger als Tarot-Karten dargestellt wird. Ab einem gewissen Punkt sind unsere Geisterwesen jedoch am Ende ihrer Entwicklung angekommen. Zwar verbessern sich dann noch die allgemeinen Werte wie Stärke oder Agilität, neue Zauber werden jedoch nicht mehr automatisch gelernt.
Ein samtener Raum
Neben dem Sammeln neuer Persona hilft uns dann wiederum der Velvet Room weiter. An diesem besonderen Ort, der das Bindeglied zwischen allen Persona-Spielen darstellt, erwarten uns der zwielichtige Igor sowie seine Begleiterin Elisabeth. Im Velvet Room dürfen wir unsere Persona verwalten, besonders mächtige Formen in eine Art Lexikon aufnehmen, um sie später neu beschwören zu können, sowie die Geisterwesen fusionieren, um neue, noch stärkere Geschöpfe zu erschaffen. Anders als im 5. Teil der Reihe werden die Persona dabei dankenswerterweise nicht hingerichtet.
Die Stufe der Persona ist dabei natürlich an unseren eigenen Fortschritt gekoppelt. Als Charakter auf Stufe Zehn können wir somit noch keine Persona einsetzen, die Level 20 aufweist. Hier kommen tatsächlich auch wieder die Social Links zum Tragen, die ebenfalls in Tarot-Karten dargestellt werden. Verbessern wir also beispielsweise unsere Beziehung im Rahmen der Karte Narr, so werden bei Fusionen sämtliche Persona, die dieser Rubrik zugeordnet sind, mit einem Boost verbessert. Der Einsatz der Persona im Kampf erfordert wiederum SP, welche quasi als Manapunkte fungieren. Zwar können wir diese per Items regenerieren, dennoch nimmt der Bestand im Verlauf eines Tartarus-Besuchs immer weiter ab, sofern wir unsere Geisterwesen einsetzen. Auch wenn wir also noch motiviert sind weiter vorzustoßen, kann uns ein Mangel an SP zum strategischen Rückzug zwingen. Auf diese Weise kommen wir im Tartarus zwar stets sehr weit voran, aber es ist auch nicht möglich, den kompletten Turm in einem einzigen Rutsch durchzuspielen. Zumal es dann natürlich auch von der Story irgendwann künstliche Barrieren gibt, die sich erst im weiteren Spielverlauf beseitigen lassen.
Am Ende eines Kampfes erwartet uns oftmals eine weitere Besonderheit. Denn wir dürfen unsere Belohnung tatsächlich selbst aussuchen. So haben wir etwa die Wahl, ob wir eine neue Persona aufnehmen, einen Erfahrungspunkte-Boost nutzen, einen Zauber erlernen oder lieber etwas Bargeld abgreifen wollen. Die Belohnungen sind dabei stets sinnvoll und damit ein willkommenes Feature, welches uns immer kleine „Ah, das kann ich gerade gebrauchen!“-Momente beschert.
Blaues Persona 5
Persona 3 Reload ist wie bereits festgestellt kein simples Remaster, sondern ein komplettes Remake des ursprünglichen Spiels von 2006. Neben komplett neuer Grafik, extrem hübschen Anime-Sequenzen und frischen Musikstücken wurden dabei auch die zahlreichen Dialoge neu eingesprochen. Hierbei steht uns eine englische Sprachausgabe zur Verfügung, wobei die Sprecher durch die Bank einen extrem guten Job abliefern. Allerdings sind nicht alle Dialoge vertont. Die Bildschirmtexte wiederum wurden komplett für Deutschland lokalisiert, was eine Sprachbarriere natürlich verhindert. Bei all dem Text im Spiel haben sich zwar ein paar kleine Fehler eingeschlichen, diese sind jedoch in Anbetracht der Fülle an Dialogen absolut vernachlässigbar. In Summe hat man es sehr gut geschafft, die Quintessenz des Ursprungsspiels von 2006 einzufangen und ins Jahr 2024 zu übertragen. Genau so sollte ein Remake letztlich aussehen.
Ansonsten hat man sich beim grundsätzlichen Design des Spiels nun ganz klar an Persona 5 angelehnt, welches mit seinen stylischen Texteinblendungen völlig zu Recht als eines der außergewöhnlichsten JRPGS gilt. Anstelle des roten Grundthemas des 5. Teils setzt Persona 3 Reload auf einen blauen Grundton. Dieser passt generell sehr gut und sieht ausgesprochen ansprechend aus. Stylisch, aber auch gleichzeitig ein wenig verstörend ist die Art und Weise, wie unsere Charaktere ihre Persona beschwören. Zogen sich Joker, Ann und Co in Persona 5 noch einfach ihre Maske vom Gesicht, schießen sich unsere Figuren in Persona 3 Reload stattdessen mit einer Waffe in den Kopf. Richtig gelesen, mit dem Evoker, der die Form einer Pistole besitzt, ist ein Schuss in den Schädel die Art, eine Persona einzusetzen. Die Inszenierung hat dabei wirklich Klasse, ist aber auch starker Tobak. Der Tod ist wie gesagt ein präsentes Thema im 3. Teil der Persona-Reihe.
Ein Punkt, der definitiv auch nicht unerwähnt bleiben sollte, ist die Ausgangsbasis von Persona 3 Reload. Atlus hat sich hierbei nämlich dem Ursprungsspiel angenommen, ignoriert aber die späteren Versionen von Persona 3, beispielsweise Persona FES aus dem Jahr 2009, welches noch zusätzliche Inhalte in Form von weiteren Social Links bereithielt. Eventuell möchte Atlus sich hier ein Hintertürchen für künftige DLCs zu Persona 3 Reload freihalten. Schön wäre es auf jeden Fall gewesen, wenn man bei all dem Aufwand, den man in das Remake gesteckt hat, auch die finale Version des Ursprungsspiels herangezogen hätte.
Fazit
Persona 3 Reload präsentiert sich im Test als extrem gelungenes Remake des Ursprungsspiels, welches 2006 noch auf der PlayStation 2 veröffentlicht wurde. Die enorme Zeitspanne garantiert dabei, dass das Spiel sowohl Kenner der Vorlage als auch Neu-Fans, die vielleicht erst mit Teil 4 oder sogar 5 in das Universum eingestiegen sind, anspricht. Schön ist hierbei, welche Mühe Atlus in die Neuauflage gesteckt hat. Nahezu das gesamte Spiel wurde neu programmiert, ohne jedoch die grundsätzliche Vorlage zu verändern. Dank des überarbeiteten und extrem stylischen Interface fühlen sich auch Spieler direkt zuhause, die lediglich Persona 5 noch im Hinterkopf haben. Hiermit erschafft man durchaus eine eigene Marken-Identität.
Auf dem Papier überzeugt Persona 3 Reload also mit dem interessanten Mix aus Alltags-Simulation und rundenbasiertem Rollenspiel, der die Reihe einfach auszeichnet. Zwar weisen die Charaktere im Spiel einige typische Persona-Stereotypen auf, jedoch kann man auch argumentieren, dass hier eigentlich wiederum Persona 4 und 5 abgekupfert haben. Gewohnt gut fällt das Kampfsystem aus, welches viel taktischen Tiefgang bietet. Kleinere Abstriche wiederum gibt es für ein paar Fehler, die sich bei den deutschsprachigen Texten eingeschlichen haben, sowie für den Dungeon im Spiel, den Tartarus. Dieser ist sehr stimmungsvoll gestaltet und bietet unterschiedliche Ebenen. Auch ist etwas Kurzweil durch die zufallsgenerierten Gebiete garantiert. Doch trotz des Zufallsfaktors erwarten uns letztlich oft sehr gleichförmige Areale. Dadurch fehlt etwas die Abwechslung, wodurch sich das Erkunden der Level mit fortschreitender Spieldauer immer mehr nach Arbeit anfühlt.
Dennoch ist Persona 3 Reload ein Spiel, welches nun als Remake durchaus auf absoluter Augenhöhe mit den genialen Nachfolgern agiert. Damit eignet sich der Titel sowohl für Kenner des Originals, als auch für all jene, die recht neu in die Serie eingestiegen sind. Die Wartezeit auf ein mögliches Persona 6 hat Atlus damit jedenfalls mit Bravour überbrückt. Seit Ys VIII: Lacrimosa of Dana hat es kein Spiel bei mir so nah an die perfekte 10er-Wertung geschafft. Bravo, Persona 3 Reload!
- Spannende Geschichte
- Typisches Persona-Feeling
- Taktisches, rundenbasiertes Kampfsystem
- Tolle Mischung zwischen Alltag und Dungeon-Erkundung
- Sehr schön gestaltete Spielwelt
- Stimmungsvolle Level im Tartarus
- Grafik, Musik und Synchronstimmen komplett neu im Vergleich zum Ursprungsspiel…
- … und noch dazu richtig gut gelungen
- Texte komplett auf Deutsch
- Serientypisch kein freies Speichern
- Kleinere Fehler im Text
- Tartarus-Dungeon manchmal etwas abwechslungsarm
- Basiert „nur“ auf der Basisversion des ursprünglichen Spiels
Seit dem ersten Gameboy begeisterter Konsolenzocker. Neben Rennspielen, Action-Adventures und JRPGs sind auch Indie-Perlen gerne im Laufwerk gesehen. Zu den Lieblingsspielen gehören GTA Vice City, Metal Gear Solid, Overboard, Ys VIII, die Uncharted- und Forza-Horizon-Reihe sowie Gran Turismo 7.