Dying Light 2 im Test: Kann der zweite Teil der Reihe dem ersten das Wasser reichen?
Dying Light 2 von Techland ist wohl eines der meisterwarteten Spiele 2022. Bereits 2020 sollte es erscheinen, wurde dann auf den 7. Dezember 2021 verschoben und dann schlussendlich noch mal um zwei Monate. Hat diese Zeit gereicht, um eine würdige Fortsetzung des ersten Teils zu liefern? Das finden wir zusammen im Test heraus.
Die Zeit nach Harran
Dying Light 2 spielt 15 Jahre nach den Geschehnissen aus dem ersten Teil, der im Ort Harran spielte. Die Menschheit konnte das sogenannte Harran-Virus dank eines Impfstoffs besiegen und die Zombieapokalypse eindämmen. Der Global Relief Effort (kurz GRE) ist eine Hilfsorganisation, die an der Forschung des THV (The Harran Virus) beteiligt war und nach der Entwicklung des Impfstoffes mitteilte, nicht weiter am Virus zu forschen. Natürlich haben sie sich nicht daran gehalten, denn das THV wäre hervorragend für militärische Zwecke geeignet, wäre nicht erneut eine Variante aus den Laboren entkommen und auf die Menschheit losgelassen worden.
Der Untergang der Bevölkerung war damit nicht mehr aufzuhalten. Die Wenigen, die überleben konnten, haben sich zu kleinen Dörfern und Gruppen zusammengeschlossen. Irgendwo existiert aber noch eine Stadt namens Villedor, in die sich unser Protagonist Aiden Caldwell begibt. Er ist ein Pilger, die dafür bekannt sind, durch die gefährliche und tödliche Einöde zu reisen.
Und genau in dieser Einöde beginnen wir auch das Spiel, als wir Aiden durch einen Tunnel vor einer Gruppe Zombies davonrennen sehen. Mit seinen Parcours-Skills gelangt er bequem über die Autos bis zu einer kaputten Brücke, über die er gekonnt drüber springt. Dort wartet unser Bekannter Spike. Aus dem folgenden Gespräch erfahren wir, dass die beiden solche Rennen für ihre Fitness nutzen. Denn ein langsamer Pilger ist ein toter Pilger.
Zusammen mit Spike gehen wir zu einer nahegelegenen Villa, die er gefunden hat. Auf dem Weg dorthin und auch innerhalb des Hauses wird uns alles Mögliche erklärt. Er gibt uns auch einen Hinweis, wo wir unsere Schwester Mia finden können, nämlich in Villedor. Und genau das ist unser Ziel: Mia in der Stadt finden und uns dabei möglichst nicht von Zombies anknabbern zu lassen. Die Story ist im Großen und Ganzen eigentlich gut erzählt, an der ein oder anderen Stelle wirkt sie aber sehr seltsam oder sehr voraussehbar.
Ach wie schön wäre es nur, könnte ich doch etwas Parcours
Auf unserem Weg nach und in Villedor bewegen wir uns auch wieder wie im ersten Teil vorzugsweise mit Parcours durch die Gegend. Ganz lässig springen wir so also mal über einen Zaun oder ein Auto, klettern an Laternenmasten hoch oder hangeln uns an Hauswänden entlang. Das geht alles entspannt von der Hand und funktioniert in den meisten Fällen auch 1 A. Ebenfalls sieht es nicht nur elegant aus, sondern fühlt sich auch echt flüssig und gut an. Je weiter wir im Spielverlauf kommen, desto cooler wird unser Parcours, da wir neue Fähigkeiten freischalten können.
Dying Light 2 setzt nämlich auf ein geteiltes Fähigkeitensystem. So können wir uns im Parcours- oder Kampfskillbaum weiterbilden. Um einen Skillpunkt zu erhalten, müssen wir entweder Quests und zufällige Begegnungen absolvieren, oder aber wir kämpfen uns durch die Zombiemassen und versuchen so oft wie möglich irgendwo hochzuklettern oder Ähnliches. Je mehr wir eine der zwei Aktionen (Angriff, Parcours) verwenden, desto mehr Erfahrungspunkte sammeln wir für den Skillbaum.
Mit der Zeit können wir dann Fähigkeiten wie schnelleres Klettern, Sliden und einen Wandlauf freischalten. Oder aber besseres Parieren, einen Rundumschlag oder einen Sturzangriff. Wie man die Skills ausbaut, ist jedem größtenteils selbst überlassen und führt so zu einem individuellen Charakterbuild.
Looten und Leveln ist alles, was ich mag
Das Thema Leveln haben wir hiermit abgehakt, jetzt kümmern wir uns um den Loot. Um unsere Umgebung zu scannen, können wir den Überlebenssinn nutzen, der interagierbare Gegenstände in der Nähe markiert. Seien es Drähte, Flaschen, Stofffetzen, Medikamente, Koffer, Spinde oder Autos. Alles, was sich looten lässt, wird somit auch gefunden. Wer fleißig einsammelt, wird am Ende auch nie wirklich Geldprobleme haben, da unser Inventar nur für die Aufnahme von Waffen und Ausrüstung ein Limit hat. Alles andere kann munter eingepackt werden, bis wir vermutlich wie ein Packesel aussehen. Ein Glück gibt es in Videospielen Taschen ohne Boden.
Unter dem ganzen Schrott finden sich auch gerne mal neue Waffen oder Kleidungsstücke, die sich in verschiedene Spielerklassen gliedern lassen: Jäger haben ihren Schwerpunkt auf Fernkampfwaffen und Tarnung gelegt, Raufbolde sind mehr mit einhändigen Waffen unterwegs, Panzer mit Zweihändern und der Sanitäter kümmert sich um die Heilung. Warum es vier Klassen gibt? Ganz einfach, denn Dying Light 2 kann man auch im Mehrspielermodus spielen und somit könnte eine Gruppe von vier Leuten auch jede Klasse beinhalten.
Zusammen gegen die Zombies
Will man mit anderen zusammenspielen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, das zu tun. Zum einen lässt sich ein Hilferuf senden und von anderen annehmen, welcher Unterstützung für die aktuelle Quest oder Aktivität anfragt. Oder man sucht sich direkt seine Freunde heraus und verbindet sich zum Gruppenführer in seine Welt. Dort angekommen, kann man dann gemeinsam gegen die Zombies antreten.
Das funktioniert in der Praxis auch erstaunlich gut. Was cool ist, ist, dass der Loot nicht geteilt wird und somit jeder alles bekommt und auch mit in seine eigene Welt nimmt. Quests werden gemeinsam bearbeitet und gibt sie einer ab, gilt das für alle. Bestimmte Aktivitäten, wie beispielsweise die Einnahme eines Windrads, können zwar auch gemacht werden, sind dann aber nur in der Welt des Hosts verfügbar. Die Synchronisation der Bewegung der anderen Spieler ist manchmal etwas hakelig oder sieht total seltsam aus, stört aber im Großen und Ganzen nicht den Spielfluss. Es macht auf jeden Fall Spaß, in einer Gruppe Nachtjäger, einen der stärksten Gegner im Spiel, zu erledigen.
Einmal draufhauen zum Mitnehmen bitte
In der Anfangsphase des Spiels ist der Kampf relativ eintönig und stellenweise etwas langweilig, da wir nur einen Schnellangriff und eine Parade zur Verfügung haben. Das heißt, wir klopfen mit vielem Tastendrücken auf die Gegner ein und können Angriffe von ihnen blocken. Schaffen wir es kurz vor dem Aufprall der gegnerischen Waffe zu blocken, parieren wir den Schlag und der Feind taumelt kurz, was uns einen perfekten Zeitraum für eine Gegenattacke einräumt. Im Laufe des Spiels wird der Kampf spannender, da uns nicht nur neue erlernbare Angriffe zur Verfügung stehen, sondern sich Gegner auch mithilfe von Parcours zerlegen lassen.
Die Waffenauswahl reicht hier von einhändigen- bis zu zweihändigen Waffen, von Stöcken über Macheten zu Keulen, Langschwertern und Äxten. Ebenfalls sind Bögen mit an Bord, welche Fernkampf ermöglichen. Diese gliedern sich wiederum in fünf Seltenheitsstufen, die uns je nach Rang mehrere Erweiterungsplätze an der Waffe geben. Dort können verschiedenste Modifikationen angebracht werden, wie die Chance auf den Zustand „Brennen“ beim Gegner, wenn wir einen kritischen Treffer landen oder dass pro Schlag etwas weniger Haltbarkeit der Waffe verloren geht.
Jede unserer Waffen hat nämlich eine bestimmte Menge an Haltbarkeitspunkten. Sind diese aufgebraucht, können wir die Waffe wegwerfen. Durch das Anbringen einer Modifikation lassen sich ein paar Punkte wiederherstellen. Somit muss jeder für sich entscheiden, ob eine Waffe eher etwas länger halten soll – dann baut man nach und nach eine Modifikation ein – oder, ob sie von Anfang an volle Power geben soll – dann baut man alle auf einmal rein und verspielt sich die längere Haltbarkeit.
Im Kampf stehen uns aber auch noch andere Sachen zur Verfügung, die wir ebenfalls selbst herstellen können. Seien es Wurfmesser, Granaten, Molotows, Pfeile oder Minen. Haben wir bei einem Meisterhandwerker die Pläne gekauft, können wir diese mit den notwendigen Teilen auch herstellen. Diese können auch bei den Handwerkern upgegradet werden, um beispielsweise mehr Lebenspunkte zu heilen oder auch mehr Schaden anzurichten. Dafür benötigen wir Infiziertentrophäen, die ebenfalls in verschiedenen Seltenheitsstufen zu finden sind und von besonderen Infizierten gelootet werden können.
Die Qual der Wahl der Fraktion
In Villedor gibt es mehrere Fraktionen, von denen wir erst mal nur den Basar und die Peacekeeper nennen. Die Leute des Basars sind einfache Überlebende, die sich zusammengeschlossen haben und gemeinsam versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Die Peacekeeper sind sehr militärisch angehaucht und kümmern sich sozusagen etwas um die Sicherheit der Stadt, da sie neben guten Waffen auch Helme und sonstige Ausrüstung besitzen.
Jede Gruppierung beherrscht ein paar wenige Gebiete in Villedor, die anderen sind keiner zugewiesen. Genau solche lassen sich von uns besetzen und einer Fraktion zuweisen. Je nachdem, für welche wir uns entscheiden, bekommen wir andere Belohnungen. Der Basar bringt uns mehr Vorteile für Parcours ein, die Peacekeeper kümmern sich stärker um den Kampfpart.
In allen Gebieten lassen sich aber Windräder einschalten, die zum einen etwas Strom für die Leute generieren, zum anderen einen Handelspunkt für uns freischalten und auch einen Schlafplatz für die Nacht. In alten Verstecken der Nightrunner finden wir ebenfalls ein Bett und eine UV-Lampe, die uns vor Zombies schützt.
Einen riesigen Einfluss hat die Wahl der Fraktion allerdings nicht, obwohl das von Techland im Vorfeld mal so kommuniziert wurde. Bis auf ein paar andere Quests und einen etwas anderen Story-Verlauf tut sich in der Spielwelt nicht viel. Ja, die andere Fraktion hat einen anderen Schwerpunkt, aber dieses Feature hat hier einiges an Potenzial verschenkt, leider.
Ein Blick auf die Grafik und den Sound
Dying Light 2 hat einige verschiedene Lokalisierungen mit an Bord, so auch Deutsch. Hier lässt sich sagen, dass die Synchronsprecher einen guten Job machen. Was ein bisschen stört, ist, dass die Untertitel nicht immer perfekt zum Gesprochenen passen. Teilweise unterscheiden sich diese im Deutschen gewaltig. An der Audioausgabe des Spiels lässt sich sonst nichts aussetzen, die Musik im Hintergrund ist dezent und passt zur aktuellen Situation.
Grafisch sieht Dying Light 2 am PC auf den höchsten Einstellungen wirklich gut aus, gefühlt ist da aber technisch noch etwas Luft nach oben. Manche Texturen wirken etwas verwaschen und manche Gräser sehen seltsam aus. Weiter entfernte Bäumen wackeln wie Beton im Wind. Ansonsten gibt es hier aber nicht viel zu bemängeln, denn die verschiedenen Wettereffekte sind schön anzusehen, die Charaktermodelle wirken detailliert und auch die Umgebungen sind authentisch und passen zum Setting.
Fazit
Auf Dying Light 2 habe ich lange gewartet und ich bin wirklich zufrieden mit dem, was ich spielen konnte. Mir gefällt vor allem wieder die flüssige Parcoursumsetzung, die ich auch im ersten Teil lieben gelernt habe. Die Idee mit den zwei Skillbäumen ist eigentlich auch eine interessante Art, wie man Leveln kann, wirkt am Anfang aber etwas überfordernd und es dauert etwas, bis man hier mal einen Punkt bekommt. Die Waffen fühlen sich gut an und es macht Spaß, sie zu benutzen, die Modifikationen sind das Tüpfelchen auf dem I. Der Multiplayer ist gut umgesetzt, weist hier und da aber ein paar Schwächen auf, wie beispielsweise die seltsame Bewegungsdarstellung der Gruppenmitglieder.
Das System mit den Fraktionen wirkt auf den ersten Blick wirklich gut und vielversprechend, am Ende hielt sich das Ganze aber etwas in Grenzen. Viele Möglichkeiten blieben uns hier leider nicht. Techland hatte einiges zu diesem Feature im Vorfeld angekündigt, allerdings wurde im eigentlichen Spiel viel Potenzial verschenkt. Vielleicht dann in Dying Light 3 oder einem DLC? Ebenfalls ist die Story manchmal etwas seltsam, da wir im einen Moment gehasst werden, zehn Sekunden später sind wir wieder Freunde und 20 Sekunden später werden wir wieder gehasst. Die Zeitangaben sind natürlich willkürlich, es hat sich nur so angefühlt.
- Detailreiche Spielwelt
- Viele Nebenaktivitäten verfügbar
- Parcours macht Spaß wie in Teil 1
- Multiplayer
- Auswahl einer Fraktion hat nicht so einen großen Einfluss wie gehofft
- Untertitel in Deutsch unterscheiden sich vom Gesprochenen
- Bewegungen im Multiplayer werden komisch dargestellt
- Story manchmal etwas seltsam
Webentwickler, Technik-Nerd und Gamer aus Leidenschaft seit der Kindheit, mit einem Faible für die komplette The Legend of Zelda- und Halo-Reihe. Dazu fast keine Konsolengeneration ausgelassen und auch sehr interessiert an Indie-Games.