Returnal im Test: AAA Roguelike als PlayStation 5 Hoffnung
Returnal schickt PlayStation 5 Besitzer in einen schweren, aber belohnenden Überlebenskampf. Dabei haben sich die Entwickler von Housemarque einiges vorgenommen, denn sie wollen das erste AAA-Roguelike abliefern und Studio untypisch eine Story einweben.
Ein ambitioniertes Projekt
Mit Returnal haben sich die Entwickler von Housemarque auf komplett neues Terrain begeben. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte versuchen sie sich an einem AAA-Titel und dieser soll als einer der großen PlayStation 5 Exklusivtitel der nächsten Monate einiges hermachen. Auch die Third-Person-Perspektive stellt ein Novum in den Spielen der Entwickler dar. Die größte Neuerung sollte allerdings die Einbindung einer Geschichte sein. Bislang glänzten Housemarque nämlich mit sehr netten Indieperlen, wie Resogun, die von ihrer arcadigen Spielweise und einem hohen Suchtfaktor lebten. Eben diese Stärken wollen nun für Returnal mit einer subtil erzählten Geschichte und dem ersten Versuch eines AAA-Roguelike-Game verbunden werden.
Schon nach wenigen Spielstunden wird klar, dass Housemarque den hohen Anforderungen gerecht wurden und sich das Ausbrechen aus der eigenen Komfortzone wirklich bezahlt macht. Doch Returnal wird bei aller Genialität nicht alle zufrieden stellen können.
Und täglich grüßt der Überlebenskampf
Der Spieler schlüpft in die Rolle von Selene, die mit ihrem Raumschiff auf dem Planeten Atropos strandet und sich dort einer feindseligen Umgebung ausgesetzt sieht. Neben dem Kampf gegen übermächtige Aliens gilt es vor allem herauszufinden, was es mit dem Planeten auf sich hat und warum Selene immer und immer wieder an der Absturzstelle ihres Raumschiffes aufwacht, wenn sie auf ihren Streifzügen den Tod findet.
Dabei stößt man immer wieder auf Audiologs, die mit neuen Erkenntnissen zur Hintergrundgeschichte gespickt sind und diese weitererzählen. Selene kämpft hier nicht nur um das eigene Überleben, sondern auch mit ihrem Verstand. Findet man den im Level versteckten Schlüssel, kann man eine Projektion des eigenen Heimes betreten, das sich aus noch nicht bekannten Gründen mitten auf Atropos befindet, und hier in Egoperspektive und bester PT-Manier die eigene Vergangenheit ein wenig weiter erkunden.
So werden dem Spieler im Überlebenskampf immer kleine Story-Fetzen hingehalten, die stimmig und auf bekannte, aber interessante Weise die Geschichte vertiefen.
Diese wird nicht linear und meist durch die Einträge zu Gegenständen erzählt. Neben kurzen Zwischensequenzen erfährt der Spieler nämlich hauptsächlich durch Audiologs und Alien-Chiffren neue Schnipsel der Story. Da diese nur spärlich eingesetzt und weitererzählt wird, ergibt sich ein wirklich motivierender Sog. Man möchte wissen, warum man in einer Zeitschleife feststeckt und die dafür benötigten Informationen wollen hart erkämpft werden.
Zu erkunden gibt es sechs verschiedene Gebiete, die sogenannten Biome, die allesamt eigene Gegnertypen und ein abwechslungsreiches Setting bieten. Abkürzungen zwischen den Biomen sorgen für weniger Frustmomente.
Am Ende eines jedes Bioms wartet ein Bossgegner, den es in drei Phasen niederzustrecken gilt. Klar, wie bei allen ausgetüftelten Spielen muss man hier dessen Moveset genauestens studieren und seine Schwachstellen herausfinden. Das kann dann ein paar Nerven kosten, ist ein Endgegner und damit auch ein Biom bezwungen, kann man sich allerdings wirklich besten Gewissens voller Stolz auf die Schulter klopfen.
Ausgefeiltes Spielprinzip und eine happige Herausforderung
Returnal ist ein Shooter, der die Spieler in Roguelike-Manier immer wieder in neu generierte Abschnitte schickt. Dabei verfolgt man ein festgelegtes Story-Ziel, erreicht dieses aber durch eine wechselnde Zusammensetzung aus Räumen, die mit immer anderen Gegnerhorden, Verbesserungsgegenständen und Consumables gespickt sind. In Metroid-Vania Anleihen gibt es immer wieder Bereiche, zu denen der Spieler nach weiterem Spielverlauf zurückkehren könnte, weil er sie zum Beispiel erst nach Erhalt eines bestimmten Gegenstandes oder einer Fähigkeit erkunden kann.
Die Kämpfe sind geprägt von Hektik und so müssen Spieler über viele Stunden ihre Sinne und Fähigkeiten schärfen, um der “Bullet-Hell” der gegnerischen Attacken das eigene Können entgegensetzen zu dürfen.
Wer also wenig frustresistent ist, sollte hier zweimal überlegen, ob er sich Returnal zulegt. Das Spiel braucht eine ordentliche Eingewöhnungsphase und baut auf den Ehrgeiz des Spielers, sich stetig und durch harte Arbeit zu verbessern. Mit den richtigen Kenntnissen über passive und aktive Boni und Verbesserungen sowie einer kleinen Portion Glück beim Finden neuer Waffen können sich die Chancen dann verbessern, jedoch ist es unerlässlich, die eigenen Fähigkeiten zu stählen, um dann im Kampf den nötigen kühlen Kopf bewahren zu können. Hat man Steuerung und Kampfsystem in den Fingern, ergibt sich im Idealfall ein wirklich befriedigender Flow-Zustand, in dem man sich den stärker werdenden Horden der feindlichen Aliens gewachsen fühlt.
Zudem lohnt es immer auch, abseits des Hauptweges nach Upgrades und neuen Waffen zu suchen. Schnellreiseportale lassen den Spieler jederzeit komfortabel und schnell zu bestimmten Abschnitten zurückreisen.
Aber auch erfahrene Spieler und diejenigen, die viel Zeit und Nerven investieren wollen, werden an ihre Grenzen kommen, denn Returnal kommt mit einem unmenschlichen Schwierigkeitsgrad daher, an dem es nichts zu schrauben gibt. Hier braucht man wirklich einiges an Durchhaltevermögen.
Die eigenen Überlebenschancen können allerdings langfristig durch das Auffinden einiger Alien-Technologie-Upgrades für den Raumanzug von Selene verbessert werden. Diese Upgrades, die das Moveset der Protagonistin verbessern, sind permanent, bleiben also über das Ableben hinaus vorhanden. Immerhin, denn alle gefundenen Waffen, deren Upgrades sowie Consumables wie Phiolen zur Regeneration der eigenen Lebensenergie, sind nach einem missglückten Lauf genauso Geschichte, wie die gefundenen passiven Boni und Buffs.
Atmosphärisch dicht
Der drohende Wahnsinn, die offenen Fragen, die feindliche Umgebung und die kurzen und bedrückenden Cutscenes geben in Verbindung mit der wirklich schön anzusehenden Umgebung auf Atropos eine sehr dichte Atmosphäre. Kleine Details, wie der durch die sehr geschickt eingesetzte Rumble-Funktion des Controllers, abgebildete Regen auf dem eigenen Raumanzug, sorgen für das extra Bisschen Immersion. Hier kommt Returnal die Technik der PS5 zugute. Auch die schönen Partikeleffekte beim Einsammeln diverser Verbrauchsgüter sind wirklich schön anzusehen.
Atropos ist rundum gut in Szene gesetzt und auch die eingestreuten Story-Fetzen sind sehr geschickt platziert und tragen zur gelungenen Atmosphäre bei.
Gerade soundtechnisch kann Returnal weitere Pluspunkte sammeln. Wer mit einem geeigneten Headset spielt, wird sich schnell über den brachialen Soundtrack freuen dürfen. Musik und Umgebungsgeräusche tragen hier einiges zur bedrohlichen Atmosphäre des Planeten Atropos bei.
Hier greifen wirklich alle verfügbaren Zahnrädchen ineinander und ergeben so ein intensives Spielerlebnis, das man selten in so stimmiger Form erleben kann.
Kleine Mackel – Bugs und Abstürze
Bedenkt man den happigen Schwierigkeitsgrad des Games und die daraus resultierenden Frustmomente, ist es umso schmerzlicher, wenn ein Bug dann am Vorankommen hindert. So passierte es mir zum Beispiel, dass ich zwischen zwei Türen gefangen war und in einem Raum “feststeckte”. Da dies zu Beginn eines Laufes stattfand, war es weniger tragisch, bedenkt man aber, dass ein solcher Bug in weiterem Spielverlauf viel hart erarbeiteten Fortschritt zunichtemachen kann, dann ist das ärgerlich.
Da das Spiel aber gerade frisch auf dem Markt ist, kann hier sicherlich recht schnell mit passenden Patches abgeholfen werden, denn auch, wenn es hier und da mal zu Abstürzen kommen kann, sind diese doch eher die Ausnahme und aktuellen Berichten zufolge scheinen diese auch eher durch die Hardware der PS5 bedingt zu sein.
Dabei muss erwähnt werden, dass ich nach mehreren Spielstunden nur von einem Sound-Bug und erwähntem “Feststecken” zwischen zwei Räumen geplagt wurde. Ärgerlich, aber auch nichts Dramatisches.
Der Mut zu Neuem zahlt sich aus
Housemarque haben mit Returnal einiges gewagt und dadurch auch einiges gewonnen. Sicherlich wird der happige Schwierigkeitsgrad und die Rogue-Like-Mechanik einige Spieler vergraulen, dafür schafft es das Studio, einen sehr gut ausbalancierten Mix aus Story, Gameplay und dichter Atmosphäre zu schaffen, der nicht nur sehr lange an den Controller fesselt, sondern auch ein nachhaltiges und einzigartiges Spielerlebnis erschafft.
Eigenständigkeit, Kreativität und der Mut, etwas Unkonventionelles zu probieren, haben sich hier wirklich ausgezahlt.
Klar sind die Einzelteile bekannt und schon dagewesen, die Zusammensetzung macht hier aber den Unterschied. Returnal bedient sich vieler Spielelemente und kredenzt daraus einen sehr ansprechenden Spiele-Cocktail mit der nötigen Eigenständigkeit, die einen echten Exklusivtitel ausmachen sollte.
Dabei bedienten sich Housemarque für die nötigen Ideen sowohl im eigenen Backkatalog, als auch bei einigen sehr interessanten Indiespielen, wie Hades.
Fazit
Returnal ist ein Spiel mit einem eigenständigen und ausgereiften Konzept. Das können nicht viele Spiele von sich behaupten und schon allein deswegen ist es einen Blick wert. Hinzu kommen die wirklich ansprechende Präsentation mit guter Grafik, tollem Soundtrack, einer wirklich beachtlichen Steuerung und ein sehr motivierendes Spielprinzip. Die Geschichte ist atmosphärisch präsentiert und unaufdringlich, aber doch interessant in das Spielgeschehen eingewoben. Einzig ein paar Bugs, wie auch der wirklich happige und rasant ansteigende Schwierigkeitsgrad können abschreckend sein. Wer nichts mit dem Rogue-Like Zeitschleifenprinzip aus Tod und Neuversuch anfangen kann, der sollte sich den Kauf von Returnal zweimal überlegen. Wer eine ordentliche Herausforderung und ein frisches Spielkonzept zu schätzen weiß, der ist hier sehr gut aufgehoben. Das erste richtige PlayStation 5 Highlight seit Demon’s Souls.
- Ein ausgereiftes und unverbrauchtes Spielprinzip
- Atmosphärisch dicht mit gut eingewobener Story
- Fordernd und mit hohem Suchtpotential
- Sehr knackiger Schwierigkeitsgrad, der rasant ansteigt
- Gelegentliche Bugs und Abstürze sorgen für Frust
Leidenschaftlicher Zocker, der irgendwo zwischen Shootern, Plattformern, Action-Adventures und arcadigen Sportspielen zuhause ist. Zu den Lieblingsreihen gehören Resident Evil, The Last Of Us, Call Of Duty und GTA.