Under the Waves im Test: Unruhige Gezeiten
In Under the Waves spielen wir Stan, einen Industrietaucher, der für eine Ölbohrfirma in den Tiefen der Nordsee Wartungsarbeiten erledigen soll. Das narrative Adventure will dabei mit seiner Geschichte und seiner Atmosphäre überzeugen. Ob es dem recht unbekannten Entwicklerteam von Parallel Studio gelingt, uns in seinen Bann zu ziehen, klären wir im Test.
Im Ozean hört dich keiner schreien
Als einfacher Arbeiter werden wir von UniTrench angeheuert, um uns um deren Technik am Grund des Meeres zu kümmern und für einen reibungslosen Ablauf der Ölförderung zu sorgen. Damit das Geld ohne großen Aufwand fließt, ist die Raffinerie vollständig automatisiert und muss nur von einer einzigen Person gewartet werden. Unser Kontakt zu unserem Arbeitgeber ist dabei Tim, ein alter Freund und der Koordinator zur Instandhaltung der Anlage. Die erste Zeit werden wir damit verbringen, einige Lecks zu stopfen, Arbeitsdrohnen wieder fit zu machen oder unsere Behausung zu reparieren. Am Ende des Tages können wir uns unseren wohlverdienten Feierabend mit dem Sammeln von Ressourcen, dem Untersuchen von Wracks oder dem Erforschen der Tierwelt frei gestalten. Das Stan dabei nicht nur aus finanziellen Gründen diesen Job in völliger Isolation annimmt, sondern dahinter auch tief liegende Probleme stecken, wird uns nach den ersten Gesprächen mit seiner Ehefrau Emma recht schnell klar. Sie ist gar nicht glücklich darüber, dass ihr Ehemann so tief unter dem Meer für einen global operierenden Megakonzern arbeitet und macht sich Sorgen um seine psychische Verfassung und seinen moralischen Kompass. Auch die andauernden und immer stärker werdenden Albträume, die unseren Taucher plagen, und der Druck, den UniTrench auf seine Mitarbeiter ausübt, um die Profite aufrechtzuerhalten, sorgen kaum für eine ausgewogene Work-Life-Balance. Zu allem Übel zieht noch ein gewaltiger Sturm am Horizont auf, der sein ganzes Potenzial noch entfalten wird.
Die Story von Under the Waves besticht durch ihre sich langsam aufbauende Dramatik und die Thematisierung starker psychischer Belastungen wie Einsamkeit oder Trauer. Dabei wird das Spiel aber nie pathetisch und die Handlungen und Motivationen unseres Alter-Egos wirken menschlich und nachvollziehbar.
Bedrückende Dunkelheit
Eine der Stärken des Spiels ist es, die Einsamkeit und Offenheit des Meeres gekonnt darzustellen, sodass wir uns als Teil einer unbekannten Welt fühlen. Der Meeresboden, der zu Beginn noch voller Leben ist, wird im weiteren Spielverlauf zu einer immer tristeren Umgebung, die sich auch auf Stans Gemüt auswirkt und die Albträume damit länger und bedrohlicher werden lässt.
Dabei besitzt das Adventure eine starke Sogwirkung, die uns immer tiefer in die dunklen Machenschaften von UniTrench zieht und die Spielzeit dabei wie im Flug vergehen lässt.
Flink wie ein Fisch im Wasser
Under The Waves bietet uns eine detailliert gestaltete Open-World in der Tiefsee, die wir rund um unsere Missionen frei erkunden können. Zwar ist die Map nicht übermäßig groß, aber mit Höhlen, Wracks, Ressourcen und Mods für Haus und Fahrzeug sind ordentlich gefüllt. Wir können uns interessante Punkte auf der Karte markieren, um diese leichter zu finden. Um von A nach B kommen, kann Stan dabei auf “Moon”, ein kleines und wendiges U-Boot, zugreifen. Dabei sollten wir aber beachten, dass unser Unterwasserfahrzeug über ein Schadensmodell verfügt, das mit Reparatursets wieder ausgeglichen werden kann, sowie über eine Treibstoffanzeige, für die wir immer ein paar Reservekanister mitführen sollten. Unseren Sauerstoffvorrat sollten wir unter Wasser natürlich genauso im Blick behalten. Aber keine Sorge, die Vorräte sind recht häufig anzutreffen und sollen eher die Immersion verstärken, als wirklich eine Herausforderung darstellen. Die Steuerung geht dabei recht intuitiv von der Hand, nur “Moon” reagiert teilweise etwas zu zackig auf Eingaben und so kann es recht schnell passieren, dass wir ungewollt an einer Klippe hängen bleiben. Sehr nützlich ist dabei die Funktion, dass wir an Oberflächen andocken können. So muss man nicht überall herumschwimmen, sondern darf bestimmte Gebiete auch ganz klassisch per pedes erkunden. Under The Waves ist aber natürlich kein actiongeladener Shooter, sondern eher als ein narratives Adventure zu sehen, in dem wir häufig kleine Rätsel lösen müssen, um an unser Ziel zu gelangen.
Die Melodie der Wale
Die klangliche Untermalung weiß durchaus zu überzeugen und ist ein wichtiger Bestandteil, um die dichte Atmosphäre des Spiels aufzubauen. Der tolle Soundtrack findet immer die richtigen Töne zur aktuellen Grundstimmung, ob sie nun düster oder eher melancholisch ist. Dazu kommen noch Walgesänge mitten im Ozean, die von weit her zu kommen scheinen, und auch das Knarzen und Zischen der Industrieanlagen, das uns die Haare zu Berge steigen lässt, trägt gekonnt zur Inszenierung bei. Der Titel liegt dabei in einer ordentlichen deutschen Synchronisierung vor, kann aber natürlich auch im englischen Original mit Untertiteln gespielt werden.
Tiefes dunkles Blau
Auch optisch kann das Spiel auftrumpfen, seien es die Wälder voller Algen, die grünlich schimmern und sich sanft im Takt der Strömung wiegen, oder die schroffen Felsen, an denen Muscheln emporwachsen — überall spürt man förmlich das pure Leben und den Artenreichtum. Im späteren Spielverlauf werden die angenehmen Grün- und Blautöne, die anfangs vorherrschen, schleichend durch immer dunklere Farben ersetzt und wir können die lauernde Bedrohung förmlich sehen. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass die Texturen nicht die schärfsten sind und die Gesichtsanimationen auch nicht absolut flüssig ablaufen. Das extreme Tearing im Lebensmodul fällt da schon störender auf, lässt sich aber bestimmt mit einem späteren Update leicht beheben. Aber auch immer wiederkehrende Abstürze haben den Spielfluss leider etwas gestört.
Fazit
Under The Waves ist ein packendes und toll geschriebenes Adventure, das sich mit emotionalen Themen wie Verlust und Einsamkeit auseinandersetzt. Die Atmosphäre unter Wasser wurde von Parallel Studios mithilfe des Soundtracks und der stimmigen Grafik gut in Szene gesetzt. Die Rätseleinlagen machen Spaß und haben einen angenehmen Schwierigkeitsgrad. Wen die etwas kurze Spielzeit von circa 11 Stunden und einige Bugs nicht stören, der kann hier als Fan von Titeln wie “Dear Esther” oder “Firewatch” getrost zugreifen.
- Packende Story
- Stimmige Grafik
- Toller Soundtrack
- Flüssiges Tauchen
- Lebendige Unterwasserwelt
- Kurze Spielzeit
- Hakelige Steuerung von "Moon"
- Teilweise starkes Tearing
- Gelegentliche Abstürze
Passionierter PC und Konsolenspieler. Fokus liegt auf Einzelspielererlebnissen